Welche Rolle darf es sein, Herr Cage – treusorgender Familienvater oder vollkommen übergeschnappter Diamantenräuber? Für Joel Schumachers Einbruchs-Thriller „Trespass" war Nicolas Cage als Familienvater engagiert worden, dabei wäre er eigentlich viel lieber als Bösewicht vor die Kameras getreten. Zwei Wochen vor Drehbeginn und kurz nach einem anstrengenden Promo-Marathon für das „Duell der Magier" setzte sich ein frustrierter Cage deshalb auf die Bahamas ab und schaltete sein Handy aus. Daraufhin sollte zunächst Liev Schreiber die Rolle übernehmen, doch dann erklärte Cage seinen Urlaub plötzlich für beendet, erschien pünktlich zur ersten Klappe am Set und interpretierte den treusorgenden zum vollkommen übergeschnappten Familienvater um. Abseits von Cages spaßigem Guerilla-Spiel ist „Trespass" allerdings eine ziemlich öde Angelegenheit – ein lahmes Wirtschaftskrisen-Kammerspiel, in dem über weite Strecken bloß nervtötend durcheinander gebrüllt wird.
Vor ihrer pubertierenden Tochter Avery (Liana Liberato) machen Diamantenhändler Kyle (Nicolas Cage) und Architektin Sarah (Nicole Kidman) noch gute Miene zum bösen Spiel, eigentlich ist aus ihrer Ehe aber längst die Luft raus. Während die unter Hausarrest gesetzte Avery durchs Zimmerfenster in eine wilde Partynacht entwischt, klingelt es an der Haustür. Einen Atemzug später stehen drei vermummte und bewaffnete Gestalten im Flur. Der Familienvater schaltet schnell: Solange sein Safe verschlossen bleibt, sind die Ganoven auf seine Kooperation angewiesen. Das hält den aufgedrehten Elias (Ben Mendelsohn) und seinen Handlanger Ty (Dash Mihok) jedoch nicht davon ab, die Millers nach Lust und Laune zu malträtieren. Jonah (Cam Gigandet), der Dritte im Halunkenbunde, scheint derweil ein Auge auf Sarah geworfen zu haben...
Warum hat das Räubertrio ausgerechnet das Miller'sche Anwesen auserkoren? Was verbirgt sich im Safe? Ist Kyle überhaupt so reich, wie die Gangster glauben? Und was um alles in der Welt spielt sich da zwischen Sarah und Jonah ab? Mit gefühlt unzähligen Twists verschiebt Joel Schumacher seine Figurenkonstellation immer weiter, bis kein Wort und keine Drohgebärde mehr Gewicht haben – fünf Minuten später sieht ja ohnehin schon wieder alles ganz anders aus. Wenn Elias es plötzlich nicht mehr auf den Safe, sondern für die Dauer einer platten Finte auf eine Niere für seine kranke Mutter abgesehen haben soll, verliert „Trespass" endgültig jegliche Bodenhaftung - es wird geschimpft, gefleht und gelärmt, bis einem die Ohren rauschen.
Um seinem Publikum ein paar Verschnaufpausen vom „Ich bring' dich um, du Motherf*****!"-Geheul zu gönnen, breitet Schumacher das nicht ganz so mysteriöse Verhältnis zwischen Sarah und Jonah in fragmentarischen Rückblenden aus – und erzählt dabei nichts, was nicht längst mit bedeutungsschweren Blicken zwischen Nicole Kidman und Cam Gigandet abgedeckt wäre. Die Oscar-Preisträgerin und der „Twilight"-Beau sind kaum mehr als Schachfiguren, die mit jedem Twist umgestellt werden; bloß Explosionskünstler Nicolas Cage lässt sich nicht lumpen und spielt wieder einmal in seiner eigenen Welt. Da kann Ben Mendelsohn als fieser Elias noch so wüst herumkreischen – neben dem wunderbaren Irrsinn eines freidrehenden Nic Cage wirkt er eher wie ein zorniger Junge.
Durch all den Lärm sind die durchaus vorhandenen thematischen Zwischentöne nur schwer hörbar: Schumacher verortet seine Erzählung deutlich in der US-Wirtschaftskrise. Kyle und Elias stehen gleichermaßen mit dem Rücken an der Schuldenwand – hier ist auch bei denen nichts mehr zu holen, die sich hinter bürgerlich-neureichen Fassaden verstecken. Wenn die Flammen brennender Dollarscheine auf das Miller'sche Anwesen übergreifen, wenn die Familie wieder zusammenfindet und als Kernzelle der Gesellschaft gefeiert wird, dann ist die Beschwörung der Krise in vollem Gange.
Fazit: Dass Joel Schumacher als Regisseur thematisch starker Thriller wie „Falling Down - Ein ganz normaler Tag" oder „Nicht auflegen!" kaum mehr als ein ungelenk erzähltes Verwirrspiel aus seinem Stoff herausgeholt hat, ist trotz hohem Cage-Faktor eine handfeste Enttäuschung.