Der Weihnachtsmann hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer sehr weltlichen Persönlichkeit gewandelt – und hat nun die Gestalt einer von Coca-Cola erdachten Werbefigur mit weißem Rauschebart und rotem Mantel. Das Bewusstsein dafür, dass etwa Sankt Nikolaus in populären Mythen auch durchaus ambivalente bis bösartige Begleiter wie Knecht Ruprecht bei sich hatte, ist hingegen in ähnlichem Maße geschwunden. Mit seinem Langfilmdebüt „Rare Exports" legt der Finne Jalmari Helander nun eine schwarze Horrorkomödie um einen ursprünglicheren Weihnachtsmann vor, die mit einer Handlung voll unerwarteter Wendungen und einem überraschenden Helden aufwartet.
Der kleine Pietari (Onni Tommila) lebt mit seinem Vater Rauno (Jorma Tommila) weit oben im recht einsamen finnischen Norden. Als sie gemeinsam mit Raunos Freunden auf Rentierjagd gehen, entdecken sie Dutzende der Tiere verendet am Rande eines abgesperrten Privatgeländes. Pietari hatte sich wenige Tage zuvor auf das Areal geschlichen und beobachtet, wie dort Arbeiter unter Leitung des zwielichtigen Riley (Per Christian Ellefsen) offenbar nach dem ursprünglichen Weihnachtsmann graben. Die Samen hatten ihn dort vor langer Zeit unter die Erde gebracht und anschließend auf das Grab einen Berg gebaut, damit er auch ja nie wieder herauskommen könne. Denn dieser Weihnachtsmann war keineswegs ein freundlicher alter Mann mit Bart, sondern einer mit gekrümmten Hörnern und einem ungesunden Appetit auf das Fleisch kleiner Kinder und generell unartiger Menschen gesegnet. Doch dann sind die Arbeiter plötzlich verschwunden und in Raunos Wolfsfalle liegt plötzlich ein nackter alter Mann (Peeter Jakobi), der Pietari mit einem hungrigen Gesichtsausdruck mustert...
Es ist keine leichte Weihnachtskost, die Regisseur und Drehbuchautor Helander dem Zuschauer hier anrichtet. Mit süßlich-harmlosen Schokoladenplätzchen ist auf jeden Fall nicht zu rechnen. Das Feiertagsmenü „Rare Exports" steckt voller kleiner und großer geschmacklicher Überraschungen. Kaum hat man sich nämlich darauf eingelassen, dass man es hier mit einer Gruselgeschichte zu tun hat, die reichlich detektivische Elemente enthält, zieht Helander ein paar Gewürznoten aus dem Folterhorror hinzu und wechselt dann für einen Großteil des Films in die schwarzhumorige Groteske, bevor - ganz zum Schluss – noch eine fast schon familienfreundliche Abenteuergeschichte folgt.
Die Wechsel in Ton und Richtung ergeben sich jedoch stets zwingend aus den Wendungen des Geschehens und wirken nie bemüht. Zusammengehalten werden sie zudem von dem Gefühl der Unwirklichkeit, das der Regisseur von den ersten Szenen an über den Film zu legen versteht. Das ergibt sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass sich die Perspektive des Films über weite Strecken Pietaris Wahrnehmung annähert und aus seinen Augen erscheint eben schon das normale Verhalten der Erwachsenen reichlich seltsam.
Seine Version des Weihnachtsmanns hat Helander schon in „Rare Exports Inc." von 2003 und „Rare Exports Inc. – Safety Instructions" von 2005 entworfen – die zwei Kurzfilme, die wie Image- beziehungsweise Lehrfilm des fiktionalen Unternehmens „Rare Exports Inc." aufgemacht sind, beschreiben ausführlich die Jagd und Nutzung der von der Firma weltweit vertriebenen Weihnachtsmänner. Viele Motive aus diesen zwei Kurzfilmen finden sich nun in „Rare Exports" wieder. Aber der Fokus der Erzählung ist trotzdem ein ganz anderer - und auch das höhere Budget des Films macht sich rasch bemerkbar, etwa in ausführlichen (und atemberaubenden) Landschaftsaufnahmen und den deutlich aufwändigeren Sets.
Auch wenn der moderne Santa Claus aus der Werbung hier fröhlich demontiert wird, ist „Rare Exports" keine Dekonstruktion des Weihnachtsfestes (oder auch nur des Weihnachtsfilms). Dafür ist er in seinen letzten Minuten schon wieder zu affirmativ familiär. Aber er stellt trotzdem mit bösem Humor die Frage, ob wir es uns ohne die alten Mythen mit ihren furchteinflößenden Figuren nicht vielleicht doch ein bisschen einfach machen. Für religiöse Fragen, überhaupt jede Form eines Erklärungsversuchs, ist dabei kein Platz. Dafür sind die Männer (die Protagonisten sind alle männlich und Kinder ihres einsamen Lebensstils) dann eben doch viel zu modern und vor allem zu pragmatisch.
Und so suchen und finden sie bald einen Weg, aus ihrer Situation einen finanziellen Vorteil zu ziehen – allein als Ersatz für die hingemordeten Rentiere, versteht sich. Das nimmt dann, soviel darf man noch verraten, eine ganz andere Richtung, als es die Kurzfilme vermuten ließen – aber hat eben auch andere Folgen, als es die Männer um Rauno erwartet hätten. Und für die sich auftürmenden Leichenberge können sie nun wirklich nichts.
Fazit: In seinen knapp achtzig Minuten macht „Rare Exports" eine elegante Wendung nach der anderen. Am Ende hat man kaum mitbekommen, dass man mit viel Humor und vielen Seltsamkeiten eigentlich etwas nicht besonders Tiefgründiges erzählt bekommen hat. Aber das ist für einen Festtagsfilm ja wahrlich nicht das schlechteste Ergebnis.