Zuletzt setzte sich der kürzlich verstorbene Christoph Schlingensief in „So schön wie hier kann‘s im Himmel gar nicht sein: Tagebuch einer Krebserkrankung" mit seinem Leben im Angesicht des Todes auseinander. Auch Tiziano Terzani, langjähriger Asienkorrespondent des SPIEGEL, befasste sich in seinem 2006 postum erschienenen Buch „Das Ende ist mein Anfang" mit seiner Erkrankung und seinem nahenden Ableben. Kurz vor seinem Tod sprach er mit seinem Sohn nicht nur über sein baldiges Ende, sondern berichtete voller tatkräftiger Lebensfreude von seinen abenteuerlichen Erlebnissen und Erkenntnissen in Saigon, Hongkong, Singapur, Peking und Neu-Delhi. Eine Verfilmung dieses Buches, das trotz der Interviewsituation eher einen Monolog Terzanis darstellt, ist durchaus gewagt. Entgegen den Erwartungen verzichtet Regisseur Jo Baier („Henri 4", „Stauffenberg") vollkommen auf Rückblenden und beleuchtet innerhalb der Vater-Sohn-Gespräche deren nicht immer einfaches Verhältnis.
Bruno Ganz („Der Untergang", „Der große Kater"), der ohne Zögern zusagte, geht in der Rolle des exzentrischen Tiziano Terzani auf. Leider fällt sein Filmsohn Elio Germano („Mein Bruder ist ein Einzelkind") arg ab. Hinzu kommt, was einigen Lesern schon beim Buch aufstieß: ein zarter Nebengeschmack von - wenn auch profunder - Todes/Lebens-Ratgeber-Literatur.
Schwerkrank bittet Tiziano Terzani (Bruno Ganz) seinen in New York lebenden Sohn Folco (Elio Germano) zu sich in das Familienhaus in den Abruzzen. Er möchte ihm die Geschichte seines intensiven und stürmischen Lebens erzählen und ihm für alle Fragen offen stehen. Folco soll, so wünscht es sich sein Vater, die Erinnerungen später in einem Buch herausgeben. Während des Gespräches brechen alte Spannungen zwischen den beiden wieder auf. Doch Terzanis rebellische und tiefgründige Lebensbeichte bringt die beiden Männer einander näher...
Tiziano Terzani, Schriftsteller und Journalist, schrieb für den SPIEGEL, den Corriere della Sera oder La Repubblica über die asiatischen Brennpunkte. Als Kriegsberichterstatter dokumentierte er das Ende des Vietnamkriegs und die Gräueltaten der Roten Khmer, war Zeitzeuge geschichtlicher Umwälzungen und entging mehr als einmal nur knapp dem Tod. Es gäbe also Einiges zu erzählen. Dabei folgen die Erzählungen des Journalisten keiner strengen Dramaturgie, sondern mäandern ein wenig. Hier wird nicht über Terzani Zeitgeschichte erzählt, sondern über ein wenig beigemischte Zeitgeschichte Terzanis Blick auf Krieg, Leben, Tod und Religion vermittelt. Welchen geschichtlichen Irrtümern ging er auf den Leim, welche Standpunktentwicklungen durchlief er, vom Maoisten zum absoluten Mao-Verachter, kann Krieg mit Krieg bekämpft werden, gibt es den Zustand der Erleuchtung? Das Setting ist den Film über dasselbe: das idyllisch in den Bergen gelegene Familienhaus. Tag für Tag reflektiert Terzani dort über das Sein. Sohn Folko nimmt alle Gespräche auf und fungiert ab und an als Stichwortgeber.
Womit die Crux des Films auch schon angesprochen ist: der Sohn. Da der Film zweisprachig gedreht worden ist, stört zum einen die ausgesprochen träge Synchro des Italieners Elio Germano. Zum anderen sollte man einem Schauspielkaliber wie Bruno Ganz unbedingt einen ebenbürtigen Darsteller gegenüberstellen. Gerade wenn dessen Sprechanteile ohnehin schon gering sind. Germano ist hier schlichtweg überfordert - undankbare Rolle hin oder her. Ganz' raumgreifendes, energisches Spiel gerät so ein wenig aus der Balance, da Germano ihm nichts entgegenzusetzen hat. Dabei hätte die Figur des Sohnes viel stärker als Katalysator von Terzanis Charakter eingesetzt werden können. Er scheitert am übergroßen Vater, der ihn plagt, ihn hindert, Dinge zu Ende zu bringen. Terzani selbst ist sich dessen bewusst, wie um die Bürden, die er seinen Kindern als Kriegsberichterstatter auferlegt hat. Gerade das moralische Dilemma des Sohnes ist höchst interessant. Denn das zunächst Undenkbare ist, dass Terzani seinen Sohn dazu bringen möchte, sich für ihn zu freuen, dass er stirbt. Der Film findet indes keinen treffenden Ausdruck für diese Konflikte. Möglicherweise nimmt sich die Adaption des Buches zu wenige Freiheiten. Es wäre durchaus einen Versuch wert gewesen, über die Erzählung Terzanis sowie die Dialoge der beiden hinaus eindringlicher zu beleuchten, was es denn bedeutet, wenn ein Sohn zu seinem Vater kommt, um dessen letzte Worte festzuhalten.
Terzani war bis in kleinste Detail mit der asiatischen Mentalität vertraut und suchte unentwegt die Auseinandersetzung mit den religiösen und philosophischen Aspekten der asiatischen Kultur. Folglich möchte er den Tod lediglich als Loslösung des Körpers verstanden wissen. Einmal meint er (in einem der schönsten Sätze), dass für ihn, den Entdecker und Abenteurer, letztlich nur der Tod Neues birgt. Zweifelsohne bekommt man ein Gespür dafür, was für ein Mensch Terzani gewesen ist. Ein Querdenker und Freigeist mit scharfen Gedanken und offenen Augen, dem als Journalist die Menschen stets wichtiger waren als die bloßen Informationen. Natürlich hätten Rückblenden den Film noch um eine Dimension erweitern können. Das mag weder das Anliegen der Produktion gewesen sein, die sich auf Terzanis Auseinandersetzung mit der Gegenwart über die Reflektion seiner Vergangenheit konzentriert, noch innerhalb der Möglichkeiten des Budgets gelegen haben. Dennoch ist das bei einem so unfassbaren Leben ziemlich schade.