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    Over Your Cities Grass Will Grow
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Over Your Cities Grass Will Grow
    Von Michael Smosarski

    Als einer der bedeutendsten „postmodernen" Künstler seiner Generation und mit dem Nimbus eines polarisierenden Altmeisters ist Anselm Kiefer allemal eine dokumentarische Betrachtung wert. Regisseurin Sophie Fiennes jedoch rückt mit „Over Your Cities Grass Will Grow" nicht den Künstler, sondern ausschließlich dessen Schaffen in den filmischen Fokus. Die Bilder dafür findet sie im südfranzösischen Barjac, wo Kiefer mit dem Areal „La Ribaute" eine monumentale, postapokalyptisch anmutende Landschaft geschaffen hat. Kiefers seltsamer Kunstort fasziniert; Fiennes' Beobachtungen sind intellektuell fordernd – nur unterhaltsam, das ist der ebenso gehaltvolle wie spröde Film nicht gerade.

    Abseits der Zivilisation und losgelöst von der Verwertungslogik des Kunstbetriebs hat Anselm Kiefer auf dem Gelände „La Ribaute" eine bizarre Welt aus Materialkunst erschaffen. Zwischen Malereien und gewaltigen skulpturalen Bauten schafft Kiefer mit seiner Kunst einen surrealen Raum. Sophie Fiennes führt ihr Publikum durch den inzwischen verwaisten Kunstpark und zeigt den Entstehungsprozess von Tunnellabyrinthen, Bleibildern und turmhohen Betonkonstruktionen. Bereits in den ersten Minuten von „Over Your Cities Grass Will Grow" legt sich Fiennes auf eine konzeptionelle Linie fest: Mittels extrem langsamer Kamerafahrten erschließt sich das enge Tunnelsystem von La Ribaute, in dem es eigentlich wenig bis nichts zu sehen gibt.

    Die Bilder werden lediglich begleitet von einem spartanischen, avangardistischen Score. Ohne leitende Off-Stimme oder andere Kontextbeschreibungen lässt Fiennes ihr Publikum allein im unterirdischen Nirgendwo. Es dauert, bis sie den Schauplatz wechselt und im ewig gleichen Rhythmus Bilder und Skulpturen Kiefers zeigt. Mit diesem Vorgehen, so hat es den Anschein, soll das Publikum in ähnlicher Weise auf sich selbst und seine isolierte Betrachterrolle zurückgeworfen werden, genauso wie Kiefer es mit seiner krytischen Kunst auch tut. Oder anders, böswilliger: Man sieht La Ribaute durch die Augen eines arthritischen Ausstellungsbesuchers – so wird der erste Teil des Films mit seinen überlangen Einstellungen und den aufreizend langsamen Kamerabewegungen zu einer echten Geduldsprobe.

    Auch als langsame Steigerung kann Fiennes dramaturgisches Konzept kaum verstanden werden, denn mit dem mutmaßlichen Höhepunkt, dem Auftritt Kiefers, ändert sich wenig – zu verschlossen, zu unzugänglich ist der Künstler, um auch als Moderator zu taugen. Bloß einmal bricht ein langes Interview, in dem Kiefer ausführlich über die biblischen Motive in seinem Werk referiert, den langsam vor sich herwarbernen Film auf. Das ist erhellend und staubtrocken, wie überhaupt der Intellektualismus ein Problem von „Over Your Cities Grass Will Grow" ist. Interessierten eröffnet Fiennes' akademischer Zugang ein schwieriges Oeuvre – die visuelle Inszenierung der Kunstwerke allerdings ist ermüdend analytisch; als sinnliches Event ist "Over Your Cities Grass Will Grow" jedenfalls nicht.

    Fiennes' Ehrfurcht vor Kiefers Werken ist dabei jederzeit offenbar: Übervorsichtig tastet die Kamera die Bilder und Skulpturen ab, als könnten sie dabei Schaden nehmen, kein Detail scheint unwichtig genug, um übergangen zu werden. Kaum einmal traut sich die Regisseurin, Kiefers Kunst in ihren Film – in ihr eigenes Kunstwerk – einzubetten. Sie bildet lediglich ab, hält inne, beobachtet. „Over Your Cities Grass Will Grow" ist eine intelligente, behutsame, nicht aber sinnliche Annäherung an Anselm Kiefers Kunstwelt; eine Studie, deren Autorin beizeiten zu vergessen scheint, dass sie ihre Ergebnisse für das Kino und nicht für den Hörsaal aufbereiten wollte.

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