Die Zahl der reinen, unbearbeiteten Bilder, seien sie still oder bewegt, die uns heutzutage noch erreichen, geht gegen Null. Egal ob Musikuntermalung, Farbkorrektur, Soundeffekte, Schnittfolgen oder Computeranimationen: Die Möglichkeiten der Manipulation sind nahezu unerschöpflich. Doch das ist nichts Neues. Schließlich waren auch die ersten „Schnappschüsse“ aus der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht als Zufallsprodukt zu verstehen. Denn selbst wer Aufnahmen einer scheinbar beiläufigen beobachteten Szenerie wie einer sich amüsierenden Familie im Garten betrachtet, ist in Wahrheit Zeuge irgendeiner Form von Komposition. Regisseur Gert Steinheimer nimmt sich in seinem Horror-Thriller „Black Forest“ dem durchaus spannenden Thema der (Bild-)Manipulation an. Trotzdem scheitert der Film letztlich an seiner Vorhersehbarkeit und Charakteren, die sich absolut unlogisch verhalten, nur weil es dem Drehbuch gerade in den Kram passt.
Die Pärchen Mike (Adrian Topol) und Sabine (Nikola Kastner) und Jürgen (Bernhard Bulling) und Eva (Johanna Klante) machen gemeinsam Urlaub in einem abgelegenen Schwarzwaldhaus. Getreu dem Motto „Zurück zur Natur“ nisten sie sich in dem primitiven Wunderlehof ein und wollen hier ein paar Tage fernab von Zivilisationslärm und Reizüberflutung genießen. Hinter einer versperrten Abstellkammertür entdecken die Männer plötzlich einen Fernseher. Das Gerät scheint kaputt zu sein, zumindest gibt nur ein Flimmern von sich. Als Sabine für einen Augenblick allein ist, springt die Kiste aber plötzlich an und strahlt eine Kochsendung über Pilze aus, die Sabine dazu bringt, eben jene im Wald zu pflücken und aus ihnen eine Soße zu bereiten. Was sie jedoch nicht weiß: Die Pilze sind höchst giftig. Vor dem kollektiven Exitus wird die Gruppe im letzten Moment von einem netten Wandersmann (Andreas Hoppe) bewahrt. Doch dann springt der Fernseher wieder an und präsentiert den Lebensretter als gesuchten Serienmörder.
Wer sich bei der Wahl des Handlungsortes ein Schmunzeln nicht verkneifen kann, weil er denkt, dass das bei Touristen so beliebte süddeutsche Mittelgebirge als dunkle Kulisse für einen Horrorfilm nicht funktionieren kann, der täuscht: Gerade die düster eingefangenen Prolog-Bilder von Kameramann Pascal Rémond machen Lust auf mehr. Doch der Wald als Protagonist verliert zu schnell an Bedeutung. So wünscht man sich im Nachhinein, dass Gert Steinheimer die atmosphärische Kulisse häufiger zum Einsatz gebracht hätte. Doch das ist im Angesicht des übrigen Films das kleinste Problem. Viel schwerer wiegen da die immanenten Drehbuchaussetzer, für die Steinheimer ebenfalls verantwortlich zeichnet.
Das vierköpfige Ensemble der überwiegend aus TV-Produktionen bekannten Schauspieler tut sich schwer mit seinen platten und klischierten Rollen. Durchaus konsequent changieren die Darsteller in ihrem Spiel zwischen Teilnahmslosigkeit und „over the top“-Gefühlsausbrüchen. Auch wenn ihnen die glaubwürdige Darstellung ihrer Charaktere alles andere als leicht fällt, erscheint dies doch als letzter verzweifelter Versuch, den letztendlich gehaltlosen Drehbuchsätzen irgendwas an aufrichtigen Emotionen abzuverlangen. Hier ein Beispiel für das Hölzerne der Dialoge:
Nachdem der Polizeibericht ausgestrahlt wurde und niemand weiß, wieso der Fernseher plötzlich funktioniert hat, hegt Sabine einen Verdacht:
Sabine: „Hast du den Fernseher angeschaltet?“
Jürgen: „Nee!“
Mike kommt dazu.
Mike: „Hast du den Fernseher angeschaltet?“
Jürgen: „Nee!“
Sabine: „Aber wer hat dann den Fernseher angeschaltet?“
Angesichts solcher Zeilen traut man sich fast gar nicht, den Schauspielern Vorwürfe zu machen. In beinahe jeder Szene ist zu spüren, wie der Autor seine Protagonisten zu Handlungen zwingt, die in sich zwar völlig unschlüssig, aber vermeintlich der Spannungssteigerung geschuldet sind. Was dem Film letztendlich das Genick bricht, ist aber die extreme Vorhersehbarkeit der Erzählung. Schon nach den ersten 15 Minuten weiß der Zuschauer, worauf alles hinauslaufen wird. Der gesamte Mittelteil bricht deshalb unwillkürlich in sich zusammen. Zusätzlich zu den unlogischen Verhaltensweisen der Charaktere stellt sich so auch auf der Thrill-Ebene eine große Distanz zum Publikum ein, was schließlich dazu führt, dass man dem Treiben völlig emotionslos zuschaut. Außer dem Schema Fernsehvision-Verdacht/Fernsehvision-Verdacht passiert nichts Neues, weshalb sich das Muster im Eiltempo abnutzt und irgendwann nur noch redundant wirkt. So kommen einem die für einen Spielfilm verhältnismäßig überschaubaren 79 Minuten gefühlt wie zwei Stunden vor.
Digitalisierung und Technisierung waren seit jeher beliebte Themen für düstere Filmvisionen. Fast kein Medium wurde bisher als tödliche Gefahr für den Menschen ausgelassen. Wie schon Gore Verbinski (The Ring) oder das Regie-Duo David Bruckner und Dan Bush (The Signal) wählt auch Steinheimer den Fernseher als todbringendes Übel. Was es aber genau mit dem Gerät auf sich hat und in was für einem Zusammenhang es mit der angedeuteten Vergangenheit des Hauses steht, bleibt ungeklärt. Dass inhaltliche Auslassungen in vielen Fällen von Vorteil sind, trifft bei „Black Forest“ leider nicht zu. Man ärgert sich vielmehr über die fehlenden Hinweise und kommt durch die bewusste Vermeidung von Erklärungen schnell auf die allzu offensichtliche Botschaft des Films: Nämlich, dass man nicht alles glauben soll, was man sieht.
Fazit: Der Horror-Thriller „Black Forest“ beginnt mit einer netten Prämisse, die jedoch nach Schema F durch- und somit niedergenudelt wird. Die Vorhersehbarkeit und flache Charaktere erlauben kaum Raum für Spannung und lassen den Film im zweiten Akt auseinanderbrechen. Einzig der Schwarzwald als viel zu selten eingesetzte Kulisse hat neben der altbackenen und zu plumpen Medienkritik etwas Erfrischendes an sich. Auch hier gilt wieder die alte Binsenweisheit: Aus einem guten Skript kann ein schlechter Film werden. Aus einem schlechten Skript jedoch niemals ein guter Film.