Coming-of-Age-Filme erfreuen sich ungebrochen großer Beliebtheit. Was wohl daran liegt, dass das Erwachsenwerden bei nicht wenigen Menschen nie wirklich abgeschlossen ist und die Identifikation mit den Hauptfiguren somit leicht fällt. Dass der Reifeprozess in nahezu allen Fällen an das Erzählen einer Liebesgeschichte gekoppelt wird, macht durchaus Sinn: Denn gerade im Umgang mit anderen Menschen lässt sich der Reifegrad der Hauptfigur ablesen. Auf diese Weise verfährt auch Regisseur Bartosz Werner („Preußisch Gangstar"), dem mit „Unkraut im Paradies" ein schön anzusehender, tragikomischer Coming-of-Age-Film gelungen ist, der nicht nur von den ebenso sympathischen wie talentierten Hauptdarstellern Remo Schulze und Klara Manzel profitiert, sondern auch von seinem unprätentiösen Drehbuch und einer gelungenen Inszenierung.
Lukas (Remo Schulze) und Meike (Klara Manzel) sind nur auf den ersten Blick ein glückliches Paar. Wer genauer hinschaut, erkennt schnell, dass Meike unter der mangelnden Reife ihres Freundes leidet. Lukas hingegen kennt keinerlei Sorgen: Er steht voll im Saft, die Frauen fliegen auf ihn und mit seinem charmanten Lächeln steht er stets auf der Gewinnerliste. Dass er dringend eine Ausbildungsstelle braucht, kümmert ihn wenig – genauso wenig wie der Umstand, dass er bei seiner Freundin umsonst zur Miete wohnt. Meike aber will mehr, einen Mann nämlich, der Verantwortung übernimmt und für sie da ist. Also fordert sie Abstand von Lukas, der sich zuletzt ziemlich egoistisch aufgeführt hat, und setzt ihn vor die Tür. Nach einem kurzen Aufenthalt bei seinem Bruder bezieht er seine erste eigene Wohnung: Erwachsenwerden steht an – und vielleicht gefällt das ja auch Meike...
Das Schöne an „Unkraut im Paradies" ist die Unaufgeregtheit seiner Erzählweise. So verändert sich Lukas im Verlauf der Handlung nicht von Grund auf, sondern nur sehr zaghaft und in kleinen Schritten. Eine kleine Geste vorm Abspann genügt, um den Unterschied zum anfänglichen Egoisten zu verdeutlichen. Und auch sonst sind es eher kleine, aus dem Leben gegriffene Momente, mit denen Bartosz Werner – der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat – seine Geschichte erzählt. Das Blümchenmotiv auf Lukas' Boxershorts, die Beziehung zu seinen Eltern (die ihm die neue Wohnung einrichten) oder ein Liebesbeweis via Singstar sprechen auch ohne großes Drumherum Bände.
Obwohl Lukas als waschechter (Jung-)Macho und Egoist präsentiert wird, ist er nicht unsympathisch – und auch keine Figur, die Bartosz Werner vorführt. Lukas meint es mit seiner Egozentrik nämlich gar nicht böse: Er hat schlicht noch kein erwachseneres Konzept entwickelt: Er sucht sich noch und macht dabei auch Fehler – und damit kann sich wohl jeder Zuschauer identifizieren.
Die Inszenierung von Bartosz Werner kommt dabei ohne großen Pomp aus und bereitet den Darstellern eine angemessene Bühne. Für den 22-jährigen Remo Schulze, der bislang nur in einigen Fernsehproduktionen und dem missglückten „Rock It!" zu sehen war, könnte die Hauptrolle in „Unkraut im Paradies" einen kleinen Durchbruch bedeuten. Es ist vor allem seiner Ausstrahlung zu verdanken, dass Werners Film keine großen Anstalten machen muss, um die Aufmerksamkeit des Zuschauers über die 90-minütige Spielzeit zu halten. Ein mindestens genauso großer Glücksgriff ist Klara Manzel, die ihre Rolle an Schulzes Seite mit Bravour ausfüllt. Es wäre schon recht verwunderlich, würde sie nicht in Bälde einem größeren Publikum bekannt werden. Bisher nur mit Nebenrollen bedacht, etwa in „Lucy", „Berlin '36" oder Dominik Grafs famoser Krimiserie „Im Angesicht des Verbrechens", liefert sie in „Unkraut im Paradies" eine beachtliche Leistung ab. Ob Bartosz Werner nun ein überaus talentierter Schauspieler-Regisseur ist oder ob er einfach nur Casting-Glück hatte, lässt sich nachträglich nicht feststellen. Aber das ist auch vollkommen egal, das Ergebnis stimmt einfach.
Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Coming-of-Age-Film mit seinen Darstellern steht und fällt. Schließlich fokussiert die Erzählung auffallend stark auf die Figuren: Alle Wendungen und Handlungsschritte entwickeln sich (mehr noch als bei anderen Filmen) aus den Figuren heraus. Vor diesem Hintergrund tut Bartosz Werner gut daran, die Inszenierung weitgehend zurückzunehmen und seinen Darstellern genügend Raum zu lassen. Seit seinem nur im Ansatz überzeugenden Debüt „Preußisch Gangstar", dem die Reduktion noch schwer gefallen ist, hat der Absolvent der HFF Potsdam jedenfalls Grundlegendes dazugelernt. In seinem zweiten Kinofilm finden Regie- und Schaupielleistung zusammen und „Unkraut im Paradies" avanciert zu einem kleinen, stets unterhaltsamen Film über die mitunter erdrückende, in jedem Fall aber herausfordernde Last des Erwachsenwerdens.