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Anonymer User
5,0
Veröffentlicht am 9. März 2015
Bela Tarrs Das Turiner Pferd schildert in diesem in sechs Episoden, die jeweils einem Tag entsprechen, die monotone Trostlosigkeit eines Mannes und seiner Tochter, die in ihrer kleinen Hütte unter ärmlichen Verhältnissen ihren Alltag bewältigen und versuchen, einem Sturm standzuhalten. Dabei enthält sich Tarr (vom recht unnötigen Intro abgesehen) jeglicher Intellektualisierung. Tarr bringt den Zuschauer zu einem Punkt, die Handlung sinnlich anstatt intellektuell zu erleben, und so die Analyse eher aus einer emotionalen, denn aus einer sachlichen Perspektive zu beginnen. Das Turiner Pferd muss gar nicht als große Allegorie, eingebettet in nietzsche Thesen oder dergleichen gesehen werden. Die simple Geschichte der Monotonie zweier konkreter Menschen, die vollkommene Ausformung dieser Geschichte ist dabei schon genug. Dass der Film dabei um sich selbst kreist und irgendwie auch redundant ist, ist sicher nicht zu leugnen. Der Film hätte auch nur 90 Minuten dauern können und er wäre ebenso gut, beziehungsweise noch besser. Allerdings ist die Überlänge für mich nicht übermäßig schlimm, da der Film seine Story mit meisterhafter Zurückhaltung inszeniert. Fred Kelemens Kameraarbeit ist dabei offensichtlich so meisterhaft, dass man anerkennen muss, dass nur ganz wenige andere Kameramänner auf der Welt eine derartige athmosphärische Dichte mit ihren Bildern erzeugen können, zumal der Film mit seiner reduzierten Handlung derart auf seiner sinnlichen Komponente beruht, dass die Monotonie der Handlung erst durch die konkrete Ausformung in Kelemens Arbeit an Qualität gewinnt. Mit einer durchschnittlichen Kameraarbeit, einer allzu allegorischen Herangehensweise wäre die Distanz zu den Figuren so sehr angewachsen, dass man sie nur noch als kleine Symbole sehen würde. Die Handlung wäre nur noch philosophisch ausschlachtbar und ohne jeglichen erzählerischen Gehalt. Kelemens Arbeit ist jedoch in all ihrem offenen infernalischen Pessimusmus noch sehr schön und sinnlich. ... Ob sich diese sehr kunstvolle, schwer zugängliche Geschichte dann tatsächlich noch authentisch anfühlt, ist in diesem radikal inszenierten Film sicher sehr schwer zu sagne. Für mich jedenfalls ist Bela Tarrs Erzählweise sehr authentisch.
Gott ist tot und die Welt kein lebenswerter Ort mehr. Draußen bloß Sturm, drinnen im kargen Haus zwei Menschen – ein alter Kutscher und seine Tochter – die sich nichts zu sagen haben. Was ihnen bleibt, ist ein störrischer Überlebenswille, der sie Tag aus, Tag ein ihren Gewohnheiten folgen lässt. Ist die Welt drinnen nicht schon mehr untergegangen als draußen? Ja, „Das Turiner Pferd“ schafft es formal vorbildlich, einen Zustand emotionaler Abstinenz auf die Leinwand zu bannen. Er langweilt mit bis zum Exzess gedehnten Einstellungen und der ständigen Wiederholung banaler Tätigkeiten, aber auch das geht als Stilmittel durch. Nur für seine Figuren interessiert sich der Film einen Dreck. Sie bleiben Hüllen ohne Geschichte und Seele. Vermutlich ist das ebenfalls volle Absicht, doch mir hat die fehlende Identifikationsmöglichkeit jeden Zugang abseits dem geistigen unmöglich gemacht. Blöd, dass ich vorher einen Aufputsch-Drink getrunken hatte, sonst hätte ich nämlich prima schlafen können – zumindest bis zum Applaus am Ende der Vorstellung.