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    Habemus Papam - Ein Papst büxt aus
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Habemus Papam - Ein Papst büxt aus
    Von Carsten Baumgardt

    „Wir sind Papst." Mit dieser legendären Schlagzeile kommentierte die BILD-Zeitung die Wahl von Joseph Aloisius Ratzinger zum Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Als Papst Benedikt XVI. schwingt der Bayer seitdem im Vatikan das Zepter. Gewählt wurde der Nachfolger des beliebten Papst Johannes Paul II. von 115 Kardinälen im Konklave am 19. April 2005. Der neue Pontifex setzte sich in der Versammlung der Geistlichen nach 26 Stunden bereits im vierten Wahlgang durch, wonach der weiße Rauch den Abschluss des Verfahrens für alle auf dem römischen Petersplatz wartenden Gläubigen darstellte. Der italienische Regisseur Nanni Moretti genoss zwar eine katholische Erziehung, betrachtet sich selbst aber nicht als Gläubigen. Keine schlechten Vorzeichen, um eine fiktive Konklave ins Zentrum eines Films zu stellen. Seine wohl ausbalancierte Tragikomödie „Habemus Papam" läuft im Wettbewerb der 64. Filmfestspiele von Cannes und überzeugt durch Morettis Geschick, verschiedene Genre-Elemente stimmig zusammenzubringen.

    Der Papst ist tot, lang lebe der Papst. Im Vatikan tun sich die Teilnehmer des Konklave, das den neuen Pontifex bestimmen soll, ausgesprochen schwer, einen geeigneten Kandidaten auszusuchen. Kardinal Gregori (Renato Scarpa) ist der große Favorit, der sich aber zunächst nicht durchsetzen kann. Als zur Überraschung aller Anwesenden Kardinal Melville (Michel Piccoli) zum neuen Papst ausgerufen wird, beginnt der Ärger für den Vatikan. Kurz bevor das designierte neue Oberhaupt auf dem Balkon über dem Petersplatz als neuer Papst ausgerufen werden soll, bekommt der Kardinal eine Panikattacke und flüchtet vor der Bürde seines Amtes. Die katholische Kirche hält die Wartenden mit vertröstenden Worten tagelang hin, ist aber erstmal blamiert. Ein Psychiater (Nanni Moretti) soll den depressiven Melville wieder so stabil machen, dass er seine Würde tragen kann. Doch die Prozedur zieht sich hin. Als Melville entgegen aller Regeln erlaubt wird, die Residenz zu verlassen, entwischt er seinen besorgten Aufpassern und versucht zu sich selbst zu finden, während im Vatikan die Panik vor dem Kollaps beängstigende Ausmaße annimmt. In der Bevölkerung wird derweil längst vermutet, der gewählte Papst sei tot...

    Der italienische Regisseur Nanni Moretti ist nicht gerade ein Vielfilmer. In den Nullerjahren hat er mit „Habemus Papam" erst seinen dritten Kinofilm gedreht. Das Drama „Das Zimmer meines Sohnes" (2001) brachte ihm die Goldene Palme ein und mit der Berlusconi-Satire „Der Italiener" (2006) war er einmal mehr für die höchste Auszeichnung in Cannes nominiert. Ob Moretti jetzt mit der Tragikomödie „Habemus Papam" wieder einen Preis gewinnt, ist noch nicht abzusehen, aber eine Chance darauf hat er. Doch was führt Meister Moretti da eigentlich im Schilde? Ein formal strenges Drama über das Konklave? Eine Komödie, die sich über die katholische Kirche lustig macht? Oder, bei Moretti naheliegend, eine beißend-gallige Satire über eine möglicherweise nicht mehr zeitgemäße Institution? Nein, all das Offensichtliche interessiert den Filmemacher nicht. „Ich habe nicht versucht, der Öffentlichkeit das zu erzählen, was alle hören wollten", bekannte Moretti in Cannes.

    Das stilsichere Werk ist mehr Komödie als Satire, selbst wenn einige bissige Spitzen zu finden sind. Die Kunst besteht hier darin, die dramatische Fallhöhe trotz des komischen Grundtons nicht zu vernachlässigen. Akribisch zeichnet Moretti das Zeremoniell des Konklave nach, ohne es satirisch anzugreifen oder zur Belustigung freizuzugeben. Er hat Respekt, selbst wenn er nicht daran glaubt. So wechseln sich Komödie und Drama ab, ohne sich gegenseitig im Weg zu stehen. Die stimmungsvolle Photographie von Allessandro Pesci („Stilles Chaos ") unterstreicht Morettis Vision, von einem Frontalangriff auf die Kirche abzusehen, sondern stattdessen zu unterhalten und gleichermaßen zu berühren. Der französische Altstar Michel Piccoli (Jahrgang 1925) ist ein würdiger Papst-Mime, strahlt die Legende doch die gewünschte Mischung aus Verzweiflung, Verwirrung und Stolz aus.

    Regisseur und Drehbuchautor Nanni Moretti übernimmt auch gleich noch eine der tragenden Rollen und lebt als Psychiater des Papstes seine Exzentrik in vollen Zügen aus. Renato Scarpa versucht währenddessen als Kardinal Gregori mit Bedacht und starken Nerven, den Zusammenbruch der katholischen Kirche zu verhindern. Dass „Habemus Papam" nicht noch höher hinauskommt, liegt an Unstimmigkeiten im Detail. In einer Sequenz, in der der Papst-Psychiater die Kardinäle zu einem internationalen Volleyball-Turnier drängt, ist für sich genommen witzig, driftet aber zu sehr ins Surreale ab, während Moretti schon genug damit zu tun hat, Komödie und Drama in der Balance zu halten. An dieser Stelle wirkt der Film unentschlossen.

    Wenn „Habemus Papam" eines nicht ist, dann ein inoffizieller Nachfolger des Mönchs-Dramas „Von Menschen und Göttern", das 2010 in Cannes den Großen Preis der Jury gewann. Moretti spezialisiert sich auf leichtere Kost mit moderat-dramatischem Unterbau und verzichtet dabei weitgehend auf satirische Schärfe. Nur gen Ende langt er noch einmal so richtig zu - wie, das sei hier selbstverständlich nicht vorweggenommen!

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