Durchschnitts-Wertung
3,8
57 Wertungen
Deine Meinung zu Blond ?
3,5
Veröffentlicht am 4. Oktober 2022
I DON'T WANNA BE LOVED BY YOU
von Michael Grünwald / filmgenuss.com

Was haben Prinzessin Diana Spencer und Marilyn Monroe gemeinsam? Die berührende Farewell-Ballade A Candle in the Wind von Elton John. Zuerst hieß der Text: Goodbye Norma Jeane, dann hat sich der Künstler gedacht: Norma Jeane kann mittlerweile gut darauf verzichten, machen wir Goodbye Englands Rose daraus. Was haben Diana Spencer und Marilyn Monroe nicht gemeinsam? Den Regisseur, der sich bemüßigt und auch kompetent genug dazu gefühlt hat, zumindest Ausschnitte aus deren Leben zu verfilmen, um gleich noch dazu ein komplettes Psychogramm draufzupacken. Der eine: Pablo Larraín. Mit Spencer ist diesem ein brillantes Portrait gelungen, die impressionistische Skizze einer möglichen Befindlichkeit zu einem gewissen Zeitpunkt im Leben der Königin aller Herzen. Der andere: Andrew Dominik (u. a. Killing them Softly). Seine Schussfahrt in den Untergang einer wider ihres Willens gehypten Person frönt einem soziopathischen Destruktivismus, der eigentlich alles, mit Ausnahme vielleicht von Henry Miller, unter Aufbringung einer enormen Anziehungskraft in ein schwarzes Loch reißt, aus dem es keine Rückkehr gibt. Schon gar nicht für Norma Jeane Baker. Die landet mit den Füßen voran, als Steißgeburt einer verteufelten Männerwelt, im dunklen Nichts der Hoffnungslosigkeit. Obwohl – nicht ganz. Die Hoffnung war zwar immer ein bisschen da, starb aber zuletzt dann doch, in der gottgleichen Gestalt eines unbekannten, aber tränenreichen Vaters, der frappante Ähnlichkeiten mit Clark Gable hat und der blonden Schönheit immer mal wieder einen Brief hinterlässt, der ein baldiges persönliches Aufeinandertreffen verspricht. Eine Hoffnung, an die sich Norma Jeane Baker klammern kann. Das andere, woran sie sich klammert: Die Kunstfigur Marilyn, schmollmundig, Küsse verteilend, kokett performend als Sexsymbol, den Rock über dem Lüftungsschacht lüpfend, ganz so wie es Billy Wilder wollte. Laut Joyce Carol Oates, die mit ihrem Roman Blonde für den Pulitzer-Preis nominiert war, dürfte die Maske „Monroe“ nicht mehr als ein Strohhalm in einer Welt voller Treibsand gewesen sein, in welchem Frau sonst versinken müsste. Oder: Das Leben eines Filmstars als geringeres Übel. Denn sonst bleibt ja nichts. Gar nichts. Weder eine liebende Mutter noch ein Vater noch eigene Kinder. Und schon überhaupt gar niemanden sonst, der sich ernsthaft um diese psychisch äußerst labile Person, die bis dato als wohl einer der größten Stars der Filmgeschichte gilt, gesorgt hätte.

In diesem finsteren Pfuhl an sexuellem Missbrauch, Gewalt und geifernder Fleischeslust wird das Objekt der Begierde zum hin- und hergereichten Pinocchio. Ausgenutzt, getreten, begattet. Was hätte Pablo Larraín wohl aus diesen biographischen Ansätzen, die womöglich mit viel Dichtung klarkommen müssen, herausgeholt? Wie wäre sein Ansatz gewesen? Vielleicht empathischer, auf improvisierte Weise vertrauter. Er hätte sie wohl weniger als Punching Ball für ein reißerisches Trauerspiel verwendet als Andrew Dominik es getan hat. Für ihn (und vielleicht auch für Oates, denn ich kenne das Buch leider nicht) ist Marilyn Monroe das öffentliche Opfer purer #MeToo-Gräuel. Denn so, wie Ana de Armas auf der Höhe ihrer Imitationskunst weint und schreit und wimmert, sich am Boden krümmt und nach ihrem Vater fleht, muss es das größte Opfer sein, dass Hollywood je eingefordert hat. Ein weiblicher Hiob quält sich auf einem fast dreistündigen Kreuzweg die Via Dolorosa entlang, und niemand trägt das Kreuz auch nur lang genug, damit sich der zur Schau gestellte Star wieder hätte fangen können. Andrew Dominik kostet seinen Biopic-Horror so dermaßen aus, als hätte er einen Lustgewinn daran, Marilyn Monroe leiden zu lassen. Möchte man sowas denn sehen? Will man sich von Ana de Armas ankotzen lassen? Will man in Marilyns Alpträume eintauchen, die plötzlich an Paranormal Activity erinnern? Sind die amerikanischen Männer der Ära Kennedy wirklich so eine Bande von Scheusalen mit übergroßen Mündern, die den Star verschlingen wollen? Wo man mit feiner Klinge das Vakuum wertlosen Ruhms wohl sezieren hätte können, wuchtet Blonde einen Sucker Punch nach dem anderen ins engelsgleiche Konterfei von de Armas, welches den ganzen Film dominiert. Gut, so fasziniert war Larraín ebenfalls von Natalie Portman als Jackie oder Kristen Stewart als Diana, aber er hätte ihnen nicht so wehgetan.

Mit jedem Schlag ins Gesicht bröckelt der Film zu einer prätentiösen Galerie an recht oberflächlichen World Press Photos auseinander, die alle in die Times passen würden. Noch eins, sagt Dominik. Und dann bitte noch eins. Und noch eins von der Seite. Der Regisseur, so scheint es, kann seine Dämonisierung des Patriarchats gar nicht mal so ernst meinen, denn er tut damit ähnliches. Er nutzt eine Figur der Filmgeschichte, um sie so sehr niederzutreten, dass sie gar nicht anders kann als die Hoffnung zu verlieren. Dann aber wieder muss ich zugeben: Dominiks ambivalenter Film ist meisterhaft darin, in einigen wirklich überwältigenden Szenen eine Kunstfigur zu demontieren und den Grat zwischen Schein und Sein punktgenau zu treffen. Dazwischen finden sich in lockerer Chronologie akkurat nachgestellte Szenen aus Klassikern, die wir nie wieder so unbekümmert genießen werden können und Elemente, die an Roman Polanskis Psychothriller Ekel oder Last Night in Soho erinnern. Blond ist eine deftige Erfahrung, die man so eigentlich gar nicht machen wollte, die auch beschämt und bei welcher man sich selbst vielleicht als gaffenden Zaungast ertappt.

Vielleicht hätte sich Norma Jeane Baker mit diesem Film verstanden gefühlt. Die Offenbarung ihres Innersten, einschließlich ihres Geburtskanals, hätte sie wohl aber wieder zum Weinen gebracht. Wie wäre es mit etwas Trost? Hinsichtlich dessen hätte ihr Elton Johns Lied wohl besser gefallen.
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3,5
Veröffentlicht am 31. Dezember 2022
Artistischer Blick in eine funkelnde Hölle!

Ein Horrorfilm über Marilyn Monroe? Klingt kurios, aber genau das ist „Blond“ von 2022. Regisseur Andrew Dominik (er schrieb auch das Drehbuch), begann mit der Arbeit an dem Film bereits 2010, 12 Jahre vor Release. Das Ganze basiert auf dem Roman von Joyce Carol Oates, welcher offenbar viel Fiktion in die Geschichte von Norma Jeane mischte. Das stieß auf viel Kritik und auch diese Verfilmung musste sich kurz nach der Veröffentlichung sehr viel gefallen lassen. Ich persönlich kannte kaum etwas von Jeanes Hintergrundstory, war demnach sehr interessiert an dem Film. Dass letztendlich einige Dinge überspitzt und gänzlich erfunden sind, stört mich erstmal nicht, denn das hier ist ein Film und keine Dokumentation. Wer in einem Film akkurate Fakten erwartet, hat das Medium nicht ganz verstanden. Und deswegen einen Film zu kritisieren, ist in den meisten Fällen unsinnig. Viel wichtiger ist doch die Frage, ob mich das Endergebnis unterhält, ob es eine Aussage hat, mich berührt oder zum Nachdenken anregt. All das hat „Blond“ bei mir geschafft. Ist der Film perfekt? Nein, aber er ist eben auch kein klassisches Biopic, sondern eher im psychischen Horror angesiedelt.

Wir erleben die Geschichte von Norma Jeane, wie sie zu Marilyn Monroe wird. Dabei wächst sie in einer skrupellosen Welt auf, in der sie vor allem von Männern sexualisiert wird. Sie ist zwar berühmt, aber nur, weil sie eine Kunstfigur erschaffen hat, die sie vor dem Absturz bewahrt. Doch selbst die große Sex-Ikone Marilyn zerbröckelt irgendwann…

„Blond“ ist kein Zuckerschlecken und das finde ich gut. Der Film zeigt gnadenlos, was für eine Hölle das Leben von Norma Jeane ist. Dass das im echten Leben vermutlich nicht imer der Fall war, ist sicherlich wahr, aber dieser Film will eben genau in diese dunklen Momente eintauchen und sie hervorbringen. Vergewaltigung, Gewalt in der Ehe und viele andere grauenvolle Dinge werden schonungslos thematisiert und gezeigt. Das ist nicht immer einfach, aber vielleicht auch deswegen so wichtig. Dennoch muss auch ich sagen, dass dieses Konzept nach etwa zwei Stunden langsam ermüdet. Der Film ist mit 166 Minuten zu lang, gerade weil das Prinzip von Normas Leidensweg immer wieder aufs Neue wiederholt wird. Was mir persönlich fehlt, ist die Steigerung, die Abwechslung. Irgendwann ist klar, dass es wirklich nie etwas Positives für die gedemütigte Frau geben wird und das ist irgendwie unschön. Ich persönlich mag Filme, die selbst bei unermesslichem Horror doch einen Funken Hoffnung in sich tragen. „Blond“ ist keiner dieser Filme, schön, aber Regisseur Dominik macht damit auch nicht sehr viel gegen Ende. Zum Schluss hat man das Gefühl, dass alle Männer Monster sind und Norma nur ein Opfer. Doch hat sie sich nie gewehrt? Hat sie nie gutherzige Menschen getroffen, die nur ihr Bestes wollten? Einer ihrer Ehemänner, Arthur Miller, ist einer dieser Menschen, aber er bleibt leider etwas blass und schlussendlich eindimensional.

Kommen wir zum Cast, denn der ist phänomenal. Ana de Armas ist absolut gigantisch als Norma Jeane. Manchmal konnte ich nicht erkennen, ob es die echte Marilyn ist oder de Armas. Denn es gibt ein paar Momente, wo die echte Marilyn zu sehen ist, bis sich das Gesicht von de Armas in sie hineinmischt. Nichtsdestotrotz ist dies eine fantastische Leistung von de Armas, vielleicht sogar ihre beste. Gerade die Art, wie der Film und de Armas die Rolle der Marilyn Monroe als teuflische Kunstfigur verwenden, ist beeindruckend. Adrien Brody und Bobby Cannavale sind ebenfalls stark, wie auch der Rest der Besetzung.

Vor allem ist es die technische Umsetzung des Stoffes, der beeindruckt. Die kreative Kamera von Chayse Irvin ist hypnotisch und wunderschön anzusehen, während der Score von Nick Cave und Warren Ellis eher das Horrorgenre bedient, aber auch zarte Momente wundervoll unterlegt. Richtig umwerfend sind besonders die abstrakten Momente und das Spiel mit verschiedenen Bildformaten und schwarz-weiß-Momenten. Optisch ein bildgewaltiges Werk!

Fazit: „Blond“ ist ein kontroverser Film, der viel unverdiente Kritik entgegengeschleudert bekommt. Und obwohl mir gerade im letzten Drittel die Tiefe gefehlt hat, so ist der Film doch eine erfrischende Sicht auf die Figur Norma Jeane aka Marilyn Monroe. Vor allem aber ist eine bittere Abrechnung mit dem Hollywood der 50er Jahre. Sicherlich gab es viele schöne Momente, auch für Norma, aber „Blond“ zeigt auf brutale, aber unverblümte Art, was für ein Business dort herrschte (und vielleicht auch noch herrscht). Die Feminismuskeule wird hier und da etwas zu dolle geschwungen, aber ihr Schlag trifft und sitzt. Auch wenn Fans von Marilyn und Norma sich auf einiges gefasst machen müssen (wie etwa einige dazu gedichtete Story-Elemente), so ist dieser Film in meinen Augen doch sehenswert.
3,0
Veröffentlicht am 29. September 2022
Die Dramaturgie des Filmes ist mir zu lose auf den Tatsachen passierend wichtige Punkte in dem Drama der Marilyn fehlen wichtige Männer die zur Tragik ihres Endes beigetragen haben werden gänzlich aus gespart..!!!
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