Was wissen wir eigentlich über Auslandseinsätze der Bundeswehr? Wir sehen in den Nachrichten, wenn der Verteidigungsminister lächelnd die Hände von Soldaten schüttelt. Wir hören von Anschlägen auf Zivilisten oder Bundeswehrkonvois. Wir bilden uns eine Meinung darüber, ob NATO-Einsätze überhaupt sinnvoll sind. Kurzum, was wir über die Bundeswehr im Ausland wissen, erfahren wir aus den Medien. Was immer man jedoch über diese Einsätze denkt, ob man sie gutheißt oder ablehnt: Wie es vor Ort aussieht, darüber wissen wir so gut wie gar nichts. Wie erleben Zivilbevölkerung und Soldaten eine Atmosphäre aus Angst, Misstrauen und Hoffnungslosigkeit? Wie sieht der Alltag in einem solchen Umfeld aus? Was bedrückt die Menschen, woran halten sie sich fest? Dies sind die zentralen Themen des ZDF-Dramas "Kongo".
Die Bundeswehr nimmt an einem (fiktiven) Auslandseinsatz im Ost-Kongo teil, der Sinn der Mission scheint den Soldaten aber inzwischen überhaupt nicht mehr klar zu sein. Man kämpft tagtäglich gegen die Kindersoldaten des grausamen Milizenführers Captain Crocodile und traut sich nur noch schwer bewaffnet aus dem eigenen Lager. Die Feldjägerin Oberleutnant Nicole Ziegler (Maria Simon) soll in diesem Wirrwarr aus Angst und ohnmächtiger Wut den vermeintlichen Selbstmord eines Soldaten der Bundeswehr aufklären. Ziegler wurde für die Ermittlungen aus Deutschland in das ferne Afrika beordert und muss schnell erkennen, dass die Methoden, die sie in der Heimat gelernt hat, hier nicht funktionieren. Vor allem Hauptmann Kosak (Jörg Schüttauf), der Vorgesetzte des toten Soldaten, ist ihr gegenüber misstrauisch. Als dann auch noch ein Handyvideo auftaucht, auf dem ein Kriegsverbrechen zu sehen ist, gerät die junge Feldjägerin sogar in Lebensgefahr...
Man kann sich fragen, wieso gerade der Kongo in den Mittelpunkt der Handlung gestellt wird, wieso nicht Afghanistan oder irgendein anderer aktueller Konflikt? Die Figur der Feldjägerin Ziegler basiert auf den Erfahrungen von Nadine Hübner, einer Soldatin, die 2008 am Hindukusch stationiert war und dem Filmprojekt beratend zur Seite stand. Hübner antwortet auf die Frage, ob das Leben der Bundeswehrsoldaten in dem Film realistisch dargestellt wird: "Ich bin jedenfalls ganz anders hingegangen als ich wieder gekommen bin. Wichtig ist, zu zeigen, was das für Entbehrungen sind, die auf die Soldaten zukommen. Aber wenn man die Polizei dort ausbildet, dann weiß man, wofür man das macht."
Afghanistan ist trauriges Vorbild für einen fiktiven Auslandseinsatz, der herangezogen wurde, um nicht von realen Ereignissen eingeholt zu werden. Hierfür schien der Kongo für Regisseur Peter Keglevic leider nur zu gut geeignet: "Kongo ist ein düsteres Wort. Ein schlechtes Wort, ich möchte es nicht in meinem täglichen Umfeld erleben." Das riesige Land, das im neuesten Welthunger-Index auf dem letzten Platz liegt, steht stellvertretend für jeden schmutzigen, asymmetrischen Krieg, in dem es keine klare Frontlinien gibt und Feinde oft nicht klar zu benennen sind.
Es drängt sich allerdings die Frage auf, wieso ein Kriminalfall, hier der Selbstmord des jungen Soldaten, als Einstieg zu einer Beschreibung von Bundeswehrauslandseinsätzen herangezogen werden muss. Sollen auf diese Weise Fernsehzuschauer mobilisiert werden, die sonst um das Thema Krieg einen Bogen machen? Die Krimistory in einen größeren gesellschaftlichen Kontext gestellt, der den Zuschauer auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen soll. Regisseur Keglevic hierzu: "Film wird in den meisten Fällen als Unterhaltung wahrgenommen, hier als düstere, spannungsgeladene Unterhaltung. Was dann zurück bleibt, ist schwer zu planen. Dennoch wirft ‚Kongo‘ ein positives Licht auf die Bundeswehr. Es wird über die agierenden Soldaten gesagt, dass sie Angst haben, dass es ein Desaster ist, dass die Aufgabe nicht benannt ist. Ehrlichkeit, auch wenn sie einen schlechten Inhalt hat, nimmt der Bürger viel lieber zur Kenntnis als die vertuschende, wohltuende Lüge."
Dass es dramaturgisch begründet zur Überzeichnung einzelner Elemente kommt, sei verziehen. Man kann bemängeln, dass einzelne Charaktere zu eindimensional dargestellt sind, auch dass der Handlungsbogen zu sehr auf ein möglichst actionreiches Finale ausgerichtet ist. Ein sehr gut aufgelegter Cast, allen voran die hervorragende Maria Simon als Oberleutnant Nicole Ziegler, kann die Kompromisse an ein krimigewöhntes Montagabendpublikum aber durchaus wett machen.
"Kongo" stellt richtige und wichtige Fragen über Soldaten im Auslandseinsatz. Man erhält zumindest eine Ahnung, wie das Leben in diesem so fremden, furchteinflößenden Kriegsalltag ist. Hauptdarstellerin Maria Simon bringt es auf den Punkt: "Das sind junge Menschen, die noch sehr leichtsinnig sind. Die dann dahin kommen und wichtig ist, dass man die sieht." Eine finale Bewertung über die Richtigkeit solcher Auslandseinsätze wird dabei jedoch nicht abgegeben. Präsentiert wird ein Einblick in das Seelenleben der Menschen vor Ort. Die Nöte und Ängste der Soldaten, oft auch ihre wahnsinnige Wut auf die Verhältnisse. Jörg Schüttauf hat sich sein eigenes Bild über den von ihm gespielten Hauptmann gebildet: "Ich bin mir nicht sicher, ob der Kosak eine Karte oder eine SMS von zu Hause von seiner längst geschiedenen Frau bekommt. Ich meine, ich möchte kein Kosak sein."