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    Houwelandt - Ein Roman entsteht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Houwelandt - Ein Roman entsteht
    Von Christoph Petersen

    Wenn man möchte, kann man jede Woche zahlreiche Film-Making-Ofs im deutschen Fernsehen über sich ergehen lassen. Dabei gibt es zwischen den einzelnen Beiträgen, die sowieso nur der Bewerbung statt der Information dienen, aber kaum Unterschiede - hat man eines gesehen, hat man alle gesehen. Ganz anders verhält es sich mit dem Making-Of, das uns Regisseur Jörg Adolph mit seiner hochinteressanten, ausgesprochen amüsanten Dokumentation „Houwelandt – Ein Roman entsteht“ präsentiert: Zum einen geht es hier nicht um einen Kinofilm, sondern um die Entstehung eines Buches von Autor John von Düffel – das mag sich zunächst weit weniger spannend als die Drehberichte zu einem 100-Millionen-Dollar-Blockbuster anhören, aber im Verlauf des Films wird schnell klar, dass das genaue Gegenteil der Fall ist. Und zum anderen begnügt sich Adolph auch nie mit einem reinen Marketing-Beitrag, sondern liefert ebenso tiefe wie aufregende Einblicke in einen Literaturbetrieb, den man anschließend mit ganz anderen Augen sieht.

    Adolph hat die Arbeiten an dem Roman „Houwelandt" über einen Zeitraum von insgesamt siebzehn Monaten mit seiner Kamera begleitet. Dabei beschäftigt sich die erste Phase schwerpunktmäßig natürlich mit dem Schreiben selbst. Für einen Außenstehenden ist es wohl kaum nachvollziehbar, wie jemand jeden Morgen die Motivation aufbringt, wieder einen kleinen Teil zu seinem 500.000-Zeichen-Text hinzuzufügen – und das selbst dann noch, wenn es mal tagelang überhaupt nicht läuft. Aus Kinobiographien berühmter Schreiberlinge hat man ein verklärtes Bild im Kopf, in dem der Autor meist angespannt und fiebrig versucht, seinen zu platzen drohenden Schädel leerzuschreiben. John von Düffel hingegen hat zwar auch mit Aufs und Abs, ja manchmal sogar tiefer Verzweiflung zu kämpfen, geht dabei aber immer strukturiert an seine Arbeit heran. Und dieses geradegerückte Autorenbild ist für den Zuschauer sogar noch spannender, weil jeder, der in seinem Leben auch nur eine Kurzgeschichte zu schreiben versucht hat, es im Gegensatz zu dem des überirdischen Genies absolut nachvollziehen kann.

    In dem Moment, wo von Düffel das Wort E.N.D.E. unter die letzte Seite seines Romans setzt, geht der wahre Trouble aber erst richtig los. Nun beginnt das Überarbeiten des Buches, wobei sowohl die Meinungen des Lektors als auch des eigenen Vaters zu beachten sind. Vertriebsleiter, Marketing-Chef und Künstler streiten sich um das gleichzeitig verkaufsträchtigste, aber dabei trotzdem dem Roman gerecht werdende Umschlagdesign. Eine Buchtour mit zahlreichen Lesungen steht vor der Tür und irgendwo im Terminkalender müssen noch sowohl die vielen Fernsehinterviews als auch die Frankfurter Buchmesse (ein Amerikaner zu dem Spektakel: „Wir haben Disneyland und die Europäer haben die Frankfurter Buchmesse.“) untergebracht werden. Und als Elke Heidenreich „Houwelandt“ in ihrer Sendung „Lesen“ präsentiert, wodurch er mit einem Höllentempo in die Top-20 der Spiegel-Bestsellerliste schnellt, potenziert sich der ganze Rummel noch einmal zusätzlich…

    Mit einem menschenscheuen Medienfeind à la Patrick „Das Parfum“ Süskind hätte ein solches Projekt wohl kaum funktioniert. Adolph hatte also großes Glück, mit John von Düffel die perfekte Besetzung für seine Literaten-Doku zu finden. In den ruhigen Momenten des Schreibens, in denen von Düffel im Blair Witch Project-Stil seine Gedanken einer kleinen Tagebuch-Kamera mitteilt, versteht er abseits aller hohlen Phrasen immer nachvollziehbar und glaubhaft von seinen Gedanken und Eindrücken zu berichten. Bei Fernsehauftritten oder Konferenzen ist er unterhaltsam-schlagfertig, kann auch mal über sich selber Lachen (zum Beispiel, wenn er die Korrektur seines Romans zurückbekommt und sich wie ein Sechsklässler nach einem Diktat ausgiebig über seine Fehler echauffiert) und hat stets eine passende Anekdote auf Lager (am besten: weil er in einer atheistischen Familie aufgewachsen ist, hielt von Düffel bei seiner ersten Begegnung mit der Bibel Gott für den Autoren und schrieb dann als Kind selbst eine Art Fortsetzung unter dem Titel „Die Bibel von Gott von John von Düffel“).

    Das Literatur-Geschäft nimmt ab und zu schon arg absurde Züge an: So zum Beispiel, wenn von Düffel doch mit „Houwelandt“ eigentlich weg von seinem Debütroman „Vom Wasser“ will, sein Lektor nach den ersten fünfzig Seiten aber gerade die Bezüge zu seinem Erstling so gelungen findet. Oder wenn mit den abstrusesten Assoziationen um den Titel gefightet wird – der Leser könnte „Houwelandt“ ja auch für eine Insel statt einen Familiennamen halten, „Die Houwelandts“ hingegen würde zu sehr nach einer billigen Vorabend-Soap klingen und sowieso wäre das ja alles eh viel zu holländisch. Der Blick von Adolph in den Business-Teil des Literaturgeschäfts ist tief, aber nie einseitig negativ. Statt nur darüber zu meckern, dass es dem Vertriebsleiter nun einmal in erster Linie um die Verkaufszahlen geht, stellt er uns Menschen vor, die ebenso enthusiastisch wie kalkuliert mit Literatur umgehen, und die man auch, wenn sie dem Autor mal den einen oder anderen kleineren Stein in den Weg legen, trotzdem gern haben kann. Das ist nicht nur fair, sondern macht „Houwelandt“ neben allen spannenden und interessanten Elementen auch zu so etwas wie einer Feel-Good-Dokumentation, nach der man ebenso aufgeklärt wie gut gelaunt aus dem Kino schlendert.

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