Liebe – so etwas gibt es nicht. Alles nur ein böser chemiekalischer Scherz, den sich das Leben und die Evolution da mit uns Menschen erlauben. Behauptet zumindest Viktor, die Hauptfigur aus Patrick Banushs Very-Low-Budget-Komödie „Die Liebe und Viktor". Zwar mag der ein oder andere Berliner, wo die Geschichte spielt, den skurrilen Viktor und seine abstrusen Theorien dank reichlich Lokalkolorit in sein Herz schließen, doch wer in der Hoffnung auf eine sehenswerte Independentperle blind sein Kinoticket löst, wird den Saal möglicherweise schon vor dem Abspann enttäuscht verlassen. Allzu schnell geht der Komödie die Puste aus, so dass allenfalls Hobby-Philosophen und Zuschauer mit Affinität zu dialoglastigen Experimentalfilmen auf ihre Kosten kommen.
Der depressive Viktor (Hendrik Von Bültzingslöwen) gibt seine chaotische, kleine Einzimmerwohnung auf und zieht zurück zu seiner Mutter (Madeleine Lierck-Wien). Die hat bald genug von seinen wirren Liebes- und Partnerschaftstheorien und setzt ihn prompt wieder vor die Tür. Viktor bleibt nichts anderes übrig, als seinen alten Kumpel Otto (Isaak Dentler) anzurufen. Der ist gerade mit seiner humorlosen Freundin Therese (Julia Becker) in die erste gemeinsame Wohnung gezogen und hat weiß Gott andere Sorgen, aber er lässt sich schließlich doch überreden, Viktor bei sich einzuquartieren. Die erste Nacht auf der Gästecouch verbringt Viktor damit, „Don Quijote" von Miguel de Cervantes zu lesen – mit weitreichenden Folgen. Fortan hält er sich für einen neuen Don Quijote, erklärt der Liebe den Krieg, macht Otto kurzerhand zu seinem Sancho Panza und radelt mit ihm durch den Stadtpark. Nur einem passt das nicht: dem seltsamen Kerl im Bademantel (Rolf Zacher), der selbst vorgibt, Don Quijote zu sein...
Der Eindruck täuscht nicht: Regisseur und Drehbuchautor Patrick Banush erzählt eine alles andere als gewöhnliche Geschichte, die trotz oder gerade wegen des verschwindend geringen Budgets von rund 10.000 Euro zunächst einmal Hoffnung auf ein erfrischend anderes Kinoerlebnis weckt. Diese Erwartungen werden durchaus erfüllt, und erfreulicherweise verzichten die Filmemacher auch darauf, ihrem Werk durch anstrengende Schnitte oder innovative Blickwinkel pseudo-künstlerischen Mehrwert aufzudrücken. Dennoch erinnert vieles an die Abschlussarbeit eines Filmakademie-Studenten: Drehort ist die Nachbarschaft, die Gesichter sind mit Ausnahme von Rolf Zacher („Die Friseuse", „Jud Süß - Film ohne Gewissen"), der sich einmal mehr nur selbst spielen muss, weitgehend unbekannt, die technischen Mittel sind spürbar limitiert.
Trotz der originellen Ansätze geht dem Film erstaunlich schnell die Luft aus. In den ersten zwanzig Minuten ist „Die Liebe und Viktor" noch nett anzuschauen und es wird auch der ein oder andere Lacher generiert (köstlich: die Sequenz mit Videothe-Karin), aber dann macht sich immer stärker das Fehlen erzählerischer Struktur bemerkbar. Erklärungen für Viktors Depressionen bleiben aus und seine hartnäckig und unverändert vertretene Theorie, die Liebe existiere nicht, verliert ihren anfänglichen Reiz. Wenn Otto, der dank Viktors aufmüpfigem Verhalten eine Beziehungskrise mit Therese riskiert, von jetzt auf gleich einen seltsamen 180-Grad-Wandel durchmacht und sich seinem pessimistischen Freund anschließt, dann ist das nur die erste von vielen nicht nachvollziehbaren Wendungen. Mit zunehmender Spieldauer wird die Mission der Protagonisten immer wirrer und es bleibt kaum mehr etwas übrig, um das Interesse der Zuschauer an „Die Liebe und Viktor" wachzuhalten. Das quälend langweilige und selten amüsante Dahinvegetieren, die Küchentischphilosophie beim kühlen Bierchen, spontanes Kotzen auf Parkbänke – das reicht vielleicht für einen amüsanten Kurzfilm, aber nicht für 97 Minuten. Irgendwann nervt selbst der Soundtrack mit seinen bis zum Erbrechen wiederholten Zitaten der Habanera aus George Bizets weltberühmter Oper „Carmen".