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    Themba
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Themba
    Von Christian Horn

    Die mediale Reichweite einer Fußball-Weltmeisterschaft (der Männer) ist gewaltig. Für knapp vier Wochen beherrscht sie den öffentlichen Diskurs – von den Tagesthemen bis zur Web.de-Startseite. In diesem Jahr kam hinzu, dass die WM zum ersten Mal auf afrikanischem Boden stattfand, was eine merklich gesteigerte Berichterstattung über den Kontinent zur Folge hatte. Bedenkt man all das, ist es nur logisch und folgerichtig, dass auch das Kino in diesem Medien-Reigen mitmischen will. Bei der WM 2006 war das Sönke WortmannsDeutschland. Ein Sommermärchen", der auf die französische Dokumentation „Les Yeux Dans Les Bleus" von Stéphane Meunier aus dem Jahr 1998 Bezug nahm. 2010 ist das „Themba", ein Spielfilmdrama, das nicht nur in Afrika spielt, sondern mit Stefanie Sycholt („Malunde") auch eine afrikanisch-stämmige Regisseurin und ein ebensolches Darstellerteam hat. Noch dazu ist der junge Protagonist ein ambitionierter Nachwuchs-Fußballer.

    Der 11-jährige Themba (Emmanuel Soquinase; später: Junior Singo) lebt mit seiner Schwester Nomtha (Mihile Mtakati / Anisa Mhlungula) und seiner Mutter Mandisa (Simphiwe Dana) in ärmlichen Verhältnissen an der südafrikanischen Küste. Nach der Schule verbringt Themba seine Freizeit meist auf dem Bolzplatz: Er und sein bester Freund Sipho (Melabantu Maxhama / Kagiso Mtetwa) wollen nämlich im Kader der heimischen Nationalmannschaft spielen – Andile Khumalo, der Star der Bafana Bafana, ist ihr größtes Vorbild. Als plötzlich Thembas vermeintlicher Onkel Luthando (Patrick Mofokeng, „Invictus") auftaucht, bei der Familie einzieht und die Stellung des abwesenden Vaters übernehmen will, häufen sich die Probleme. Schließlich muss Thembas Mutter die Kinder verlassen, um in Kapstadt einen Job als Putzfrau anzunehmen. Doch das ist erst der Anfang einer Reihe persönlicher Katastrophen...

    Ihre sehr tragische Geschichte erzählt Stefanie Sycholt mit den Mitteln des populären Erzählkinos. Die glanzvollen Kinobilder und die hohe narrative Geschwindigkeit wirken wie der Versuch, das zeitgenössische Hollywood-Kino zu imitieren. Natürlich ist das aber leichter gesagt als getan - und so ist die Inszenierung von „Themba" zwar handwerklich versiert, letztlich aber völlig austauschbar. Das durch den westlichen Cineasten noch relativ wenig erschlossene afrikanische Kino bietet sicherlich spannendere Herangehensweisen an Fragen der Inszenierung – eben solche, die aus den dortigen (Produktions-)Verhältnissen entstehen und denen eine genuin afrikanische Sichtweise innewohnt.

    Der Fußballsport ist in „Themba" zunächst nicht viel mehr als ein prominenter Aufhänger. Sicher schwärmen die Jungs von berühmten Spielern und dank seines Talents erklimmt Themba im Verlauf der Handlung die Karriereleiter, aber die dramatischen Ereignisse werden von anderer Seite bestimmt: von der großen Armut und der anderen Geißel des schwarzen Kontinents: dem HIV-Virus. Durchaus kritisch verhandelt Sycholt, die auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, insbesondere die Aids-Thematik. So verweist sie auf den verbreiteten Volksglauben, dass Sex mit einer Jungfrau den Virus bekämpfen könne und schildert das Schicksal des kleinen Sipho, der seine an HIV erkrankte Mutter alleine pflegen und vor der Öffentlichkeit verstecken muss, da die Familie ansonsten stigmatisiert wäre. Luthando und ein Bekannter beobachten in einer Szene einige Frauen, die sich einem Aids-Test beim Roten Kreuz unterziehen: „Die Schlampen haben doch mit jedem rumgemacht", mutmaßen sie – und Luthando stellt selbstzufrieden fest: „Ich würde mich nie einem Aids-Test unterziehen."

    Trotz dieser unverblümten sozialkritischen Aspekte ist „Themba" kein niederschmetternder, sondern ein hoffnungsvoller Film. Hier wiederum spielt der Fußball als narratives Element eine größere Rolle: Ohne seine Begeisterung für den Sport und die zunehmende Anerkennung wäre Themba womöglich verloren. Die wenigen, nicht sonderlich aufwändig gefilmten Fußballpartien spielen dabei eine Nebenrolle – vielmehr interessiert der positive Effekt auf den Protagonisten. Die kleine Nebenrolle des südafrikanischen Nationalspielers Andile Khumalo gehört jedoch wieder in die Kategorie Aufhänger; ebenso wie das Cameo von Jens Lehmann, der als Trainer John Jacobs zwei oder drei Kurzauftritte mit wenig Dialog bestreitet. Dass der schauspielerisch arg limitierte Lehmann auf dem deutschen Plakat gleichrangig neben Themba-Darsteller Junior Singo thront, ist daher eine freche Mogelpackung. Abgesehen vom Sport spenden die (familiäre) Liebe und der Glaube an ein besseres Leben den meisten der Figuren Hoffnung.

    Dass Stefanie Sycholt ihren (Maintream-)Film nutzt, um auf gesellschaftliche Missstände ihres Heimatlandes aufmerksam zu machen, ist aller Ehren wert. Die zu sehr an amerikanischen Großproduktionen orientierte handwerkliche Umsetzung überzeugt jedoch kaum: Negativ fällt vor allem der rührselige Tonfall auf – die ausgiebige dramatische Orchestermusik und (erzähltechnisch unnötige) Kameraflüge über unberührte Landschaften hätte es ob der tragischen Hauptfigur gar nicht gebraucht. Vielleicht ist das aber auch ein Strukturmerkmal von Produktionen, die mit dem allgemeinen Freudentaumel des größten Fußball-Turniers der Welt in Wechselwirkung stehen: Auch Wortmanns „Sommermärchen" krankt ja am Pathos. Schlussendlich ist „Themba" ein inhaltlich interessanter und mutiger, inszenatorisch aber viel zu konformer Film. In gewisser Weise ist er daher so mittelmäßig wie das diesjährige WM-Finale – das erste auf afrikanischem Boden.

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