„Scheiß Alzheimer!", kommentiert Michael Gwisdek in der Rolle des Vaters auf Versöhnungs-Kurs gleich zu Beginn des Films seine Krankheit und eröffnet so das schwierige Terrain, auf dem sich Till Endemanns „Vater Morgana" von da an bewegt. Eine Komödie über einen Vater mit Alzheimer? Kann das funktionieren, ohne die Geschichte ins Kitschige abdriften zu lassen oder die Krankheit ins Lächerliche zu ziehen? Ja, es kann, allerdings ohne dabei Leinwandformat zu erreichen. Dafür backt der Regisseur einfach zu kleine Brötchen. Statt sich eindeutig zwischen leinwandtauglicher Tragikomödie und vorabendlichem TV-Klamauk zu entscheiden, überbrückt er dieses Dilemma mit einer Mischung aus Vater-Sohn-Roadmovie und Liebesgeschichte in „Großstadtrevier"-Optik. Das ist mitunter durchaus unterhaltsam, nutzt aber kaum das Potenzial, das die Geschichte eigentlich zu bieten hat.
Lutz (Christian Ulmen) ist ein gewöhnlicher Angestellter einer Sicherheitsfirma, der vor einem wichtigen Schritt in seinem Leben steht: Auf der Firmenfeier will er seiner Verlobten Annette (Felicitas Woll, „Liebe Mauer") einen akribisch vorbereiteten Heiratsantrag vortragen. Doch da macht ihm ein Geist seiner Vergangenheit einen Strich durch die sorgfältig geplante Rechnung: Lutz‘ Vater Walther (Michael Gwisdek, „Boxhagener Platz") taucht überraschend auf und stellt Lutz‘ Routine auf den Kopf. Und schon steckt Lutz mitten drin im Chaos, hat eine Polizeifahndung am Hals und sieht sogar seine Verlobung in Gefahr. Doch irgendwas stimmt nicht mit dem Vater, der schon in Lutz‘ Kindheit durch häufige Abwesenheit und bizarre Geschäftsideen glänzte: Er scheint ungewöhnlich vergesslich...
Christian Ulmen scheint seit einiger Zeit auf die Rolle des Bräutigams abonniert zu sein. In Neele Vollmars Culture-Clash-Komödie „Maria, ihm schmeckt's nicht" war er gerade im Begriff, eine Italienerin zu ehelichen, und in Lars Jessens ähnlich gelagertem „Hochzeitspolka" stand für Ulmen die Hochzeit mit einer Polin ins Haus. In „Vater Morgana" plant Ulmens Charakter Lutz nun die Ehe mit Hauptkommissarin Annette. Und wieder gibt er den unbedarften Verlobten, der tollpatschig von einer skurrilen Situation in die nächste stolpert, ohne je wirklich Herr der Lage zu sein. Dabei ist Ulmen gewohnt schusselig-witzig, sein volles komödiantisches Potenzial kommt aber kaum zum Tragen, weil seine Figur nur selten die Möglichkeit bekommt, das dramaturgische Ruder an sich zu reißen. Lutz bleibt ein Spielball der Umstände und immer nur überfordert dreinzuschauen, ist allein eben nicht auf Dauer witzig. Trotzdem schürt seine Trotteligkeit Sympathien beim Publikum, denn Ulmen versteht es, die in den wohlgeplanten Alltag hereinbrechende Absurdität glaubwürdig darzustellen. Das Chaos, das um Lutz herum entbrennt, lässt den Zuschauer hoffen, nie in eine ähnliche Situation zu geraten.
Für das Chaos selbst ist hingegen Walther verantwortlich. Im Gewand des alternden Entertainers nutzt Lutz‘ Vater seine Alzheimererkrankung, um vor dem endgültigen Vergessen eine Beziehung zu seinem Sohn aufzubauen und sich aus manch unangenehmer Situation herauszuwinden: Einem alten Knacker mit Alzheimer darf man eben nichts übelnehmen – und das weiß auch Walther. Da wird auch schon mal vorgetäuscht, sich eingenässt zu haben, um einem anstehenden Tadel zuvorzukommen. Aber manchmal ist das Vergessen echt und so geht die Information über den Verbleib bei einem Überfall erbeuteter Diamanten unwiderruflich in seinen Gehirnwindungen verloren. Dumm nur, dass ausgerechnet Sohn Lutz in jenem Geldtransporter saß.
Weder die Komik noch die Action vermögen in Till Endemanns etwas konfus erzähltem Film wirklich zu überzeugen. Gerade die Action kommt selten über TV-Niveau hinaus. Seine stärkeren Momente zieht „Vater Morgana" aus den leisen Zwischentönen, die immer dann aufblitzen, wenn Walthers Alzheimer auftritt. Dann nähert sich der Film sensibel dem Bild eines Mannes, der sein ganzes Leben lang nur Unfug im Kopf hatte und am Ende feststellen muss, dass dieser Kopf immer leerer wird. Es ist alles andere als lächerlich, wenn Walther in einer Kirche den Evergreen „My Way" für die Urne seiner verstorbenen Frau anstimmt, während ihm Lutz den beinahe vergessenen Text zuflüstert. Allerdings driftet „Vater Morgana" dann doch wieder ins Alberne ab, schnell befinden sich der ewig überdrehte Vater und der neurotisch-trottelige Gutmensch von Sohn wieder auf der Flucht und hindern den Film daran, an Tiefe zu gewinnen.
Für gute Lacher am Rande sorgt Marc Hosemann („Keinohrhasen") in seiner trefflich karikierten Rolle des machohaften Polizeibeamten mit „Magnum"-Gedächtnis-Oberlippenbart, der die Verhaftung von Lutz ausnutzt, um sich in bester Alphamännchen-Manier an dessen Verlobte ranzumachen. Aber selbst diese Darstellung gleitet am Ende etwas zu überspitzt ins Manieristische ab, wenn Lothar seine fiese Seite raushängen lässt und entlastendes Material beseitigt, um Annette über Lutz‘ Unschuld im Unklaren zu lassen.
Hinter dem surreal anmutenden Ende ließe sich eine Hommage an die Schönheit der Phantasie und die Kraft des freien Geistes ausmachen. Aber man kann sich auch einfach wundern, warum Till Endemann ein schlecht computergeneriertes U-Boot braucht, um seine Geschichte ausklingen zu lassen. Leider gelingt es dem Regisseur kaum, die losen Fäden aus Komödie und Tragödie am Ende zusammenzuführen, ohne einen nautischen deus ex machina zu bemühen, auch wenn der Film durchaus seine unterhaltsamen Momente hat.