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    How I Ended This Summer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    How I Ended This Summer
    Von Christoph Petersen

    Eigentlich ist die Arktis eine tolle Gegend fürs Filmemachen: die Einsamkeit, die Kälte, die karge Landschaft – hier werden unweigerlich die wirklich existenziellen Fragen gestellt. Doch der vielversprechende Handlungsort macht alleine noch keinen guten Film, wie man kürzlich bei Dominic Senas Whiteout sehen konnte, in dem Kate Beckinsale durch klar als solche auszumachende Studio-Schneestürme stolperte. Wie es besser geht, zeigt nun der russische Regisseur Alexej Popogrebski in seinem Abenteuer-Psychogramm „How I Ended This Summer“, das bei der 60. Berlinale um einen Goldenen Bären wettstreitet. Ausschließlich an Originalschauplätzen gedreht, bietet er seinem Publikum unglaubliche Naturpanoramen voll karger Schönheit. Dabei verpasst er es aber leider, das Handeln seiner Protagonisten soweit nachvollziehbar zu machen, dass einen deren Schicksal die guten zwei Stunden Spielzeit hindurch fesselt.

    Auf einer wüsten Insel in der russischen Arktis betreiben zwei Männer eine kleine Wetterstation. Ihre Aufgabe ist es, Messungen abzulesen und diese per Funk an das Hauptquartier durchzugeben. Für Sergei Gulybin (Sergei Puskepalis) ist der Job längst Routine. Dem deutlich jüngeren Pavel Danilov (Grigori Dobrygin), der gerade das College abgeschlossen hat und nun den Sommer als Praktikant auf der Insel verbringt, fällt es hingegen deutlich schwerer, sich an die Einsamkeit zu gewöhnen. Als Pavel per Funk mitgeteilt wird, dass Sergeis Familie bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, kann er sich nicht überwinden, die Nachricht an seinen Kollegen weiterzureichen. Nach einigem Hickhack kommt die Sache trotzdem ans Licht. Für Pavel ist plötzlich klar, dass Sergei ihn nun umbringen wird…

    Die Insel muss einem Filmemacher wie das Paradies vorkommen. In der ebenso ungemütlichen wie abgeschiedenen Gegend kann man die Kamera einfach irgendwo aufstellen und drauflos filmen, das Ergebnis wird stets eine magische Schönheit ausstrahlen. Gefahren lauern überall: die Kälte, der Nebel, die Brandung, der Hunger, die Eisbären. Und damit nicht genug, Alexej Popogreabski verlässt sich nicht allein auf die faszinierende Atmosphäre seines Drehorts und reichert seine Erzählung mit etlichen Post-Tschernobyl-Bezügen an, etwa wenn eines der Messgeräte hohe Dosen Radioaktivität ausstrahlt oder Pavel auf dem Computer den 3-D-Shooter „S.T.A.L.K.E.R. – Shadow Of Chernobyl“ daddelt. Es ist durchaus plausibel, dass jemand in dieser Umgebung den Verstand verliert, trotzdem hätte dem Film hier ein wenig mehr psychologischer Feinschliff gutgetan. Pavels Handeln als schwer nachvollziehbar zu bezeichnen, käme einer Untertreibung gleich. Und so hält sich das Interesse an der Auflösung, bei der es darum geht, wer von den beiden denn nun dem Wahnsinn erlegen ist, arg in Grenzen.

    Doch auch wenn der große Spannungsbogen nicht durchgehalten wird, gibt es immer wieder Momente, die das Anschauen trotzdem zu einer lohnenden Erfahrung machen. Auch das doppelte Duell, also Mann-gegen-Mann und Mensch-gegen-Natur, profitiert dabei von der unwirtlichen Umgebung, was dem Film weitere Atmosphäre-Pluspunkte einbringt. Einem Hollywood-Produzenten könnte man das Konzept von „How I Ended This Summer“ schmackhaft machen, indem man den Film in branchenüblicher etwas weit hergeholter Zuspitzung als Kombination aus Into The Wild und Zwölf Uhr mittags anpreist. Doch um an diese Filme heranzukommen, mangelt es Alexej Popogrebskis Thriller sowohl an der psychologischen Wahrhaftigkeit von Sean Penns existenzialistischem Aussteiger-Drama als auch an dem zum Bersten gespannten dramaturgischen Bogen aus Fred Zinnemanns stilbildendem Western-Klassiker. Und so ist „How I Ended This Summer“ ein zwar meist interessantes, aber in letzter Konsequenz doch gescheitertes Kinoexperiment.

    Fazit: „How I Ended This Summer“ ist ein existenzieller Psycho-Thriller vor beeindruckender Naturkulisse und voller Post-Tschernobyl-Paranoia-Metaphern, in dem die Motivation seiner Charaktere aber zu unklar bleibt, um das Publikum 124 Minuten lang bei der Stange zu halten.

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