Nie ist Liebe so bedingungslos wie im Teenager-Alter, auch und gerade auf der Leinwand. Das zeigte sich in den vergangenen Jahren vor allem bei der „Twilight"-Saga, wo die jugendliche Übersteigerung der Gefühle zu einer wortwörtlich übermenschlichen Liebe geradezu zelebriert wird. Mia Hansen-Løves Drama „Un Amour de Jeunesse" ist weit entfernt von dieser Art der überlebensgroßen Teenie-Romanze. Die französische Regisseurin nähert sich dem Thema Liebe und Verlust auf ruhige, einfühlsam-realistische Weise, wobei sie auch Passagen von vermeintlichem Stillstand und scheinbarer Ereignislosigkeit nicht ausspart. Dabei nimmt sie sich gelegentlich fast ein bisschen zu sehr zurück und verzichtet zugunsten einer freifließenden, fast assoziativen Erzählweise auf eine klare dramaturgische Linie sowie eindeutig definierte Themen und Aussagen.
Camille (Lola Créton) ist 15 Jahre jung und unsterblich in den vier Jahre älteren Sullivan (Sebastian Urzendowsky) verliebt. Während dieser jedoch stets um die eigene Unabhängigkeit besorgt ist, geht Camille mit Haut und Haar in ihrer ersten großen Liebe auf. Als Sullivan für zehn Monate nach Südamerika geht, bricht für das Mädchen eine Welt zusammen. Ein Leben ohne ihn scheint ihm so sinnlos, dass es in eine schwere Depression verfällt, aus der es nur langsam wieder herausfindet. Jahre später hat die angehende Architektin Camille dann eine Beziehung zu ihrem Universitätsdozenten Lorenz (Magne-Havard Brekke), doch als Sullivan wieder auftaucht, brechen ihre alten Gefühle wieder hervor. Gibt es für die beiden doch noch eine Chance?
Regisseurin Mia Hansen-Løve („Der Vater meiner Kinder") gelingt es, das Typische und das Besondere einer jungen Liebe auf extrem glaubhafte Weise einzufangen. Gerade zu Beginn des Films ist die Beziehung zwischen Camille und Sullivan sehr körperlich, gleichzeitig aber auch von schweren Konflikten geprägt. Dieses ständige Hin und Her, das mit Beteuerungen der bedingungslosen und ewigen Liebe einhergeht, lässt den Betrachter unweigerlich an eigene Schwärmereien denken – hier entsteht eine große Nähe zu den Figuren. Aber so echt die Beziehung zwischen Camille und Sullivan wirkt, so kühl erscheint im Vergleich das Verhältnis Camilles zu ihrem deutlich älteren Lehrer. Hier ist zwar Zuneigung, aber kaum Leidenschaft zu spüren, nicht zuletzt durch den gerade im Vergleich zu der anfänglichen Jugendliebe fehlenden Körperkontakt. In Lorenz' Gegenwart wirkt Camille überlegt und emotional beherrscht, während sie in den Szenen mit Sullivan aufblüht und aus sich herausgeht. So wird die überschwängliche, aber auch naive Jugendliebe einer geerdeten Beziehung zwischen zwei Erwachsenen gegenübergestellt.
Diesen Weg des Erwachsenwerdens stellt Mia Hansen-Løve ohne äußere Dramatik dar. Die Handlung wird von inneren Konflikten angetrieben, aber ein erkennbares Ziel hat sie nicht. Die Regisseurin bleibt so in gewisser Weise immer ganz nahe am wirklichen Leben, dazu passt auch die formale Gestaltung mit natürlichen Farben und ganz ungekünstelten Darstellungen. Allerdings scheint es durch diese schmuck- und richtungslose Herangehensweise zuweilen fast so, als würde Hansen-Løve den Alfred Hitchcock zugeschriebenen Spruch, Kino sei wie das Leben, aus dem die langweiligen Teile herausgeschnitten wurden, widerlegen wollen - und so kommt es doch zu einigen Längen. Und während die Irrungen und Wirrungen der jugendlichen Camille trotz allen Überschwangs jederzeit nachvollziehbar bleiben, ist das Verhalten der älter gewordenen Studentin durchaus rätselhaft: so elegant die ellipsenhafte Erzählweise, die Hansen- Løve hier anwendet, auch sein mag, sie birgt immer die Gefahr einer gewissen Willkür – entsprechend irritierend fällt dann auch das Ende aus.
Fazit: Auch wenn Mia Hansen-Love in „Un Amour de Jeunesse" die Intensität jugendlicher Liebe auf ergreifende Art und Weise darstellt, fehlt es ihrem Film letzten Endes an einer klaren erzählerischen Linie.