Ronin waren nach der japanischen Legende Samurai, deren Herren getötet worden waren und die sich nun anderen Herren anboten. Sie verloren den Status der Samurai und wurden Ronin genannt. Der am 6.7.2002 verstorbene Action-Spezialist John Frankenheimer nahm diese Figur der Ronin zum Anlass für seinen 1998 gedrehten Thriller. Fünf Männer: ein Spezialist für Waffen und Strategie, Sam (Robert de Niro), und ein exzellenter Fahrer, Larry (Skipp Sudduth), beide aus den USA, der Engländer Spence (Sean Bean), Waffenexperte, der Deutsche Gregor (Stellan Skarsgård), Computer-Experte, und das französische Organisations-Genie Vincent (Jena Reno), fünf Männer erhalten einen Auftrag in Frankreich – von einer Frau, der gerissenen Deirdre (Natascha McElhone), die für einen den Männern unbekannten Auftraggeber arbeitet.
Ihr Ziel ist es, einen Aluminiumkoffer unbekannten Inhalts zu beschaffen, hinter dem auch eine russische Organisation, die IRA und andere Gruppierungen her sind. Alle wissen, dass dieser Auftrag lebensgefährlich ist und sehr genau vorbereitet werden muss – Tote einkalkuliert. Einzig Sam bekommt mit der Zeit ein ungutes Gefühl, weil Deirdre nicht damit herausrücken will, wer ihr Chef und was in dem Koffer ist. Bald erweisen sich Sams Bedenken als nicht ganz grundlos. Als die fünf Männer und Deirdre an einem Quai an der Seine von Waffenhändlern modernes Gerät übernehmen sollen, kann Sam gerade noch entdecken, dass sie in einen Hinterhalt gelockt wurden. Dann muss Spence gehen. Sam mustert den Engländer aus, weil er zu viel Angst zeigt.
Der Koffer befindet sich im Besitz von sechs bis acht Männern in Nizza, wie Deirdre nur ungenau weiß. Nach einer irrwitzigen Verfolgungsjagd können die sie den Koffer auch in ihren Besitz bringen. Sams Zweifel an der Seriosität des Auftrags werden aber wiederum bestätigt. Er kann gerade noch verhindern, dass die Männer Opfer eines Bombenanschlags werden. Der Koffer muss ausgetauscht worden sein. Vincent und Sam sind sich darüber bewusst, dass sie ab sofort niemandem mehr trauen können. Den richtigen Koffer aber hat ein Verräter. Auf ihn beginnt nun eine gnadenlose Jagd, an der sich auch Deirdres Auftrageber (Jonathan Pryce) beteiligt ...
Frankenheimers Streifen setzt nicht allzu sehr auf die relativ simple Geschichte. Der Film lebt eher von seinen Personen und ihrem Verhalten in zugespitzten Situationen und von einer Atmosphäre des wachsenden Misstrauens. Als de Niro anfangs das Bistro überprüft, bevor er es betritt, fragt ihn Deirdre, warum er dies tue. „Ich betrete niemals einen Ort, von dem ich nicht weiß, wie ich ihn wieder verlassen kann.“ Auch Jean Reno ist ein vorsichtiger Mensch. Und Stellan Skarsgård spielt einen vordergründig sich zurückhaltenden, aber genau beobachtenden Ex-Agenten. Der Film handelt zudem von Verrat. Langsam enthüllt sich bei der Jagd nach dem Koffer, vor allem per Auto, die wahre Identität der Beteiligten. Kaum einer ist der, für den er sich ausgibt. Die IRA und die Russen sind näher, als mancher glaubt.
Umso stärker drängt de Niros Sam auf eine optimale Vorbereitung der Aktion. Das alles nützt nur wenig, denn nun begibt sich Sam mit den anderen in Räume, die allesamt unsicher sind, in denen der „Hinterausgang“ nur schwer zu finden ist. Immer deutlicher steigert Frankenheimer die Spannung in Richtung: Du kannst nur dir selbst trauen. Ausnahme: Sam und Vincent. Im Lauf der Zeit spüren die beiden instinktiv, dass sie sich verstehen. Zwischen beiden entwickelt sich fast so etwas wie eine Freundschaft, ohne dass auch nur ein Wort in diese Richtung fällt. De Niro spielt – reduziert – einen in allen Situationen cool wirkenden Mann. Natascha McElhone ist sein in dieser Hinsicht ebenso cooles weibliches Gegenüber. Als Sam von einer Kugel getroffen wird, gibt er Anweisungen, wie ihm die Kugel zu entfernen ist. Erst wenn man sie wirklich in der Zange habe, dürfe man diese wieder aus seinem Körper ziehen. Sie Szene entbehrt nicht einer gewissen Komik.
Zudem enthält der Film eine typische Hitchcock-Idee. Einen Koffer, von dem niemand weiß, was er enthält – und das Publikum wird’s auch nicht erfahren. (Das erinnert an die endlosen Diskussionen um den Koffer von Marsellus Wallace in „Pulp Fiction“.) Warum in den spannenden Showdown unbedingt Katarina Witt eingebaut werden musste, bleibt das Geheimnis Frankenheimers. Andererseits schadet es auch nicht.
Frankenheimers „Ronin“ enthält vier längere Verfolgungsjagden durch verschiedene Städte und Gegenden. Trotzdem sind diese Actionszenen nur Mittel zum Zweck. Frankenheimer setzt auf Geschichte, vor allem Charaktere und Suspense, gegründet vor allem durch die Unsicherheit in der Gruppe der sechs bzw. dann nur noch fünf Personen selbst. Also ein spannender, vielleicht etwas zu langer, überdurchschnittlicher Thriller, den man mit einigem Vergnügen anschauen kann.