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    Der Commissioner
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Der Commissioner
    Von Christoph Petersen

    Eine internationale Biographie: 1932 in Frankreichs Hauptstadt geboren, studierte er an der Pariser Filmschule IDHEC. Seine ersten Arbeiten als Regieassistent führten ihn in die USA (Michael Andersons „In 80 Tagen um die Welt“) und die Niederlande. Später zeichnete er als Produzent unter anderem für Werner Herzogs Dschungel-Meisterwerk Fitzcarraldo verantwortlich. Seine Regie-Credits umfassen den Thriller „Spurlos verschwunden“ (holländischer Oscar-Beitrag 1989), das zugehörige US-Remake „Spurlos“ mit Jeff Bridges und Sandra Bullock, sowie River Phoenix unvollendeten letzten Film „Dark Blood“. Insgesamt hat er in seiner Karriere Filme in sechs verschiedenen Sprachen gedreht. Das Schaffen des Regisseurs/Drehbuchautors/Produzenten George Sluizer lässt sich schlicht keinem bestimmten Land zuordnen. Er selbst sieht sich als „europäischen Regisseur“. Und als solcher ist er der perfekte Mann für den politischen TV-Thriller „Der Commissioner“, der von einer verworrenen Wirtschaftsverschwörung auf dem glatten Brüsseler EU-Parkett handelt.

    Vom Premierminister (Julian Wadham) abgesägt, wird der geschasste Minister James Morton (John Hurt) als EU-Kommissar für Wirtschaft nach Brüssel abgeschoben. Hier steht gerade eine wichtige Entscheidung für die britische Industrie ins Haus. „British Chemicals“ und das deutsche Unternehmen „Metron Chemie“ wollen fusionieren. Die englische Regierung ist auf ein flottes Durchwinken des Antrags erpicht, und Morton hat an sich kein Problem damit, diesem Anliegen auch zu entsprechen. Doch dann gelangt er in den Besitz eines anonymen Pakets, dessen Inhalte den Verdacht erwecken, „Metron Chemie“ produziere verbotenerweise chemische und biologische Kampfstoffe. Außerdem soll es sich beim Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens angeblich um einen altgedienten Nazi handeln. Morton wird stutzig und stochert immer tiefer in dem explosiven Wespennest herum. Mit Hilfe der portugiesischen Umweltexpertin Helena Moguentes (Rosana Pastor) und des jüdischen Metron-Informanten Hans Koenig (Armin Mueller-Stahl) deckt er den Firmenskandal schließlich auf. Doch dann kommt alles ganz anders als gedacht...

    Zunächst riecht die Story von „Der Commissioner“ stark nach einem „Nun klopfen wir den großen, bösen Unternehmen aber mal ordentlich auf die Finger!“-Politmärchen. Doch mit einer so simplen Dramaturgie gibt sich der Film bei Weitem nicht zufrieden. Vielmehr wird der rechtschaffene EU-Politiker Morton nach und nach immer mehr zum Spielball der wirklich Mächtigen in dieser Welt. Gerade die letzten der insgesamt extrem zahlreichen Wendungen fallen so verdammt böse und bissig aus. Spionage, Einschüchterungen und ein Bombenanschlag, der ein Brüsseler Reihenhaus dem Erdboden gleichmacht, gehören da noch zu den harmloseren Verstrickungen. Der große, perfide Plan, der sich erst in den letzten Szenen offenbart, ist es, der beim Zuschauer ein auf angenehm-fordernde Art ungutes Gefühl hinterlässt. Als Gegenpol zum EU-Politzirkus, der hier sehr glaubhaft und mit interessanten Details nachgezeichnet wird, dienen Mortons Frauengeschichten. Morton ist nämlich weder der typische coole Macho, noch ist er der typische liebende Ehemann. Er ist ein – gerade für einen TV-Film – ungewohnt ambivalenter Held. Obwohl er seine Frau liebt, einmal sogar extra nach London fliegt, um nur kurz ihren Rat einzuholen, flüchtet er sich aus seiner Einsamkeit doch immer wieder in die Arme von Nutten und Kolleginnen.

    John Hurt (Alien, Der Elefantenmensch, V wie Vendetta, Shooting Dogs) ist etwas gelungen, was in Filmen nur selten gelingt – die differenzierte Darstellung eines Politikers. Er ist weder Held noch Arschloch. Auf der einen Seite will er seine politische Karriere in trockenen Tüchern wahren, auf der anderen durch sein plötzliches Engagement aber auch so etwas wie Absolution erlangen. Armin Mueller-Stahl (Lola, The Game, Ich bin die Andere, Tödliche Versprechen), der gerade verdientermaßen den Bambi für sein Lebenswerk erhalten hat, darf im Vergleich deutlich weniger seines Könnens zeigen. Nur in der ersten Szene des Films, in der er sich auf ungewöhnliche Weise erhängt, erlangt seine Darstellung die von ihm gewohnte Intensität. Später, wenn er als ehrbarer Verräter die Skandal-Fakten runterrattert, geht es dann mehr um das „Was“ als um das „Wie“. Die einzige Schwäche, die so noch zu erwähnen bleibt, ist eigentlich gar keine richtige Schwäche – nämlich die TV-Herkunft. Regisseur Sluizer hat seinen Thriller weit über dem durchschnittlichen Fernsehniveau inszeniert, so dass einem DVD-Genuss nichts im Wege steht. Warum der Film nun allerdings nach immerhin zehn Jahren in Deutschland noch eine Kinoauswertung erfährt, bleibt schleierhaft. Für die große Leinwand aufgeblasen, dürften die TV-Bilder schließlich eher an Kraft verlieren denn gewinnen.

    Fazit: „Der Commissioner“ ist ein spannender, intelligenter und twistreicher Wirtschafts-Thriller, dem man seine TV-Vergangenheit zumindest auf der inszenatorischen Ebene immer anmerkt. So ist der Film auf DVD auf jeden Fall einen Blick wert, während ein Kinobesuch hingegen nicht unbedingt Not tut.

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