Ein österreichischer Neo Noir, der in New York spielt, die Charaktere englisch sprechen und der - weil er in erster Linie über das Visuelle funktioniert - kaum in Worte zu fassen ist: Es ist schon ungewöhnlich, was Gerhard Fillei und Joachim Krenn über einen Zeitraum von zwölf Jahren gegen alle nur erdenklichen produktionstechnischen Widrigkeiten auf die Beine gestellt haben. Vier Jahre stand die Produktion von „South" still, zwischendurch verloren die beiden Filmemacher die Rechte an ihrem Debütfilm und jede Szene stellte eine neue finanzielle Herausforderung dar. Aber die Filmemacher gaben nicht auf und realisierten ihren Film, wobei „ihren" durchaus wörtlich zu nehmen ist: Nicht nur Regie und Drehbuch gehen auf ihr Konto, sie haben auch mitproduziert, geschnitten, ausgestattet, gecastet, zeichnen für das Szenenbild sowie die Bauten verantwortlich und traten als Lichttechniker beziehungsweise Lichtdouble in Erscheinung: In allen Bereichen der Produktion hatten die beiden Österreicher, denen man den Kinostart ihres Werks von Herzen gönnt, ihre Finger im Spiel. Herausgekommen ist dabei ein höchst eigenwilliger Film, der einen starken Sog auf den Betrachter ausübt und die unbeirrbare Leidenschaft der beiden Macher spüren lässt, letztlich aber nicht völlig überzeugt, da er zu sehr an der Oberfläche verhaftet bleibt und bisweilen ins Willkürliche abdriftet.
Bruce McGray (Matthew Mark Meyer) ist nach einem bewaffneten Bankraub, bei dem er verletzt wurde, auf der Flucht vor dem FBI. Über New York will er sich in Richtung Süden nach Mexiko absetzen. Verfolgt wird er dabei nicht nur von den Behörden, sondern auch von seiner eigenen mysteriösen Vergangenheit, die sich in einem Tagebuch manifestiert, das ihm eine Frau namens Maria (Jimena Hoyos) per Post zusandte. In New York führt ihn das Schicksal mit Dana (Claudia Vick) zusammen, die als Aushilfe für den Klavierhändler Mr. Davis (Sal Giorno) arbeitet...
Eine Inhaltsangabe zu „South" macht kaum Sinn. Zu sprunghaft und assoziativ ist die Erzählweise, zu vieles bleibt im Unklaren. Stattdessen lebt der Film, der zwischen Thriller und Liebesgeschichte, Road Movie und Experimentalfilm mäandert, von seiner Inszenierung. Teilweise mehrstimmige Off-Kommentare der Figuren, die in bester Film-Noir-Tradition stehen, und die stark stilisierten, mit Ausnahme zweier misslungener CGI-Effekte brillant fotografierten Schwarz-Weiß-Bilder verleihen „South" eine meditative Atmosphäre. Einzelne Sequenzen, wie jene, in der Bruce McGray bei seiner Ankunft in New York am Flughafen nur knapp seiner Festnahme entgeht, oder das spannende Finale am Bahnhof, bei dem die lose verknüpften Handlungsstränge mehr oder minder zusammenlaufen, stehen beinahe isoliert in der der elliptisch aufgebauten Dramaturgie des Films, die auch in der Musikvideo-ähnlichen Montage Widerhall findet. Das ist ein sympathisches Wesensmerkmal des Films, das ihm Eigenständigkeit und Charakter verleiht, aber zugleich auch der größte Schwachpunkt. Denn durch seine erzählerische Wirrnis, die der Betrachter nie ganz entschlüsseln kann, wirkt „South" an einigen Stellen beliebig und oberflächlich.
So sind es letztlich vor allem die atmosphärischen Bilder, die „South" sehenswert machen. Wie ein kinematographischer Stream of consciousness mit nur sporadisch gesetzten Kommas, Punkten und Ausrufungszeichen erscheint der Independent-Film. Die Figuren und deren Motivationen können durch die Bildhaftigkeit hindurch oft nur erahnt und gewissermaßen erfühlt werden, fügen sich aber nie zu einem kohärenten oder schlüssigen Bild. Es ist ohnehin eine Krux der Filmkritik, dass sie ein so komplexes mediales Konstrukt wie einen Film in die Schriftsprache überführen muss – bei einem so avantgardistischen und visuell geprägten Film wie „South" ist dieses Vorhaben kaum noch adäquat umsetzbar. Festgehalten werden kann dennoch, dass Fillei und Krenn in ihrem gegen alle Widrigkeiten realisierten und mutigen Debüt ein große Faszination für das Filmische erkennen lassen – eine Faszination, die den geneigten Betrachter ansteckt, aber nicht wirklich berührt.