Mein Konto
    Lila, Lila
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Lila, Lila
    Von Björn Becher

    Mit Das wahre Leben legte der junge Schweizer Regisseur Alain Gsponer, der vorher bereits den Grimme-Preis nominierten TV-Film „Rose“ inszeniert hatte, 2007 ein eindrucksvolles Kinodebüt hin. In einer Nebenrolle der intensiven Tragikomödie brillierte eine entfesselt aufspielende Hannah Herzsprung, die dafür unter anderem den Deutschen Filmpreis in Gold bekam. Nach einem Ausflug zur TV-Reihe „Polizeiruf 110“ meldet sich Gsponer nun mit der Adaption des Bestsellers „Lila, Lila“ auf der Leinwand zurück. Ihm zur Seite steht wieder Hannah Herzsprung und das, obwohl der Regisseur einer erneuten Zusammenarbeit bei diesem Projekt mehr als skeptisch gegenüber stand. Die wilde Hannah aus „Das wahre Leben“ schien ihm nicht in eine locker-leichte Romantikkomödie zu passen. Doch Herzsprung überzeugte beim Vorsprechen und beweist im Film, dass Gsponers Umdenken keine Fehlentscheidung war. Schließlich hat der Charme, den eine der aktuell besten deutschen Jungschauspielerinnen versprüht, großen Anteil daran, dass man es Regisseur Gsponer und seinem Stammautor Alex Buresch schnell verzeiht, dass sie Martin Suters Mischung aus Liebesbriefreigen und Satire auf den Literaturbetrieb auf eine nette romantische Komödie reduziert haben.

    „Das ist die Geschichte von Peter und Lila. Lieber Gott, lass sie nicht traurig enden.“ Das sind die ersten Sätze des Romans „Lila, Lila“ von David Kern (Daniel Brühl), dem Literatur-Hot-Shot des Jahres. Kritiker und Publikum haben Tränen geheult bei dem Buch, in dem der unsterblich verliebte, aber verschmähte Peter am Ende Selbstmord begeht. Vor allem die schöne Marie (Hannah Herzsprung) hat sich nicht nur in die romantischen Zeilen, sondern auch in David verliebt. Doch die Sache hat einen Haken: Die Worte stammen nicht von David. Er hat das Manuskript in der Schublade eines auf dem Flohmarkt erworbenen Nachtschränkchens gefunden und Marie als angeblicher Autor zum Lesen gegeben. Damit wollte er die junge Literaturstudentin, die ihn, den unsichtbaren Kellner, bislang ignoriert hat, auf sich aufmerksam machen. Doch diese eine Lüge entwickelte eine solche Eigendynamik, dass der schüchterne David, der nicht einmal „Rendezvous“ aussprechen kann, nun Lesungen vor hunderten Zuschauern in der Volksbühne halten muss. Eines Tages steht plötzlich der abgehalfterte Alkoholiker Jacky (Henry Hübchen) vor David. Er gibt sich als wahrer Autor zu erkennen. Doch statt David aufliegen zu lassen, will er abkassieren. Dabei drängt er sich immer mehr in das Leben des „Pop-Literaten“ und droht, dessen Liebe zu Marie zu zerstören.

    Regisseur Alain Gsponer, Autor Alex Buresch und der von Anfang an in den kreativen Prozess eingebundene Hauptdarsteller Daniel Brühl adaptieren in ihrem Film Martin Suters Vorlage sehr frei. Sie verwenden zwar den Plot, die meisten Figuren und viele Situationen, arrangieren diese aber um, lassen vieles weg und erfinden hier und da auch Neues hinzu. Das ist meist der filmischen Dramaturgie geschuldet, kommt aber auch einer Unterwerfung der Regeln des Rom-Com-Genres gleich. Dass Suter mit seinem Insiderwissen auch den Litertaturbetrieb aufs Korn nimmt, ist der Verfilmung nur selten anzumerken. Stattdessen fokussiert sich die filmische Umsetzung verstärkt auf die Liebesgeschichte, die deutlich komödiantischer aufbereitet wird. Das ist bereits daran zu erkennen, dass beide Hauptfiguren sympathischer gezeichnet sind. David stolpert noch viel stärker in die Lüge rein und rennt, nachdem er das Manuskript Marie gegeben hat, Hals über Kopf aus dem Café, um im nächsten Buchladen erst einmal zu überprüfen, ob „sein“ Roman vielleicht schon veröffentlicht wurde. Trotzdem ist auch Gsponers „Lila, Lila“-Version nicht frei von Satire. Diese konzentriert sich allerdings stärker auf den Medienbetrieb im Allgemeinen und damit auf eine Zeit, in der Menschen über Nacht zu Superstars hochgejazzt werden, ohne zu wissen, wie ihnen eigentlich geschieht.

    Interview

    Filmstarts trifft...

    ... Regisseur Alain Gsponer.

    Gsponer und Buresch gehen bei ihrer Adaption sogar so weit, dass sie den Film deutlich über das Ende des Buches hinaus weitererzählen. Sie nehmen dem Zuschauer damit ein Stück weit die Möglichkeit, sich den Fortgang der Handlung in der Phantasie auszumalen und pressen die Story damit stärker in das altbekannte Genre-Korsett. Trotzdem verzeiht man ihnen diese Änderung: Der neue Schluss ist unheimlich charmant und zudem ein weiterer gelungener Seitenhieb auf die hypegesteuerte Medienlandschaft.

    Daniel Brühl (Good Bye, Lenin!, Ein Freund von mir, Krabat) war die logische Besetzung für David Kern. Dieser entspricht genau dem Rollentypus, der Brühl berühmt gemacht hat: schüchtern und unbeholfen zu Beginn, nach und nach an seiner Aufgabe wachsend. So verwundert es auch nicht, wenn Brühl, der bereits als Sprecher der Hörbuch-Version fungiert hat, sagt, dass er sich beim ersten Lesen des Buches sofort gewünscht hätte, diese Rolle spielen zu dürfen. Schließlich hat er Autor Martin Suter auch persönlich davon überzeugt, die Rechte für eine Verfilmung frei zu geben. Henry Hübchen (Basta. Rotwein oder Totsein, Alles auf Zucker, Alter und Schönheit) darf als Dauertrinker Jacky dem Affen so richtig Zucker geben. Wie jüngst in Whisky mit Wodka ist er voll in seinem Element, wenn er über die Leipziger Buchmesse krakeelt, Empfänge stört, via Serviettenaustausch Honorarverhandlungen führt oder sich als Penner in Luxussuiten mit Champagner verwöhnen lässt. Hübchen fungiert als Motor, der dem locker-leichten Film mehr Dramatik verleiht. Die schwierigste Aufgabe hat Hannah Herzsprung (Vier Minuten, 10 Sekunden, Pink) zu bewältigen, deren Figur im Vergleich zum Buch deutlich an Tiefe einbüßt. Sie ist die Angebetete von David Kern, nicht mehr. Es ist ihr deshalb besonders hoch anzurechnen, dass Marie neben den beiden Männern immer präsent ist und die absolute Liebe, die David für sie verspürt, nachvollziehbar bleibt.

    Fazit: „Das ist die Geschichte von David und Marie. Lieber Gott, lass sie nicht traurig enden.“ Ein ähnliches Stoßgebet wird auch mancher Zuschauer gen Himmel schicken, denn das Liebespaar wächst einem schnell ans Herz. Ob sich die Hoffnung erfüllt, wird hier natürlich nicht verraten. Ein Kinobesuch lohnt sich für Freunde romantischer Komödien allemal. Man sollte sich nur im Voraus darüber bewusst sein, dass „Lila, Lila“ – im Vergleich zum Buch - nicht mehr als eine harmlose romantische Komödie mit einer starken Besetzung ist.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top