Sex ohne Liebe – wie lange geht das gut? Diese heikle Frage veranlasste schon die turtelnden Streithähne „Harry und Sally“ vor über zwanzig Jahren zum philosophischen Diskurs. Auf deren Spuren wandeln Justin Timberlake und Mila Kunis in Will Glucks Romantikkomödie „Freunde mit gewissen Vorzügen“. „Frauen wollen immer mehr!“, behauptet der von Woody Harrelson gespielte schwule Sportredakteur im Film, so als spräche er aus Erfahrung. Was wohl sein Namensvetter, ein gewisser schauspielernder Stadtneurotiker, dazu sagen würde?!...
Der kreative Dylan (Justin Timberlake) fliegt von Los Angeles in`s hektische New York, um dort als Art Director bei GQ anzuheuern. Am Airport wird er von der Headhunterin Jamie (Mila Kunis) empfangen, die ihn sogleich mit dem Nachtleben der Metropole vertraut macht. Beide frisch getrennt, sind sie sich trotz der Tatsache, dass sie sich eigentlich auf Anhieb blendend verstehen, einig, nichts Festes miteinander anfangen zu wollen. Beim DVD-Abend in der Hotelsuite hat Dylan die Blitzidee, man könne doch miteinander schlafen, ohne gleich eine Beziehung eingehen zu müssen. Sex haben sollte „wie Tennis spielen“ sein, sagt er – also eine zwanglose körperliche Betätigung, die Energien freisetzt. Jamie merkt an, Dylan entspreche nicht ihrem Beuteschema; und außerdem sei sie eiserne Verfechterin der sogenannten 5-Dates-Regel. Nachdem sich beide gestanden haben, dass es Dinge gibt, die sie am jeweils anderen attraktiv finden, landen sie schließl
ich doch miteinander im Bett. Bereits am nächsten Tag beschließen beide, dass dies eine einmalige Sache gewesen sei, und strecken die Fühler nach neuen Abenteuern aus. Jamie gerät an einen Naturliebhaber, der sie gleich nach dem ersten Date versetzt, während Dylan sich mit aufdringlichen, offensichtlich zugedröhnten Partybekanntschaften herumplagt. Dylan schlägt vor, Jamie mit nach L.A. zu nehmen und sie dort seiner Familie vorzustellen. Dylans an Alzheimer erkrankter Vater muss seinem Sohn aber erst noch einmal in`s Gewissen reden, dass Jamie die Richtige für ihn ist…
In wohl kaum einem anderen Fach wird alljährlich so viel an Ausschussware produziert, wie bei der romantischen Komödie. Das weiß auch Timberlakes Film-Figur, die eifrig über schmalztriefende 08/15-Rom-Coms herzieht, welche häufig nur rosarote Mädchenphantasien von Traumprinz und Kutsche bedienen. Dabei verrät sich Regisseur Will Gluck im Schlussdrittel um ein Haar selbst, wenn sein Streifen in`s Süßlich-Verklärte abzudriften droht und auch ein paar unglaubwürdige Gimmicks parat hält – ob es nun Dylans Stotterproblem ist oder der Houdini jr., der (beim Tricksen) wortwörtlich Feuer fängt, als die Flamme seines großen Bruders vor ihm steht. Dazu spielt ein Großteil des Films passenderweise im Big Apple (der übrigens sehr gekonnt in Szene gesetzt wird), bis uns Dylan seine Heimat Los Angeles (und seine in ihrer Konstellation unkonventionelle Familie) vorstellt und Jamie auf ein Stelldichein auf dem Hollywood-Schriftzug entführt.
Will Gluck ist dem Cineast ein Begriff, seitdem er mit „Einfach zu haben“ die ansonsten eher für ihre Niveaulosigkeit gefürchtete Highschool-Komödie um einen spitzzüngigen Kommentar zur Facebook- und Smartphone-Jugend bereicherte, durch den eine Brise Arthouse wehte. Die Hexenjagd auf ein Mädchen, das das Gerücht ihrer verlorenen Unschuld in die Welt gesetzt hat und damit nur kurzfristig eine trügerische Imagekosmetik erfährt, wurde getragen von einem überraschend geistreichen Drehbuch und der Darsteller-Entdeckung Emma Stone. Letztere bekommt – als kleines Dankeschön für ihr Verdienst in seinem vorigen Film – zu Beginn von „Freunde mit gewissen Vorzügen“ von Gluck noch einmal den Teppich ausgerollt. Eine tolle Parallelmontage zeigt, wie ihre Figur zur gleichen Zeit mit Dylan Schluss macht wie Jamies Freund mit Jamie, die von ihm „emotionale Verkrüppelung“ unterstellt bekommt. Nun, vieles hat in „Einfach zu haben“ einfach einen Tick besser funktioniert, etwa die Ich-wünsche-mir-ein-Leben-wie-ein-Film-Nummer, bei der nun ein Flashmob in der Grand Central Station tatkräftige Unterstützung leistet. Aber im Wesentlichen schafft es Gluck, die Stärken aus seinem Vorgänger in den aktuellen Streich hinüberzuretten. Allen voran erwähnenswert ist das in amüsanter Screwball-Manier verfasste Drehbuch, welches zwei moderne Großstadt-Twentysomethings mit Yuppie-Allüren vorführt, die in bissigen Verbalgefechten Geschlechterrollen und –klischees aufgreifen. Mila Kunis, die rassige Ukrainerin, zeigt hier nicht nur mehr Haut als in der Rolle der lasziven Ballerina-Konkurrentin von Natalie Portman in „Black Swan“, sie bekommt auch wesentlich mehr darstellerischen Freiraum. Jamie ist eine junge Frau, von der man annehmen sollte, dass sie weiß, was sie will, die ihre Schlagfertigkeit selbst beim Sex nicht aufgibt, auch wenn sie beim Fluchen stets verlegen zwinkert. Timberlake hat schon in „Black Snake Moan“, „Alpha Dog“ und „The Social Network“ gezeigt, dass er als Schauspieler durchaus ernst zu nehmen ist – und wenn er sich seiner Fähigkeiten doch mal unsicher ist, dann erinnert er eben mit kurzen Träller-Einlagen daran, dass er ja eigentlich aus dem Gesangesfach kommt. Die Chemie zwischen Kunis und Timberlake, wie würde die Boulevardpresse schreiben, sie stimmt verdächtig.
„Freunde mit gewissen Vorzügen“ präsentiert ein stattliches Nebenfiguren-Kabinett. Profi-Snowboarder Shaun White absolviert einen forsch-selbstironischen Gastauftritt, Woody Harrelson stiehlt die eine oder andere Szene mit phrasenhaften Lebensweisheiten und seinen Versuchen, Dylan doch noch an`s andere Ufer zu ziehen. Und Patricia Clarkson insistiert konsequent auf ihre „Einfach zu haben“-Rolle der progressiven Hippie-Single-Mutter, die freie Liebe propagiert und der entfallen ist, ob ihr Ex-Mann nun Grieche, Puertoricaner oder doch Russe war („Ich glaube, er kam aus Eurasien!“).
Fazit: Na also! „Freunde mit gewissen Vorzügen“ ist schwungvolles, niedliches Sommerkino mit für das Genre überdurchschnittlich guten Darstellern, die viele Schwächen mühelos überspielen. Ein kleines Lebenszeichen der schon lange als klinisch tot geltenden Rom-Com.