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    His & Hers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    His & Hers
    Von Petra Wille

    Regisseur Ken Wardrop ist ein Beobachter, der aus Fragmenten komplexe Geschichten zusammensetzt. Vor knapp zehn Jahren entlockte der irische Regisseur in dem Kurzfilm „Undressing my Mother“ seiner Mutter sehr intime Geständnisse über ihren Körper und ihren verstorbenen Mann. Mit der Kamera erkundete er dabei aus nächster Nähe und mit ungewöhnlichen Perspektiven die angesprochenen Körperteile. Ganz zu sehen war sie jedoch nie. Nach etlichen, vor allem visuell sehr konventionellen Werbefilmen kommt nun sein erster langer Dokumentarfilm in die Kinos. Mit „His & Hers“ erhebt Wardrop den nicht gerade geringen Anspruch, eine universelle Geschichte der Beziehung zwischen Männern und Frauen zu erzählen. Obwohl einige Sequenzen durchaus ihren Reiz haben, erliegt er letztlich der Beliebigkeit.

    Vom Kleinkind bis zur Greisin berichten Mädchen und Frauen von Männern: von ihren Vätern, Freunden, Ehemännern und Söhnen. Diese sind jedoch nie zu sehen, nicht einmal auf Bildern. Die Kleinsten beschreiben ihre Wut das Zimmer aufräumen zu müssen und bewundern ihren Papa, weil er Bälle hoch in den Himmel schießen kann. Ehefrauen mokieren sich über die seltsamen Hobbies des Partners oder die Arbeitsteilung im Haushalt. Im fortgeschrittenen Alter nehmen schließlich die Beschäftigung mit Krankheit und Tod mehr Raum ein.

    „His & Hers“ beginnt mit einem irischen Sprichwort: „Ein Mann liebt seine Freundin, erträgt seine Frau und verehrt seine Mutter.“ Diese Stammtischweisheit lässt die Hoffnung aufkommen, die folgenden 70 Frauen könnten dieser eher banalen Einsicht viele überraschende Facetten hinzufügen. Tatsächlich ist das Spektrum der weiblichen Äußerungen groß –obwohl alle Frauen aus den irischen Midlands stammen und höchstens 15 Meilen voneinander entfernt leben. Neben sehr konventionellen Einsichten wie „So ist eben das Farmleben, so ist das Eheleben“ berichtet eine vom getrennten Wäschewaschen – das habe viele Streitereien beendet.

    Die Filmidee lebt davon, dass die Frauen zu sehen sind und die Bilder zu den Männern in unseren Köpfen entstehen: Abwechselnd sprechen Mütter oder Partnerinnen in die Kamera und sind bei alltäglichen Verrichtungen zu sehen. Was die Frauen erzählen, kreist in der Regel um einen einzigen Aspekt. Wardops Konzept, mit einer großen Anzahl an Gesprächspartnerinnen zu arbeiten, führt zu sehr kurzen Auftritten der einzelnen Frauen. Dabei decken sich Text und Bild allzu oft, so dass zusätzliche Informationen über die Protagonisten in den streng komponierten Bildern der Kameraleute Kate McCullough und Michael Lavelle zu selten zu finden sind. Alle Aufnahmen sind in Innenräumen entstanden und haben eine ähnliche Ausstrahlung – die Wohnung und Häuser sind auffällig ordentlich und unpersönlich. Eine solche Ästhetik distanziert eher von den kurzen Einblicken in fremde Lebenswelten als dass Nähe entsteht. Eine ähnlich distanzierende Wirkung haben Äußerungen, die Offensichtliches darlegen, wie die Erkenntnis einer Mutter über das Leben ihres erwachsenen Sohnes: „Es liegt nicht mehr in meinen Händen“.

    Tatsächlich vorhandene emotionale Momente der Protagonistinnen können kaum Tragweite entfalten, da sie nach kürzester Zeit von der nächsten Person und einer ganz anderen Geschichte abgelöst werden. Sehr gerne hätte man einigen der kleinen Mädchen länger zugesehen, wie sie ihren „Daddy“ beschreiben. Auch einige der anderen Frauen hätten längere Auftritte verdient, wie etwa die Mutter, die überzeugt ist, sich auch in Zukunft mit ihrem Sohn stets eine Wohnung zu teilen.

    Womöglich ist bereits die Idee, Vater-Tochter- bzw. Mutter-Sohn-Verhältnis mit der Beziehung zwischen Eheleuten quasi gleich zu setzen, um im Film das „große Ganze“ zwischen Männern und Frauen zu fassen, zu ehrgeizig.

    Fazit: Im Großen und Ganzen bleibt nach „His & Hers“ leider wenig hängen. Wenig ist überraschend, einiges amüsant und einiges berührend, doch die Eindrücke verfliegen schnell wieder. Durch die stark komponierten Bilder in den sehr kurzen Sequenzen entsteht eher Distanz als Empathie beim Zuschauen. Die knapp sechs Minuten von Wardrops „Undressing my Mother“ sind um ein Vielfaches berührender als dieser Dokumentarfilm, mit dem er sich so viel vorgenommen hat.

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