Der Drops ist offensichtlich auch nach zwanzig Jahren noch lange nicht gelutscht. Die Partei unter Chef Martin Sonneborn hatte den Wiederaufbau der Mauer – wenn auch nicht ganz ernst gemeint – noch in ihrem Programm zur letzten Bundestagswahl verankert. Und im Talkprogramm der Öffentlich-Rechtlichen vergeht kaum eine Woche, in der die DDR – ob nun Unrechtsstaat oder Trabanten-Paradies mit Vollbeschäftigung – nicht zwischen Verdammung und nostalgiebedingter Schönfärberei in ihre Bestandteile zerlegt wird. Deshalb ist es umso angenehmer, dass mit Markus Gollers DDR/USA-Road-Movie „Friendship!" nun ein Film in die Kinos kommt, in dem die beiden ostdeutschen Protagonisten weder als überhöhte Karikaturen noch als idealisierte Sozis daherkommen. Stattdessen sind Veit und Tom zwei ganz normale Typen, die neugierig auf die Welt sind und mit denen man gerne 108 kurzweilige Minuten verbringt.
1989 bringt David Hasselhoff die Berliner Mauer zu Fall. Beschwingt von der neugewonnen Freiheit machen sich die Freunde Veit (Friedrich Mücke) und Tom (Matthias Schweighöfer) auf in die große weite Welt. Sie wollen nach San Francisco, zur Golden Gate Bridge, dem westlichsten Punkt der Welt – dahinter kommt bekanntlich nur noch Asien. Doch das Begrüßungsgeld reicht nur für Flugtickets bis nach New York, der Rest wird getrampt. Nach ersten Begegnungen der dritten Art mit amerikanischen Staatsbürgern treffen die beiden in Kentucky auf Zoey (Alicja Bachleder), die eine deutsche Mutter hat und es den beiden gehörig antut. Doch die Anmachsprüche „Ich bin ein einsamer Kommunist auf der Suche nach Liebe" oder „Wir kommen aus der DDR, da gibt es kein Aids" fruchten nur bedingt. Zumindest können die Kumpels ihre Reisekasse ein wenig aufbessern, indem sie gefälschte Mauerstücke verscherbeln und in einem Schwulenclub als russisches Stripteaseduo auftreten...
„Friendship!" ist ein waschechtes Road-Movie - die Reise führt die ostdeutschen Helden quer durch die USA, wobei an skurrilen Charakteren und absurden Situationen wahrlich kein Mangel herrscht. Von dem vollgedröhnten Comic-Zeichner Darryl (Todd Stashwick, Ich, du und der Andere), der die Kumpels in seinem wenig vertrauenserweckenden Gefährt mitnimmt, über die leichtbekleideten Südstaaten-Schwestern Amber (Cameron Goodman, Shuttle) und Dorothy (Kimberly J. Brown, Haus über Kopf), mit denen das Bettgeflüster in einem wenig befriedigenden Coitus interruptus endet, bis hin zu einer Biker-Gang mit einer Vorliebe für Krieg der Sterne-Fan-Toys bietet „Friendship!" ein buntes Sammelsurium an abwechslungsreichen Gastfiguren.
Im Gegensatz zu Good Bye, Lenin!, bei dem die DDR nicht nur als Aufhänger diente, sondern auch im weiteren Verlauf der Story verhandelt wurde, fungiert der Mauerfall bei „Friendship!" lediglich als Anstoß für die weitere Handlung. Abgesehen von einigen amüsant-nostalgischen Ost-Kommentaren zu Beginn und der finalen Wendung steht nämlich weniger die DDR, als vielmehr die USA und die Freundschaft der beiden Ostküste-Westküste-Tramper im Mittelpunkt. Der Blick auf den American Way of Life streift dabei zwar immer wieder die Grenze zur Karikatur, verliert sich aber keinesfalls in plattem USA-Gebashe, sondern bleibt stets warmherzig und liebenswürdig. Bei der Ausleuchtung der Freundschaft, die durch Zoey auf eine harte Probe gestellt wird, gelingen immer wieder fliegende Wechsel zwischen melancholischen und humorvollen Szenen, nur bei einer Streiterei zu Beginn in New York fällt es schwer, den zugrundeliegende Konflikt gänzlich nachzuvollziehen.
Matthias Schweighöfer (Kammerflimmern, Keinohrhasen, Der Architekt) ist dafür da, das Publikum mit seiner sympathischen Art mitzureißen. Ob als Verkäufer von gefälschten Mauerstücken, als Stripper in russischer Militärkluft oder als Nackedei auf der Flucht vor der Polizei – Schweighöfer gibt in jeder Szene Vollgas. Co-Star Friedrich Mücke (Schreibe mir – Postkarten von der Copacabana) wirkt da mitunter fast wie ein Spielverderber, nimmt er sich doch deutlich mehr zurück und erdet seinen Charakter viel stärker. Doch am Ende werden die Gründe für diese Art zu spielen glasklar. Das überraschende, trotz unnötigem Zeitlupeneinsatz sehr emotionale Finale würde nämlich keinesfalls eine solch durchschlagende Wirkung erzielen, wenn Mücke zuvor genauso locker-flockig wie Schweighöfer aufgespielt hätte.
Fazit: Toll gespieltes, grundsympathisches Road-Movie, das der DDR und der USA mit demselben warmherzig-nostalgischen Blick begegnet.