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    Machine Gun Preacher
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Machine Gun Preacher
    Von Robert Cherkowski

    Kaum eine größere Filmproduktion kommt ohne Kompromisse aus – das liegt angesichts des technischen, personellen, zeitlichen und finanziellen Aufwands gewissermaßen in der Natur der Sache. Werden in den Filmen allerdings politische und/oder religiöse Aspekte behandelt, dann klafft der Graben zwischen Ambition und Resultat oft gleich noch tiefer. Das lässt sich einmal mehr an Marc Forsters „Machine Gun Preacher" ablesen, dabei ist das biografische Drama über den Biker Sam Childers, der seiner Brutalo-Vergangenheit den Rücken kehrte und in Afrika ein christliches Hilfswerk gründete, keineswegs ein misslungener Film. Dennoch hat sich hier wohl jeder mehr erhofft, als er letztendlich bekam: Forster wollte sich nach seinem von der Kritik sehr gemischt aufgenommenen Bond-Gastspiel „Ein Quantum Trost" wieder auf seine Stärke besinnen und an frühere Arthouse-Erfolge wie „Monster‘s Ball" anknüpfen. Hauptdarsteller Gerard Butler derweil wollte nach dem überwiegend begeistert rezipierten, an der Kasse aber gefloppten Shakespeare-Film „Coriolanus" einen weiteren Versuch unternehmen, sein Profil als Charakterdarsteller zu schärfen. Zugleich sollte der Film unverkennbar ein ehrliches Porträt sowohl des ambivalenten Protagonisten als auch der Zustände im Sudan sein. Trotz all dieser spürbaren Ambitionen ist „Machine Gun Preacher" allerdings bloß ein solider, aber erzählerisch zerfahrener Film geworden.

    Der jähzornige, gewaltbereite und heroinabhängige Biker Sam Childers (Gerard Butler) ist einer von der ganz harten Sorte und tut sich kurz nachdem er mal wieder aus dem Knast entlassen wurde sofort wieder mit seinem kriminellen Kumpanen Donnie (Michael Shannon) zusammen. Seine Frau Lynn (Michelle Monaghan) hat in seiner Abwesenheit zu Gott gefunden und ermuntert auch den ewigen Sünder Sam, sich dem Herrn anzuvertrauen – was dieser nach einer Reihe traumatischer Ereignisse auch tut. Bald ist er päpstlicher als der Papst und will Gutes tun. Nachdem er Donnie weg vom Stoff und vom kriminellen Lebenswandel an die Tafel des Herrn geführt hat, übersiedelt Sam nach Afrika. Nach einem beruflichen Zwischenspiel beim Bau kann er die Augen nicht mehr verschließen vor all dem Elend, das der Warlord Joseph Kony über die Bevölkerung bringt. Bald ist Sam von der Idee besessen, im hart umkämpften Niemandsland eine Mission zu errichten. Um seine Schützlinge vor den Todesschwadronen zu verteidigen, greift der gute Christ wieder zur Waffe...

    Wenn Sam schließlich sogar einen Raketenwerfer auspackt wie einst John Rambo, dann mag das auf der einen Seite ein durchaus mutiges Statement dazu sein, dass das US-Politkino dem Terror bis auf westliches Schuldbewusstsein und fromme Wünsche wenig entgegenzusetzen hat. Letztendlich kann der beherzte Griff zur Wumme jedoch ebenfalls nicht der richtige Weg sein, um das Unrecht in seine Schranken zu weisen. So bleibt Childers eine herausfordernd ambivalente Figur, die dank Butlers Charisma zwar sympathisch rüberkommt – dennoch befremden ihre eitlen Posen aus der Mottenkiste alter „vom Saulus zum Paulus"-Klischees. Die Läuterung machen sie jedenfalls nicht greifbar: So braucht Sam gerade einmal zehn Filmminuten, um vom fiesen Trailer-Park-Knacki, der seine Frau mit Gewalt zur Arbeit im Stripclub bewegen will, zum frommen Christen zu mutieren. Er gerät schlicht in eine Messerstecherei, die zwar nicht tödlich endet, aber die Erfahrung lässt das Charakterschwein dennoch sehr schnell zu Mr. Nice persönlich werden – ohne dass man dies auch nur so richtig mitbekäme.

    Bei solchen überhasteten und unklaren Entwicklungen spielt das Drehbuch natürlich eine Rolle – das Hauptproblem jedoch ist Gerard Butler, der als uriger Sympathieträger in Spektakeln wie „300" oder „Gamer" starke Auftritte hatte, hier jedoch besonders zu Beginn etwas desorientiert wirkt. Später findet er besser in seine Rolle hinein, am Anfang jedoch, wenn er einen Mann im Kampf mit seinen inneren Dämonen gibt, werden die Grenzen von Butlers schauspielerischer Komfortzone ersichtlich. Neben Sam bleiben alle anderen Figuren Staffage. Michelle Monaghan („Kiss Kiss Bang Bang") als treudoofe Frau mit Jesus-Spleen wirkt sogar reichlich deplatziert. Einzig der großartige Michael Shannon („Boardwalk Empire", „Take Shelter"), stiehlt in einer unterentwickelten Nebenrolle allen die Show und lässt darüber spekulieren, wie intensiv der Film wohl ausgefallen wäre, hätte er hier die Hauptrolle gespielt.

    In der zweiten Filmhälfte, wenn Sam zur MP greift und unter afrikanischer Sonne in körperbetonte Macho-Posen schlüpft, ist Gerard Butler wieder ganz in seinem Element. Marc Forster („Stay", „Wenn Träume fliegen lernen") scheint hier jedoch ein wenig die Zügel zu verlieren, die er zuvor noch fest in den Händen hielt. So fällt ihm zum Sudan-Konflikt nicht viel mehr ein, als die neuentdeckte Menschenfreundlichkeit und Wohltätigkeit seines Helden in der afrikanischen Wüste statt in der US-Kleinstadt auszuspielen. So jagt eine Ungerechtigkeit die nächste, was meist damit endet, dass Childers sterbende Menschen in den Armen hält und traurig-gegerbt in die Sonne starrt. Seine Beziehung zu den Sudanesen wird höchst fadenscheinig aufgebaut und auch die Darstellung des Konflikts um den zu zweifelhafter Berühmtheit gelangten Rebellenführers Joseph Kony bleibt weitestgehend nebulös. Das Weltbild ist denkbar einfach: Böse nordsudanesische Aufständische überfallen arme südsudanesische Dörfer. Als Situationsbeschreibung stimmt das. Aber wie groß kann das humanistische Interesse westlicher Filmemacher schon sein, wenn sich niemand die Mühe macht, diesen so brutalen Bürgerkrieg wenigstens oberflächlich zu erklären?

    So bleibt der fürchterliche Genozid am Ende doch nur der Aufhänger für eine leicht prollige Passionsgeschichte, an der Butler schwer zu tragen hat. Wenn Sam vergeblich versucht, bei seinen Freunden in der Heimat Geld für humanitäre Maßnahmen locker zu machen und sich schließlich bei den armen, aber aufopferungsvollen Sudanesen wohler und geborgener fühlt, rückt „Machine Gun Preacher" bedenklich nah an die Grenze zum Gutmenschenkitsch heran. Am Ende hat der kampfbereite Prediger gelernt, dass er die Welt nicht allein retten kann – und das ist zunächst einmal nicht mehr als ein Allgemeinplatz. Dass dieser konfuse Film nicht in seine Einzelteile zerfällt, sondern stets kurzweilig, wenn schon nicht wirklich spannend bleibt, ist Butlers rauem Charme und Forsters handwerklichen Fähigkeiten zu verdanken. Die Diskrepanz zwischen der ehrenwerten Absicht und dem auf Bildschirmen und Leinwänden sichtbaren Ergebnis bleibt dabei jedoch immer spürbar.

    Fazit: Marc Forsters Prediger-Drama „Machine Gun Preacher" ist ein grandios an seinem schwierigen Thema gescheiterter Film, der so viel mehr hätte sein können als er ist, aber trotz allem wunderbar unterhält.

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