Rentner-Komödien wie „Best Exotic Marigold Hotel“ oder „Wie beim ersten Mal“ laufen weltweit erfolgreich und dass „Ziemlich beste Freunde“ hierzulande zum Mega-Publikumshit mit über neun Millionen Zuschauern avancierte, liegt vor allem daran, dass nicht nur Jung, sondern auch Alt den Weg ins Kino fand – kein Wunder, dass die sogenannten Best Ager jenseits der 50 auch von der Filmindustrie verstärkt ins Marketing-Visier genommen werden. Dabei trauen sich die Hollywood-Strategen allerdings noch kaum, Projekte vollständig auf die reifere Zielgruppe auszurichten. So wie sie den allermeisten Kinderfilmen ein paar ironische Spielereien und Popkultur-Gags für die Eltern beimischen, scheinen sie zu glauben, bei einer Senioren-Sause mit viel Herz wie Jon Turteltaubs „Last Vegas“ nicht ohne Zoten im „Hangover“-Stil auskommen zu können, um auch die jungen Zuschauer zu erreichen. Natürlich können auch Alte albern sein, aber hier passen die Gross-Out-Einsprengsel ebenso wenig zum eigentlichen Stil des sonst charmant-kitschigen Films wie die immer wieder eingestreuten voyeuristischen Aufnahmen leichtbekleideter junger Frauen. So wird aus der Komödie um vier ältere Herren, die es in Las Vegas noch einmal so richtig krachen lassen wollen, insgesamt ein ziemlich unausgegorener Mischmasch. Immerhin hat das Quartett von Hollywood-Veteranen in den Hauptrollen reichlich Spaß und dazu kommt die bezaubernde Mary Steenburgen, die ihren männlichen Kollegen sogar ein wenig die Show stiehlt.
Seit rund 60 Jahren sind Billy (Michael Douglas), Paddy (Robert De Niro), Sam (Kevin Kline) und Archie (Morgan Freeman) beste Freunde, auch wenn sie heute nicht mehr alle in ihrem alten Brooklyner Viertel leben. Da Billy die gerade mal halb so alte Lisa (Bre Blair) heiraten will, lädt er die anderen drei nach Las Vegas ein, wo bei seinem Junggesellenabschied noch mal so richtig auf den Putz gehauen werden soll. Doch Archie muss erst einmal seinem überfürsorglichen Sohn Ezra (Michael Ealy) entfliehen, der ihn seit einem Schlaganfall wie ein kleines Kind behandelt. Sam wiederum bekommt von seiner Frau Miriam (Joanna Gleason) eine Viagra-Pille und ein Kondom mit – in der Hoffnung, die seit Jahren eingeschlafene Ehe wieder in Schwung zu bringen, gibt sie ihm einen Freifahrtschein für Vegas. Und der nach dem Tod seiner Gattin zum mürrischen Misanthropen gewordene Paddy lässt sich gar nur mit einer List ins Spielerparadies nach Nevada locken, denn eigentlich redet er kein Wort mehr mit Billy. Kaum sind alle vier in Vegas angekommen gibt es gleich das nächste Problem: Als Billy und Paddy die Anwältin und Barsängerin Diana (Mary Steenburgen) entdecken, sind sowohl der angehende Ehemann als auch der Witwer von der ersten Sekunde an fasziniert…
Der Vergleich liegt nahe: Vier Freunde, die in Las Vegas vor einer Hochzeit so richtig die sprichwörtliche Sau rauslassen, gab es schließlich erst in „Hangover“, dem mittlerweile zur Trilogie ausgebauten größten Komödienerfolg der vergangenen Jahre. Wer aber nach den auch deutlich in diese Richtung deutenden Trailern von „Last Vegas“ ein Rentner-„Hangover“ erwartet, dürfte schwer enttäuscht werden. Auch wenn Sam und Archie nach der ersten Nacht mit schweren Kopf aufwachen (während es sich die Frühaufsteher Billy und Paddy bereits am Pool gutgehen lassen) und Rapper 50 Cent als Ersatz-Mike-Tyson für einen Kurzauftritt vorbeischaut, hat „Last Vegas“ wenig mit dem Hit von Todd Phillips zu tun. Jon Turteltaubs Ausflug nach Vegas ist eben keine Gag-Parade (die wenigen zündenden Pointen sind fast alle bereits in den Vorschau-Videos zu sehen gewesen), sondern ein meist eher ruhig dahinplätschernder, immer wieder durchaus charmanter Film, bei dem die eine oder andere Zote eingestreut wird. Diese Mischung geht allerdings nicht auf, denn gerade die derberen Witze funktionieren längst nicht immer. Wenn etwa DJ Redfoo in einem Cameo-Auftritt mit seinem nur durch einen Fetzen Stoff bedeckten Gemächt wenige Millimeter vor Robert De Niros Gesicht herumwedelt, scheint sich der Schauspieler selbst zu fragen, ob diese Szene tatsächlich im selben Drehbuch stand wie seine spätere (und wirklich amüsante) Beteuerung, früher mal witzig gewesen zu sein.
Am stärksten ist „Last Vegas“ in meilenweit vom „Hangover“-Terrain entfernten gefühlvollen Gefilden: So wird in den wirklich zauberhaften kurzen Gesangsszenen mit Oscarpreisträgerin Mary Steenburgen („Melvin und Howard“, „Zurück in die Zukunft III“) auf schönste Weise offensichtlich, warum Billy und Paddy so dahinschmelzen. Auch die separaten Spaziergänge der Sängerin mit ihren beiden neuen Fans sind wundervolle ebenso romantische wie komische Momente und trotz eines Abenteuers in luftiger Höhe gänzlich unaufgeregt inszeniert. Hier ist zu erkennen, welcher Zauber trotz des etwas gemächlichen Erzähltempos in „Last Vegas“ steckt. Dieser blitzt immer wieder in Einzelszenen auf - ob Morgan Freeman gerade das Tanzbein schwingt oder Kevin Kline sich fasziniert mit einer Madonna-Draq-Queen (Roger Bart) unterhält: der Spaß, den Steenburgen und die vier Hauptdarsteller an ihren Rollen haben, ist oft durchaus ansteckend. Dabei gibt es auch einige (selbst-)ironische Anspielungen auf das Image der Stars, die schönste ist gleich in der 58 Jahre in der Vergangenheit spielenden Auftaktszene zu sehen, in der die Jungs und ihre Freundin Sophie (Olivia Stuck) sich eine Whiskeyflasche unter den Nagel reißen. Der 14-jährige RJ Fattori, der hier den jungen De Niro spielt, schaut exakt so mürrisch drein wie es der „Der Pate“-Veteran zu seinem Markenzeichen gemacht hat: ein köstlicher Anblick.
Regisseur Jon Turteltaub („Das Vermächtnis der Tempelritter“, „Duell der Magier“) und Drehbuchautor Dan Fogelman („Crazy Stupid Love“, „Unterwegs mit Mum“) machen es sich am Schluss recht einfach und lösen sowohl den doppelten Konflikt zwischen Billy und Paddy als auch die Probleme der beiden anderen Senioren mit ein paar dramaturgischen Taschenspielertricks in nur wenigen Minuten und setzen als Kitt übermäßige Mengen kitschigen Zuckergusses ein. Trotz der wenig überzeugenden Ausführung passt dieses Ende aber durchaus zu dem vorherrschenden warmherzig-leichtfüßigen Erzählton des Films, weitaus störender ist es, wenn der an anderer Stelle immer wieder unterlaufen wird. Da führt das Quartett einen vorlauten Frauenheld („Entourage“-Star Jerry Ferrara) auf den rechten Weg, lehrt ihn Respekt für das weibliche Geschlecht und zeigt ihm, dass ehrlich gemeinte Komplimente besser sind als platte Anmachsprüche, während Kameramann David Hennings („Kill The Boss“, „Hannah Montana - Der Film“) bei jeder Pool- und Disco-Szene lüstern auf leicht bekleideten Frauenhintern und –brüsten verweilt. Mehr noch als durch manche Abschweifung in den Zotenhumor sabotieren sich die Filmemacher hier selbst – und so ist „Last Vegas“ nur für Momente die einfühlsame romantische Komödie, die der ganze Film hätte sein können.
Fazit: Die famosen fünf Oscar-Gewinner Michael Douglas, Robert De Niro, Morgan Freeman, Kevin Kline und Mary Steenburgen sind ein Genuss, aber Regisseur Jon Turteltaub und Drehbuchautor Dan Fogelmann lassen die Rentner-Komödie „Last Vegas“ irgendwo im Niemandsland zwischen charmant-romantischer Unterhaltung und billigem Klamauk versinken.