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    Coriolanus
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Coriolanus
    Von Carsten Baumgardt

    Im Jahr 2000 spielte Ralph Fiennes auf der Londoner Theaterbühne in William Shakespeares Tragödie „Coriolanus" die Titelrolle des römischen Patriziers und Feldherren Caius Martius, der sich nachdem die Masse ihn ablehnt gegen sein Volk wendet. Der vielseitige Schauspieler war so fasziniert von dem Stoff, dass er mit der Leinwand-Adaption „Coriolanus" sein Regiedebüt feiert. Der vermeintliche Clou: Fiennes verlegt die Handlung, die im Original zu Beginn des 4. vorchristlichen Jahrhunderts in Rom und Antium spielt, in eine fiktive Gegenwart – bei Beibehaltung des shakespeareschen Original-Textes. Was sich nach einer hochinteressanten Idee anhört, artet in der Umsetzung jedoch zu einem völlig überspielten Langweiler aus, bei dem aus der Transformation von Raum und Zeit keine produktive Spannung entsteht.

    Aufruhr in Rom. Während die reiche Oberschicht das Getreide und den Reichtum hortet, darbt das niedere Volk in Armut und Hunger. Der Hass richtet sich vor allem gegen den hochrangigen General Caius Martius (Ralph Fiennes), der seine Ablehnung gegenüber den Plebejern nicht verbirgt, im Kampf aber mehr als loyal zu seinem Staat steht und sein Leben für sein Volk einsetzt. Als der Stamm der Volsker unter der Führung von Feldherr Tullus Aufidius (Gerard Butler) aufbegehrt, kommt es zur Schlacht, in deren Verlauf sich Caius Martius als Befreier der Stadt Corioles unsterblich macht und mit dem Namenszusatz „Coriolanus" geehrt wird. Diese neu gewonnene Popularität nutzt der Vollblutkämpfer, um in Rom als Konsul zu kandidieren. Allerdings hat der Soldat seine Manieren noch nicht im Griff und versagt dabei, sich mit seinem Volk zu arrangieren. Obwohl er das politische Gewicht seiner machtbewussten Mutter Volumnia (Vanessa Redgrave) und seines Mentors Menenius (Brian Cox) hinter sich weiß, gelingt es Caius Martius nicht, die Plebejer zu überzeugen. Sie ziehen ihre Zustimmung zu seiner Wahl zurück und schicken ihn stattdessen erbarmungslos in die Verbannung. Verbittert verlässt der Tyrann seine Frau Virgilia (Jessica Chastain) und sein Kind, um seine Dienste dem Erzfeind Tullus Aufidius anzubieten. Gemeinsam wollen sie Rom vernichten...

    William Shakespeare schrieb „Coriolanus" im Jahr 1607. Das Theaterstück ist ein politischer Thriller um Macht, Intrigen, Krieg, die Auflehnung des Volkes - alles Themen, die auch heute brandaktuell sind. Dies will Fiennes in seiner ersten Regiearbeit spürbar machen und zugleich der Vorlage treu bleiben. Also entschied er sich für den Ansatz, das Setting zu modernisieren, aber nicht die Sprache. Drehbuchautor John Logan („Sweeney Todd", „The Aviator") entschlackte die Vorlage lediglich und verbannte allzu sperrige Textpassagen. Trotz dieser vielversprechenden Konstellation überzeugt Fiennes‘ hochmoderne Shakespeare-Adaption kaum. Es wird schlicht nicht klar, was der Regisseur im Schilde führt. Der fiktive Staat Rom wirkt, auch durch die vielen osteuropäisch geprägten Dialekte im Volk, wie ein seelenloses Konstrukt, das keinerlei konkrete Verankerung in der außerfilmischen Wirklichkeit findet. Der soziopolitische Hintergrund wird nur sehr oberflächlich angedeutet und so fehlt dem Betrachter das tiefere Verständnis dafür, wie es überhaupt zum Massenaufstand gegen die Obrigkeit kommt. Gleich zu Beginn wollen die späteren Aufständischen ein Getreidesilo stürmen, werden aber mit Militärgewalt davon abgehalten. Die Leiden des Volkes werden insgesamt lediglich behauptet.

    An dem Hauptdarsteller-Quartett Ralph Fiennes („Der englische Patient"), Gerard Butler („300"), Vanessa Redgrave („Abbitte") und Brian Cox („R. E. D.") liegt es gewiss nicht, dass „Coriolanus" nicht überzeugt. Fiennes und Butler frönen dem gepflegten, theaterhaften Overacting so genussvoll, dass es zuweilen durchaus Spaß macht, zuzusehen – wobei Fiennes noch eine Stufe besser ist als Butler, der seinen Feldherrn sehr knurrig gibt. Auch Brian Cox überzeugt als Caius Martius‘ Mentor. Übertroffen wird das Trio aber noch von der Grande Dame des internationalen Kinos, Vanessa Redgrave, die ihre ganze Präsenz aufbietet und so den Film aufwerten, aber nicht retten kann. Für die Nebenfiguren haben Regisseur Fiennes und Autor Logan daneben kaum Interesse und die Rebellen bleiben eine graue Masse, aus der niemand herausragt.

    Auch die formale Umsetzung des Stoffes ist bieder und farblos. Hatte Baz Luhrmann bei seiner fantastischen Shakespeare-Auffrischung „Romeo + Julia" noch ein brillantes visuelles Konzept und verband den historischen Text kongenial mit modernen, knallbunten Bildern, versagt Ralph Fiennes auf dieser Ebene. Er setzt auf einen wackeligen Handkamera-Stil, der aber zu wenig Dynamik erzeugt und das ständige Grau in Grau hat hauptsächlich einen ermüdenden Effekt. Und auch vielversprechende Ideen setzt der Regiedebütant nicht konsequent genug um. Die ständige Berichterstattung des Staatsfernsehens, aus dessen Perspektive das Geschehen oft beleuchtet wird, ist so ein Einfall oder die Auseinandersetzungen in einer Talkshow, aber im Gegensatz zu Paul Verhoeven, der diese mediale Propaganda in seiner bitterbösen Kriegssatire „Starship Troopers" brillant nutzte, verpufft dieser Ansatz bei „Coriolanus". Letztlich stehen Bild und Text einfach antiseptisch nebeneinander, die Diskrepanz ist dermaßen überdeutlich, dass sich zuweilen sogar unfreiwillig komische Momente ergeben.

    Fazit: Viel Feind, viel Ehr‘. Ralph Fiennes scheitert mit seinem durchwachsenen Regiedebüt am eigenen Anspruch, zwei Welten filigran miteinander zu verweben. Seine Shakespeare-Adaption „Coriolanus" gefällt mit teils exponiertem Schauspiel, funktioniert aber konzeptionell nicht und hat mit einigen Längen zu kämpfen.

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