Das Neukölln der Boulevard-Medien ist ein finsterer Ort: Dieser Anfangssatz der Filmstarts-Kritik zu „Neukölln Unlimited" passt auch zu „Berlin: Hasenheide." Denn auch die Hasenheide, der rund 50 Hektar große Park im Norden Neuköllns, ist in den Boulevard-Medien ein finsterer Ort, bisweilen sogar eine No-Go-Area. Große Überschriften in großen Zeitungen sagen und zeigen jedoch nicht immer, wie es wirklich ist, heißt es einmal im Film. Das hat auch Nana A.T. Rebhan erkannt, die seit mehreren Jahren im Schillerkiez unweit der Hasenheide lebt. Also begab sich die ehemalige dffb-Studentin und langjährige Filmkritikerin im Zweierteam mit ihrem Tonmann Alfred Exner in den Park vor ihrer Haustür, um den weit verbreiteten Klischees etwas entgegenzusetzen: Ein Bild der Hasenheide nämlich, das dem realen Empfinden der Menschen näher kommt als die übliche mediale Panikmache.
Dafür hat Nana A.T. Rebhan über einen längeren Zeitraum ganz unterschiedliche Menschen angesprochen: Eine Gruppe Fußballbegeisterter etwa, zum großen Teil Türken und Afrikaner, die regelmäßig in der Hasenheide trainieren und zwei Müllkörbe als Tor aufstellen; zwei völlig konträre Hundebesitzerinnen, ein paar skurrile Nudisten und Peter Knoll, der in der Hasenheide Tai-Chi-Unterricht erteilt – außerdem einen jungen Maler, eine große Gruppe türkischer Männer, die den Park als ihr Wohnzimmer betrachten, einige Hindus und den aus dem Berliner Straßenbild weithin bekannten Mann mit den Papageien auf der Fahrradstange. Alle diese Menschen eint, dass sie Typen sind, charismatische und eigenartige, wahre (Kiez-)Gestalten eben. Und alle machen sie ihr Ding in der Hasenheide.
Diese Menschen begleitet Nana A.T. Rebhan mit der Kamera, wobei sie auf Schnörkel gänzlich verzichtet. Ohne kommentierenden oder erklärenden Off-Kommentar lässt sie ihre Protagonisten aus ihrem Leben und von ihrer Beziehung zur Hasenheide berichten, eingefasst in Bilder, die von großem ästhetischem Gespür zeugen, aber nie bemüht kunstvoll erscheinen. Wenn Musik vorkommt, dann ergibt sie sich immer aus den Aufnahmen selbst, und auch sonst ist das Hasenheide-Porträt angenehm bescheiden. Der Ansatz der Filmemacherin ist dabei so schlicht wie sinnfällig: Rebhan porträtiert den Park, indem sie die Menschen dort porträtiert, denn diese machen den Park erst zu dem Ort, der er ist: Zu einem Park, der (von den Nachtstunden einmal abgesehen) nicht finster, sondern schön ist, was der Autor dieses Textes als Hasenheide-Anwohner auch aus eigener Erfahrung bestätigen kann.
Am besten ist „Berlin: Hasenheide" immer dann, wenn die Menschen vor der Kamera keine Statements abgeben, sondern ganz beiläufige Gespräche führen, wenn Rebhan diese kleinen magischen Momente findet, die unmöglich nachgestellt werden können. In einer der stärksten Szenen führt der Zufall zwei Hundebesitzerinnen zusammen, die Rebhan zuvor getrennt gefilmt hat. Die eine ist sichtlich alternativ, in indianisch anmutende Tracht gehüllt und mit markiger Stimme, die andere eine spleenige, modisch gekleidete Dame, die ihren auf die Kleidung abgestimmten Hund offensichtlich als Accessoire versteht. Auch die Hunde der beiden Frauen, der eine vorm Verhungern gerettet, der andere von edler Gestalt und mit Stammbaum, könnten unterschiedlicher kaum sein. Auf einem Hundespielplatz in der Hasenheide treffen sie nun aufeinander, Rebhan filmt spontan und es entsteht ein wunderbarer, beinahe grotesker Moment, der eine der Kernaussagen des Films in sich trägt: Die Hasenheide ist ein vielfältiger Ort.
Von Vorteil ist dabei gewiss, dass Nana A.T. Rebhan, die auch die Kamera führt, und Alfred Exner als flexibles Zweierteam durch den Park zogen. Ohne finanzielle Unterstützung und mit eigener Ausrüstung entstand auf diese Weise ein kleiner, ambitionierter No-Budget-Dokumentarfilm, der zwar die eine oder andere Länge hat, aber immer wieder diese wahren Momente findet. Vielleicht ist „Berlin: Hasenheide" auch ein wenig zu einseitig von dem Park, den dortigen Geschichten und der Vielfalt der Lebensentwürfe begeistert. Wenn die großen Zeitungen und Boulevard-Magazine sich aber so eindimensional an den sozialen Problemen Neuköllns abarbeiten, dann darf ein Gegenentwurf seinen Standpunkt wohl ebenso unmissverständlich deutlich machen: Der Blick von Nana A.T. Rebhan ist jedenfalls merklich näher am alltäglichen Erleben in der Hasenheide als jener von RTL, Bild & Co.