Mein Konto
    Hausu
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Hausu
    Von Björn Becher

    Der Haunted-House-Horror-Film hat nicht nur eine lange Tradition, sondern ist mittlerweile so fest gefahren, dass neuere Produktionen (z.B. The Marsh) immer nur die gleichen Schemata wiederholen. Dass es auch völlig anders geht, bewies schon 1977 der Japaner Nobuhiko Obayashi. Sein „House“ übertrifft an Drogenvisualisierungen jede Phantasie von Autor Hunter S. Thompson (Fear And Loathing In Las Vegas), hat kitschigere Farbkombinationen als Tears Of The Black Tiger, mehr Landschulheim-Feeling als jedes „Hanny und Nanny“-Buch und nutzt dazu jede Technik des Filmemachens, die von den Anfängen der Stummfilmära bis zu den 70er Jahren irgendwo einmal verwendet wurde. Wenn man einen Vergleichsfilm benennen müsste, fiele einem wohl nur Dario Argentos Horror-Klassiker „Suspiria“ ein, der ähnlich stilisiert ist. „House“ übertrifft Argentos ungefähr zur gleichen Zeit entstandenes Werk in dieser Hinsicht noch, dafür fehlt ihm allerdings der Horror.

    Schülerin Oshare (Kimiko Ikegami) hat sich so auf die Sommerferien gefreut. Zwar kann sie nicht mit ihren besten Freundinnen ins Feriencamp gehen, doch der Urlaub mit ihrem geliebten Vater (Saho Sasazawa) ist ihr sogar noch lieber. Doch der, ein berühmter Filmkomponist, der gerade für Sergio Leone gearbeitet hat, präsentiert ihr eine Überraschung: eine neue Frau an seiner Seite, eine neue Mutter für Oshare. Die ist entsetzt und streicht den gemeinsamen Urlaub. Da auch das Feriencamp der Freundinnen ins Wasser fällt, beschließt man gemeinsam zu Oshares Tante (Yôko Minamida) zu fahren, die sie schon ein Jahrzehnt nicht mehr gesehen hat. Dass kurz darauf bei Oshare eine Katze auftaucht, die ihr von nun an nicht mehr von der Seite weicht und wie sich bald herausstellen soll, der Tante gehört, lässt die Mädchen noch nicht aufhorchen. Kurz nach der Ankunft im Haus verschwindet eine der ihren und die eigentlich lebenslustige Fanta (Kumiko Ohba) ist überzeugt davon, dass die Melone, welche sie gerade gemeinsam verspeisen, eben noch der abgeschlagene Kopf der verschollenen Freundin war. Erst als sich die unheimlichen Vorfälle häufen, werden auch die anderen misstrauisch, doch die Wahrheit können sie noch nicht einmal erahnen.

    Nobuhiko Obayashi, dessen „Riyuu - The Motive“ 2005 im Programm der Berlinale lief, schuf mit „House“ sicher einen der ungewöhnlichsten Horror-Filme aller Zeiten. Los geht alles mit einer Gruppe dauerhaft vergnügter Mädchen in Schuluniformen, die zu einer eingängigen Klaviermelodie, die den ganzen Film über fast nie verstummt (es scheint sowieso kein einziges Bild ohne Musik zu geben), kichern und kicksen. Wandeln soll sich das Ganze mit der Zeit in einen Haunted-House-Horror-Film, der sich dabei aber den Ausdrucksformen fast aller Genres bedient. Neben ein paar genreeigenen Blutfontänen gibt es auch mal eine längere Martial-Arts-Sequenz, romantisch stilisierte Bilder, welche in der kitschigsten Bollywood-Romanze nicht „besser“ wirken und „Special Effects“, die in keinem Trash-Film billiger aussehen. Zudem wird auch noch ein bisschen bei der Schulmädchen-Erotik gewildert und die leicht, oder auch mal gar nicht bekleideten, minderjährigen Mädels aufreizend in Szene gesetzt. Wer zudem denkt, dass das Roger Corman/Jack Nicholson-Werk „The Trip“ das Nonplusultra in der Kategorie „Filme, die nur unter Drogeneinfluss der Macher entstandenen sein können“ darstellt, der wird nach dem Anschauen von „House“ überzeugt sein, dass Obayashi ein paar Substanzen kennt, von denen auch Corman und Nicholson noch nie etwas gehört haben.

    Es gibt in „House“, vor allem nach der Ankunft am Ort des Schreckens, so gut wie keine Szene, die von Obayashi nicht in der Post-Produktion verfremdet wurde. Ob er nun die Stop-Motion-Technik einsetzt, mit Rückblenden arbeitet, Bilder ineinander schneidet... ihm scheinen dabei nie die Ideen und Möglichkeiten auszugehen. Allein dies macht das ungewöhnliche Werk zu einem Fest für die Sinne, welches man nicht missen sollte. Dabei werden auch bewusst alle Genreregeln auf den Kopf gestellt. Happy End à la Hollywood? Könnt ihr haben. Der Traumprinz errettet hoch oben auf einem weißen Ross seine Prinzessin Fanta aus dem blutrünstigen Haus des Schreckens. „The End“ taucht in großen Lettern auf und wer mit der Kleinen mitgefiebert hat, ist nun erleichtert. Dumm nur, dass der Film danach noch eine halbe Stunde weitergeht und seine Opfer fordert.

    Oft wirft man Horror-Filmen die klischeehafte Charakterisierung der Mitglieder der niederzumetzelnden Gruppe vor. Das wird hier ebenfalls ad absurdum geführt. Die Charaktere ertrinken nämlich förmlich in ihrer Klischeezeichnung. Die eine ist die taffe Kampfsportlerin, die andere Musikerin, wieder eine verfressen, die nächste hat einen Putzfimmel, die andere ist der Bücherwurm. Damit man keine große Einführung braucht und auch nicht vergisst, wer welche Eigenschaft hat, wird das gleich durch die Namen (z.B. Kung-Fu, Melody) deutlich gemacht.

    Auch wenn „House“ die eigentlichen Wirkungen eines Horror-Films, das Gruseln des Zuschauers, viel zu selten erfüllt, ist der Film eine klare Sehempfehlung wert. Wer Lust hat auf ein berauschendes Fest für die Sinne und dem asiatischen Kino nicht abgeneigt ist, kann beherzt zugreifen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top