Als das Artillerie-Videospiel „Angry Birds“ im Dezember 2009 für Apple-Mobilgeräte veröffentlicht wurde, stieß das simple Spielprinzip über alle Altersgrenzen hinweg auf Anklang: Comichafte Vögel mit einer Zwille auf die Verschläge böser Schweine zu schleudern und damit zerstörerische Kettenreaktionen auszulösen, machte fast jedem Spaß. Inzwischen nisten die zornigen Vögel in zig Varianten auf diversen Plattformen, darunter Ableger zu Filmen wie „Rio“ oder „Star Wars“. In Anbetracht der enormen Downloadzahlen war es nur noch eine Frage der Zeit, bis es nach der TV-Serie „Angry Birds Toons“ auch einen eigenen Kinofilm um die gefiederten Geschosse geben würde. Der Animator Clay Kaytis („Die Eiskönigin“, „Himmel und Huhn“) und der Storyboard-Zeichner Fergal Reilly („Hotel Transsilvanien“) geben nun mit „Angry Birds - Der Film“ ihr Regiedebüt, das Drehbuch stammt aus der Feder des vormaligen „Saturday Night Live“- und „Die Simpsons“-Autors Jon Vitti. Das Ergebnis ist oft durchaus witzig, aber die Herausforderung, aus einem storyfreien Handygame einen auch erzählerisch zufriedenstellenden abendfüllenden Animationsfilm zu zimmern, bewältigen die Macher nur ansatzweise.
Der rote Vogel Red (Stimme im Original: Jason Sudeikis / deutsche Stimme: Christoph Maria Herbst) lebt gemeinsam mit anderem flugunfähigen Federvieh auf einer beschaulichen Insel. Weil Red zu Wutausbrüchen neigt, bekommt der Eigenbrötler einen Anti-Aggressions-Kurs aufgebrummt, bei dem er den hektischen Chuck (Josh Gad/Axel Stein) und den launischen Bomb (Danny McBride/Axel Prahl) kennenlernt, die ihre Emotionen ebenfalls nicht unter Kontrolle haben. Als ein Schiff mit grünen Schweinen an der Küste anlegt, ahnen die blauäugigen Vögel zunächst nichts Böses - allein Red steht dem Königsschwein Leonard (Bill Hader/Ralf Schmitz) kritisch gegenüber. Während Red, Chuck und Bomb den Mächtigen Adler (Peter Dinklage/Smudo) um Hilfe ersuchen, stibitzen die Schweine sämtliche Vogeleier, um selbige auf ihrer Heimatinsel zu verspeisen. Nun liegt es an Red und seinen neuen Kumpels, das Übel abzuwenden.
Im Gegensatz zu Rollenspielen wie „Final Fantasy“ oder Action-Adventure-Games wie „The Legend of Zelda“ besitzen die „Angry Birds“-Spiele alles andere als eine ausgefeilte Story. Stattdessen steht purer und simpler Spaß im Vordergrund, wenn der Spieler die mit verschiedenen Eigenschaften ausgestatteten Vögel gegen die Aufbauten der Schweine krachen lässt, begleitet von fröhlichen Sounds und veredelt durch immer neue taktische Herausforderungen. Da die Interaktivität wie bei jeder Videospieladaption in der Verfilmung wegfällt, stehen das Regieduo und seine Mitstreiter vor der Aufgabe, eine Geschichte aus dem Boden zu stampfen, die zwar zum Original passt, dort aber nicht vorhanden ist. Zum Protagonisten wurde mit Red der bekannteste aller Angry Birds erkoren, eine ebenso naheliegende wie nachvollziehbare Wahl. Schon der schlicht an das äußere Erscheinungsbild angelehnte Name verweist darauf, dass der Vogel in der Vorlage keine erkennbare Persönlichkeit hat, was in ähnlicher Weise für sämtliche Figuren gilt. Für den Film wird Red daher ein Außenseiterstatus angedichtet, der den Machern als Ausgangspunkt für eine einfache und austauschbare Geschichte dient: Der jähzornige Vogel muss lernen, in seine eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, um von der Gemeinschaft akzeptiert zu werden.
Die wenigen konkreten Bezüge zum Spiel wirken etwas gestelzt, zum Tragen kommt die lose Verbindung erst beim unversöhnlichen Finale, in dem eine Zerstörungsorgie im Stil aktueller Superheldenfilme wie „Batman V Superman“ entfacht wird. Um die Eier zu retten, legen Red und die anderen Vögel die Schweinestadt in Schutt und Asche, wobei sich eine Explosion an die andere reiht. Dass die wütenden Piepmatze dafür eine überdimensionierte Zwille benutzen, versteht sich von selbst: „Beobachte die Fluglinie und justiere dann neu!“ erklärt Red, was glatt ein Bildschirmtext aus der Vorlage sein könnte (und vermutlich auch ist). „Wir haben Glas,“ schwört König Leonard seinerseits die Borstenviecher auf den Showdown ein, was ebenfalls nur Sinn ergibt, wenn man als Zuschauer weiß, dass das Material Glas im „Angry Birds“-Universum eine andere Angriffstaktik als Holz, Stein oder Eis erfordert. Die ohnehin spärliche Handlung bleibt aber sowieso bloßer Vorwand für bunt animierte und recht schwungvolle Action, die gelegentlich durch auf die stark typisierten Figuren zugeschnittene amüsante Situationskomik ergänzt wird, etwa wenn der Mächtige Adler eine gefühlte Unendlichkeit lang in den heiligen See des Wissens uriniert, in dem Chuck und Bomb kurz zuvor noch ausgiebig geplantscht haben.
Fazit: Aus einem Spiel (fast) ohne Geschichte wird ein Animationsfilm mit dürftiger Handlung, munterer Action und viel mehr oder weniger amüsantem Schabernack.