Comic-Autor Mark Millar hat den zweiten Teil seiner geplanten „Kick-Ass“-Trilogie veröffentlicht, als nach dem erfolgreichen Start des ersten Films bereits feststand, dass es wohl auch im Kino eine Fortsetzung der Real-Life-Superhelden-Saga geben würde. Bei dieser Konstellation besteht immer die Gefahr, dass Autoren schon beim Schreiben zu sehr in Richtung Film schielen und deshalb vielleicht die eine oder andere allzu radikale Idee lieber weglassen - im sicheren Wissen, dass die es später sowieso nicht auf die Leinwand schafft. Aber nicht Mark Millar! Sein „Kick-Ass: Balls to the Wall“ ist einer der extremsten Comic-Bände überhaupt: Da werden nicht nur Möchtegern-Superhelden enthauptet, ihnen wird nur so zum Spaß anschließend auch noch der Kopf ihres Hundes angenäht. Ganz so weit geht Regisseur Jeff Wadlow in der Leinwand-Version von „Kick-Ass 2“ erwartungsgemäß nicht - als im Film der Blick des Bösewichts auf den Hund fällt, meint der Schurke nur: „Nein, so böse sind wir auch wieder nicht!“ Trotzdem ist die Fortsetzung um einiges heftiger ausgefallen als ihr Vorgänger – statt eines Coming-of-Age-Dramas gibt es diesmal noch schwärzeren Humor und noch absurdere Gewaltausbrüche. Hardcore-Fans werden diese neueingeschlagene Richtung schätzen, während das Mainstream-Publikum wohl endgültig außen vor bleibt.
Nachdem sein Vater (Mark Strong) im Finale des ersten Teils von Dave Lizewski alias Kick-Ass (Aaron Taylor-Johnson) per Panzerfaust eliminiert wurde und nun auch noch seine Mutter (Yancy Butler) durch einen „Unfall“ das Zeitliche segnet, muss Mafiasprössling Chris D’Amico (Christopher Mintz-Plasse) plötzlich als millionenschwere Vollwaise klarkommen. Also beschließt er, sein Superheldendasein als Red Mist aufzugeben und sich stattdessen als selbsternannter Superschurke Motherfucker an Kick-Ass & Co. zu rächen. Der wiederum trainiert mit Mindy Macready alias Hit-Girl (Chloë Grace Moretz) für ein Heldenduett. Als Mindy gezwungen wird, ihr Hit-Girl-Dasein aufzugeben, um zur Schule zu gehen, schließt sich Kick-Ass (Aaron Taylor-Johnson) dem Superheldenteam Justice Forever von Colonel Stars and Stripes (Jim Carrey) an. Mit dem Zusammenschluss wollen die Real-Life-Helden unter anderem verhindern, dass sie auf offener Straße von Fremden verprügelt werden, nur weil diese mit einem Videomitschnitt der Prügelei bei YouTube auf Klick-Rekorde hoffen. Aber als Motherfucker sein geerbtes Vermögen in eine internationale Schurken-Armee investiert, sieht es ganz so aus, als könnten Kick-Ass und seine Mitstreiter nicht einmal mehr gemeinsam etwas gegen ihren neuen Erzfeind und seine Schergen ausrichten…
Während sich „Kick-Ass“-Regisseur Matthew Vaughn vor allem mit mainstreamkompatibler Kost wie „Der Sternenwanderer“ oder „X-Men: Die erste Entscheidung“ einen Namen gemacht hat, ist sein Nachfolger Jeff Wadlow eher für dreckige Nischen-Genrekost wie „Cry Wolf“ oder „The Fighters“ bekannt – und dieser Linie bleibt er auch bei „Kick-Ass 2“ treu: Während „Kick-Ass“ mit einer Altersbeschränkung ab 16 Jahren in den deutschen Kinos lief, reicht es bei „Kick-Ass 2“ nur gerade so noch für eine Freigabe ab 18. Im Vergleich zur Comic-Vorlage mag Wadlow sich zurückhalten – er verzichtet nicht nur auf den angenähten Hundekopf, sondern zum Beispiel auch noch auf eine superheftige Massenvergewaltigung von Kick-Ass‘ Freundin Night Bitch (Lindy Booth) -, aber für eine Hollywoodproduktion geht er schon ziemlich radikal an die Grenzen des dort Machbaren und manchmal auch darüber hinaus (etwa wenn die immer noch minderjährige Chloë Grace Moretz als Hit-Girl einer Gruppe Straßenschläger superbrutal den Garaus macht, sich während des Massakers aber nur dafür interessiert, ob ihre kreativen Kill-Oneliner auch sitzen). Im Ergebnis ist der Film deshalb eher brutal-spaßig statt wie der zugrundeliegende Comic brutal-nihilistisch.
Von Motherfuckers Sado-Maso-Kostüm über den aufs Hodensackbeißen abgerichteten Schäferhund von Colonel Stars and Stripes (das Kommando lautet auch in der englischen Originalfassung: „Schwanz!“) bis hin zu einem Taser-Stab, der das Opfer bei Berührung unkontrolliert losscheißen lässt – die Macher von „Kick-Ass 2“ kosten ihre besonders unanständig-schockierenden Trash-Einfälle regelrecht aus. Zwischen diesen absurden Episoden bleibt in Anbetracht der vielen neuen Figuren und der vergleichsweise knapp bemessenen Spielzeit von 103 Minuten aber leider deutlich weniger Zeit als noch in „Kick-Ass“, um die moralischen und persönlichen Krisen der Real-Life-Superhelden auszuleuchten. Kick-Ass‘ wehleidiges Brüten hat sich im ersten Teil zwar mitunter in die Länge gezogen, aber die Figur wurde ja gerade dadurch so interessant, dass in dem Kostüm ein mehr oder weniger normaler Teenager steckt. Dieser Part kommt im Sequel nun eigentlich Hit-Girl zu, das nach dem Tod seines Vaters Big Daddy (Nicolas Cage) das Kostüm an den Nagel hängen und ganz normal zur Schule gehen soll. Aber statt ehrlicher Emotionen gibt es dank des Diarrhö-Tasers doch nur ein Wettscheißen in der Cafeteria. Dazu kommt noch, dass Hit-Girls Kill-Szenen in „Kick-Ass 2“ alleine schon deshalb weniger schockierend wirken, weil Moretz beim ersten Film erst elf Jahre alt war und nun schon 15 ist - aber Schauspieler werden eben auch älter.
Während Kick-Ass und Hit-Girl sich diesmal die eine oder andere Auszeit gönnen, springen einige der Nebenfiguren für sie in die Bresche (beziehungsweise ins Haifischbecken). Christopher Mintz-Plasse („Fright Night“) nutzt die Neuausrichtung seiner Rolle, um als wandelnder Ödipuskomplex im Latexkostüm eine Szene nach der anderen zu stehlen – wäre er nicht schon auf alle Zeit der einzigartige McLovin aus „Superbad“, hätte der Motherfucker die Rolle seiner Karriere werden können. Während Ex-Box-Office-Megastar Jim Carrey („Dumm und Dümmer“) im Vorfeld von den ersten Bildern bis hin zu seinem „Kick-Ass 2“-ist-viel-zu-brutal-Aufschrei immer mit im Zentrum der Berichterstattung stand, hat er im Film selbst nur eine Handvoll Szenen. Aber aus denen holt er als treffende Selbstjustiz-Karikatur Stars and Stripes raus, was nur geht – würde er eine solche Leistung mal wieder einen ganzen Film durch bringen, dürfte er doch noch auf ein Comeback hoffen. Von den übrigen neueingeführten Kostümträgern bleibt vor allem Olga Kurkulina als muskelbepackte Mother Russia im Gedächtnis. Die wird vom Motherfucker nämlich nicht nur viel besser bezahlt als ihre männlichen (aber im Vergleich verweichlichten) Kollegen, sondern trifft auch so genial den Ton von Kalter-Krieg-B-Movie-Kost, dass man eigentlich nur darauf wartet, dass sie mit Sylvester Stallone in der x-ten Fortsetzung der „Rocky“-Saga in den Ring steigt.
Fazit: Während der erste Teil noch unabhängig produziert wurde, stammt das Geld für die Fortsetzung von einem Hollywoodstudio. Normalerweise spricht das dafür, dass der Film weichgewaschen wird, um ein größeres Publikum zu erreichen. Aber diesmal ist das genaue Gegenteil der Fall: „Kick-Ass 2“ ist noch radikaler als sein Vorgänger, auch wenn die mit zu vielen neuen Figuren vollgestopfte Story etwas überladen wirkt.