Gerade einmal 20 Lenze zählte der Francokanadier Xavier Dolan, als er mit „I Killed My Mother" einen beeindruckenden Achtungserfolg hinlegte. Das kopflastige Drama wurde zum Kritikerliebling, auf den Filmfestspielen in Cannes 2009 erntete Hauptdarsteller, Autor und Regisseur Dolan acht Minuten lange Standing Ovations. Bei seinem mit Spannung erwarteten Nachfolgewerk „Herzensbrecher" ließ sich Dolan dann auch nicht lumpen und übernahm mit Hauptrolle, Regie, Drehbuch, Produktion und Kostümdesign einmal mehr alle Schlüsselpositionen. So fällt es auch leicht, einen Verantwortlichen für das Scheitern des Projektes zu finden.
Marie (Monia Chokri) und Francis (Xavier Dolan) sind beste Freunde, die ein scheinbar sorgenfreies Leben in den Szene-Vierteln Montreals verbringen. Als eines Tages der blonde Lockenkopf Nicolas (Niels Schneider) auf einer Dinner-Party auftaucht, sind beide sofort fasziniert. Trotz gegenseitiger Versicherungen, kein Interesse an dem neulich vom Lande Zugezogenen zu haben, kann keiner der beiden von Nicolas lassen. Die Obsession wächst bald zur Rivalität heran...
Erkundete Dolan mit „I Killed My Mother" noch auf semi-autobiographische Art ein angespanntes Mutter-Sohn-Verhältnis, gibt er sich diesmal dem bittersüßen Schmerz der Zurückweisung hin. Unkontrollierbare Eifersucht und der Versuch, wahre Liebe zu finden, das sind Dolan zufolge die großen Themen der Montrealer Twentysomethings, zumindest die seiner zweiten Regie-Arbeit „Herzensbrecher" – dessen französischer Originaltitel „Les amours imaginaires" sich diesbezüglich deutlich prägnanter liest. Mit eingeschobenen Interview-Szenen versucht Dolan dabei, das dünne Story-Gerüst aufzuplustern. Sicher, in Rob Reiners „Harry und Sally" mag das wunderbar mit dem Anliegen des Films harmonieren, auch Woody Allen jongliert famos mit derartigen Formen. Bei Dolan allerdings krankt das Konzept an einer entscheidenden Stelle: Diese nicht kontextualisierten Gespräche sind schlichtweg belanglos.
Ein echtes Interesse an der Befindlichkeit seiner Generation ist hier kaum auszumachen. Vielmehr strapaziert die vorgebliche Authentizität die simple Aussage – die Verlockungen schöner Oberflächen – über Gebühr. Dass sich Dolan unbedingt auf drei oberflächliche Hipster als Träger dieser Botschaft kaprizieren muss, ist nur schwer verständlich. Und so verkommt „Herzensbrecher" zur trivialen Phänomenologie; nicht weniger prätentiös als das Interesse Maries an Bauhaus oder ihre Verehrung für Audrey Hepburn. Dass sich Liebe selten rational erklären lässt, ist eine Binsenweisheit, die Dolan ebenfalls nicht auslässt. Dabei erscheint es nur folgerichtig, dass der Regisseur sich auf diese Position zurückzieht, denn was genau die beiden Freunde an Nicolas reizt, was nun die vermeintliche Vollkommenheit des flatterhaften und manipulativen Maulhelden ausmacht, ist zu keinem Moment nachvollziehbar.
Von einem Jungregisseur bei seiner zweiten Arbeit bereits einen eigenen, tragfähigen Stil zu erwarten, ist keineswegs zu viel verlangt, wie etwa zuletzt von Duncan Jones („Moon", „Source Code") zuletzt unter Beweis gestellt. Dolan dagegen ist noch auf der Suche nach seiner Stimme. Wie er mit ostentativem Musikeinsatz und Zeitlupe das rituelle Zurechtmachen vor einer Verabredung inszeniert, ist durchaus spaßig und treffend, allerdings ergeht sich Dolan bisweilen derart ungehemmt in dieser einen Idee, dass selbst nebensächliste Szenen unnötig aufgeblasen werden. Dabei wildert der Kanadier fröhlich durch die Gegend, sei es bei „In The Mood For Love" von Wong Kar-Wai oder François Truffauts „Jules und Jim". Dolan ist ein Cineast, keine Frage, seine Film-Affinität ist es auch, die zahlreiche Kritiker dem jungen Mann hoch anrechnen.
Doch leider kann er damit keine eigene Vision substituieren. Auch sonst zeigt sich Dolan eklektisch: Von der Hochkultur mit Michelangelos David geht es ohne Federlesen zu „Jump Around" von „House of Pain" – ein unkontrollierter Wildwuchs an Referenzen. Mit dem schwulen Francis selbst eine der Hauptrollen zu übernehmen, war für den bekennenden Homosexuellen wohl naheliegend. Und so liefert er auch die pointierteste Leistung des Protagonisten-Trios. Das Model Monia Chokri ringt als Hepburn-Epigone um ihre Würde, Niels Schneiders Spiel grenzt dagegen zeitweise schon an Arbeitsverweigerung. Ein solcher Vorwurf kann seinem Regisseur zwar nicht gemacht werden. Dennoch: Nach seinem starken Debüt „I Killed My Mother" ist Xavier Dolans ziellose Erzählung um langweilige Figuren, die über weite Passagen eifersüchtig aus dem Schmollwinkel agieren, eine herbe Enttäuschung.