Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er Jahre hinein bauten Zitrusbauern die Jaffa-Orange in Palästina an. Schnell avancierte die Frucht zum wichtigsten Exportgut der Region: Rund fünf Millionen Kisten mit Orangen verließen jedes Jahr den Hafen der ehemaligen Stadt Jaffa, die heute ein Stadtteil von Tel Aviv ist und das Zentrum der Produktion darstellte. Von Anfang an war die süße, beinahe kernlose Orangen-Sorte aber nicht nur ein reines Handelsprodukt, sondern eine kulturelle Errungenschaft, über die sich das Selbstverständnis Palästinas konstituierte. In seinem Dokumentarfilm „Jaffa – The Orange's Clockwork" analysiert der israelische Filmemacher und Essayist Eyal Sivan die große symbolische Bedeutung der Frucht anhand ihrer medialen und künstlerischen Vermittlung: Fotografien und Gemälde der Orangenhaine rund um Jaffa, volkstümliche Lieder, Gedichte, Filmaufnahmen und Werbeplakate dienen ihm dabei als Anlaufpunkte, um die Geschichte(n) der Jaffa-Orange zu erzählen.
Um dem Mythos Jaffa-Orange näher zu kommen, führte Eyal Sivan Interviews mit Zitrusbauern und Intellektuellen israelischer wie palästinensischer Herkunft, in denen er die verschiedenen Bilder analysieren lässt. Das eigentlich Interessante dabei ist, dass der Jaffa-Orange im Konflikt zwischen Juden und Palästinensern auf beiden Seiten eine zeichenhafte Rolle zufällt: Für die im Zuge der zionistischen Besiedlung immer mehr enteigneten und mit der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 vertriebenen Palästinenser ist sie ein Symbol der Unterwerfung, während sie für die Israelis eine wichtige Funktion bei der Schaffung eines nationalen Selbstverständnisses erfüllte und zum Symbol für die Fortschrittlichkeit des neuen Staates reifte. „Jaffa – The Orange's Clockwork" ist deshalb weit mehr als eine bloße Hommage an die Zeit der Orangenhaine von Jaffa, sondern ein hochgradig politischer und zeitgeschichtlich relevanter Dokumentarfilm, der den Palästinakonflikt von einer neuen Warte aus thematisiert.
Eyal Sivan lässt dabei beide Seiten zu Wort kommen, verliert aber mit zunehmender Spieldauer – vor allem, als das Aufkommen des Zionismus um 1890 und die Gründung des Staates Israel in den Fokus rücken – ein wenig das rechte Maß. Schon aufgrund früherer dokumentarischer Arbeiten wurde Sivan unter anderem von Claude Lanzmann, dem Regisseur der Holocaust-Dokumentation „Shoah" (1985), für seine harsche Kritik am Staat Israel kritisiert; eine Kritik, die auf „Jaffa – The Orange's Clockwork" ausgeweitet werden kann. So zeigt der Film etwa Aufnahmen, in denen die israelische Regierung die Orangenhaie in den 1970er Jahren zerstören lässt, um der damals akuten Wasserknappheit entgegenzuwirken – und lässt einen palästinensischen Zitrusbauern kommentieren, dass die Israelis das Land scheinbar nicht lieben, sondern lediglich besitzen wollen, wenn sie ihm dergleichen antun können. Doch obwohl die mitunter einseitig Israel-kritische Position des Regisseurs immer wieder durchscheint, ist „Jaffa – The Orange's Clockwork" keineswegs ein ideologisch verblendeter Film – sondern einer, der sich nach der Zeit zurücksehnt, in der Juden, Araber und Christen die Plantagen rund um Jaffa noch gemeinsam bewirtschafteten. Dieser Blick in die Vergangenheit sei keineswegs nostalgisch, heißt es am Schluss des Films, sondern ein „Erinnerungs-Ticket in eine Zukunft, die hoffentlich bald eintritt."