Auch wenn sie nur ein Buchstabe trennt, könnten ihre Karrieren nicht unterschiedlicher verlaufen. Während Marcus H. Rosenmüller nach seinem Erfolgsdebüt Wer früher stirbt, ist länger tot und Schwere Jungs momentan der Hot Shot der deutschen Kinoszene ist, hat es Fast-Namensvetter Marcus O. Rosenmüller nach seinem Kinodebüt „Der tote Taucher im Wald“ in den TV-Bereich verschlagen. Neben einigen „Sperling“- und „Wolffs Revier“-Episoden inszenierte er auch den viel beachteten Thriller „Dornröschens leiser Tod“ mit Topmodel Nadja Auermann in der Hauptrolle. Nun meldet er sich mit einem ZDF-Zweiteiler rund um einen Pharmaskandal im schönen Hamburg zurück. Trotz namhafter Besetzung kommt der Thriller „Schuld und Unschuld“ dabei aber nicht über durchschnittliche TV-Ware hinaus. Parallel zur TV-Erstausstrahlung am 30. April und 1. Mai 2007 im ZDF wird „Schuld und Unschuld“ auch als Doppel-DVD veröffentlicht.
Durch ihre Affäre mit dem gut aussehenden, aber leider verheirateten Manager Dirk Dewinter (Florian Fritz) ergattert die attraktive Johanna Fischer (Tanja Wedhorn) die lukrative Stellung als PR-Beraterin im Pharmaunternehmen von Dirks Frau Margot Dewinter (Nina Petri). Die Hamburger AG steht kurz vor der Zulassung des revolutionären Krebsmittels Connegil, die Vertriebs- und Produktionslizenzen sind bereits an einen Schweizer Pharmariesen veräußert. Dessen Vorstand will die prognostizierten Milliardengewinne noch dadurch steigern, dass die Produktion ins billige Ausland verlagert wird. Margot Dewinter will an den Firmentraditionen festhalten und den Standort Hamburg sichern. So scheint der Deal noch auf der Zielgeraden zu platzen, was vor allem Geschäftsführer Spranger (Hans Sigl) gar nicht schmecken würde. Auch aus anderer Richtung droht Ungemach. Bei der abschließenden klinischen Studie zerfetzt das Blutdruck steigernde Connegil einem alten Mann die Gefäße. Mit Hilfe von PR-Profi Fischer verschleiern Dirk und Spranger den Tod des Probanten. Nach einem Unfall, der für die Fahrerin des anderen Autos tödlich endet, soll allein Johanna die Schuld an diesem in die Schuhe geschoben werden. Vor allem Margot, die mittlerweile von der Affäre ihres Mannes Wind bekommen hat, macht ihr das Leben zur Hölle. Doch so leicht lässt sich Johanna nicht unterkriegen, von Schuldgefühlen getrieben schlägt sie zurück…
Ex-„Bianca – Wege zum Glück“-Star Tanja Wedhorn bezeichnete ihre Rolle in „Schuld und Unschuld“ als „ein Geschenk“. Und zumindest nach den ersten 90 Minuten kann man diese Aussage gut nachvollziehen. Als karrieregeile Erfolgsfrau, die auf ihrem Weg an die Spitze Köpfe rollen lässt, hebt sich Johanna Fischer wohltuend vom Gros der üblichen Verdächtigen unter den TV-Helden ab, präsentiert sich ungewohnt und erfreulich ambivalent. Abgesehen davon aber erweist sich Teil 1 als durchschnittliche Wirtschafts-Soap, die etwas zu melodramatisch und ohne wirkliche Höhepunkte vor sich hinplätschert. Schon in den ersten Szenen – Johanna liefert sich mit Dirk in ihrem Porsche ein Rennen, anschließend lieben sich die beiden inklusive Champagnerdusche im Wald; als Mitglied der neuen Managergeneration nutzt Pharma-Chef Raffael mit Telefon im Ohr die Züricher Innenstadt als Mountainbike-Parcours, während er dabei eine Pressemitteilung diktiert – macht Regisseur Rosenmüller klar, dass man seine Geschichte nicht unbedingt hundertprozentig ernst nehmen sollte. Dabei sorgen die Hardcore-Klischees sogar für einen eigenwillig-trashigen Charme, die kritischen Noten des Pharmaskandals fallen so freilich hinten über.
Mit dem Cliffhanger am Ende des ersten Abschnitts ändert sich dann die Tonart des Films. Aus der rücksichtlosen Karrierefrau Johanna Fischer wird hintergangenes Opfer und kämpfende Heldin, die Thrillergeschichte verläuft nun ausschließlich in bekannten TV-Bahnen, die moralischen Fragen, mit denen „Schuld und Unschuld“ zuvor noch mehr oder wenig mutig jongliert hat, werden wieder auf altbewährte Art beantwortet. Als Ausgleich für diese Rückkehr auf ausgetretene Pfade gewinnt der Film allerdings auch an Tempo, im Gegensatz zur plätschernden ersten Hälfte kommt nun ab und an tatsächlich Spannung auf. Der Cast tummelt sich auf ordentlichem TV-Niveau. Tanja Wedhorn überbietet hier sicherlich ihre Telenovela-Auftritte, kann ihrer Rolle aber nur in der ersten Hälfe wirklich interessante Aspekte abgewinnen. Die zahlreichen Manager-Darsteller heben sich schlussendlich einfach zuwenig voneinander ab. Nina Petri (Playa Del Futuro) macht als verletzte Ehefrau insgesamt eine gute Figur, hätte in manchen Momenten aber ruhig noch einen Tick diabolischer auftreten können. Highlight bleiben aber die charmanten Aufeinandertreffen von Heinz Hoenig (Das Boot) und Matthias Habich (Nirgendwo in Afrika).
Eine trashige Thrillerstory, epische Intrigen und Verstrickungen, die aus einer Telenovela stammen könnten, und die Melodramatik einer Rosamunde-Pilcher-Verfilmung – Marcus O. Rosenmüller präsentiert eine krude TV-Mischung, die aber mit fortlaufender Spieldauer immer mehr an einem ganz eigenen, speziellen Reiz gewinnt. So langweilt „Schuld und Unschuld“ über die kompletten 180 Minuten, denen die Zweiteilung allerdings wirklich Not tut, trotz einiger Längen zumindest nie.