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    Teufelskicker
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Teufelskicker
    Von Andreas Staben

    Die Wilden Kerle haben es vorgemacht: Die erfolgreiche Buchreihe um eine Bande fußballverrückter Jungs avancierte auch im Kino zu einem regelrechten Phänomen, die fünf Filme der Serie feierten allesamt Millionenerfolge. Da liegt es für geschäftstüchtige Produzenten natürlich nahe, nach ähnlichen Konzepten Ausschau zu halten. Und die Herren von der UFA wurden in Frauke Nahrgangs Buch- und Hörspielreihe „Teufelskicker“ schnell fündig. Doch mag der Titel auch noch so sehr nach Trittbrettfahrerei klingen, so entpuppt sich der unter der Regie von Granz Henman (Knallharte Jungs, Kein Bund für's Leben) entstandene Familienfilm doch als die spaßigere und zugleich auch reifere Alternative zu den zum Teil fragwürdigen Kinoabenteuern der „Wilden Kerle“. Bei Henmans weitgehend gelungener Mischung aus ebenso rasanter wie origineller Action, lustigen und ernsteren Szenen, fallen gelegentliche Misstöne letztlich nicht so stark ins Gewicht.

    Für den zwölfjährigen Moritz (Henry Horn) bricht eine Welt zusammen: Erst vergibt er beim Fußballspiel seines Vereins egoistisch die entscheidende Chance, wobei er dem gegnerischen Torwart Mark (Tim Troeger) auch noch versehentlich die Nase bricht. Dann muss er hilflos mit ansehen, wie die Mama (Diana Amft, Mädchen Mädchen 2) den Papa (Benno Fürmann, Jerichow, Nordwand) beim Seitensprung erwischt. Die Mutter flüchtet mit dem Sohn zum grantigen Opa Rudi (Reiner Schöne, TRaumschiff Surprise – Periode 1) in eine fremde Stadt. Moritz fällt es schwer, sich in der neuen Umgebung einzuleben und der einzige Fußballclub vor Ort ist ausgerechnet jener VfB, gegen den Moritz versagte. Dort zieht der skrupellose Herr Rothkirch (Armin Rohde) die Strippen, ein alter Rivale von Opa Rudi und Vater des lädierten Torhüters. Zum Glück findet Moritz auf dem Schulhof bessere Spielkameraden und gründet mit Niko (Sammy Scheuritzel), den Brüdern Mehmet (Yassine Gourar) und Enes (Kaan Aydoglu), dem Parkour-Künstler Alex (Dario Barbanti) und dessen Rooftop-Gang sowie Marks Stiefschwester Catrina (Cosima Henman) eine eigene Mannschaft – die Teufelskicker. Beim großen Turnier wollen sie gegen den VfB antreten, aber vorher brauchen sie erst mal einen Sportplatz und einen Trainer...

    Die Produzenten haben alle Zutaten für einen vorprogrammierten Zielgruppenerfolg versammelt. Die populäre Vorlage soll durch die Kinodebüts der Mitglieder der Kölner Teenie-Band Apollo 3 (Henry Horn als Moritz, Marvin Schlatter als Shadow und Dario Barbanti als Alex, der von Rudi wegen seiner Frisur ironischerweise „Tokio Hotel“ genannt wird) genauso wie durch die Integration der Modesportart Parkour noch an Attraktivität gewinnen. Auch die kleinen Gastauftritte der Fußballstars Philipp Lahm und Lukas Podolski lassen sich prima vermarkten. Während die Einlagen der Profis nicht über das Niveau einer netten Idee hinauskommen, geht das Kalkül mit den akrobatischen Parkour-Einlagen voll auf. Dieses todesmutige Klettern und Flitzen über scheinbar unüberwindliche Hindernisse ist im Kino bisher vor allem in der famosen Eingangssequenz zum James-Bond-Neustart Casino Royale zu bewundern gewesen. In „Teufelskicker“ zeigen die Experten, dass das akrobatische Treiben auch mit Ball kaum weniger beeindruckend ausfällt. Da wird durch ein Kaufhaus gedribbelt, über den Straßenverkehr hinwegjongliert und auch auf dem Fußballplatz kommen erstaunliche turnerische Fähigkeiten zum Einsatz.

    Die oft erstaunlichen Action- und Sportszenen sind alles andere als realistisch, aber Regisseur Henman und sein Cutter-Duo sorgen mit Sinn für Rhythmus und Überblick dafür, dass „Teufelskicker“ höchstens vorübergehend die Bodenhaftung verliert. Im Kern bleibt es eine durchaus glaubwürdig entwickelte Geschichte über Außenseitertum und Familienprobleme, über Freundschaft und Teamgeist. Für diese Erdung sorgen nicht zuletzt die jungen Darsteller, die auf gezwungene Coolness-Posen à la „Die Wilden Kerle“ weitgehend verzichten dürfen und sehr authentisch wirken. Das gilt auch für die Jungs von Apollo 3, deren einzige Kinoerfahrung bisher darin bestand, dass ihr Hit „Superhelden“ in Vorstadtkrokodile zu hören war. Besonders gelungen ist die Integration des einzigen Mädchens Catrina in die Gruppe mitsamt der kleinen Verlegenheiten, der Witzchen und der Neugier, die einfach dazugehören. Wenn ab und an über das Ziel hinausgeschossen wird, dann ist das in erster Linie dem Drehbuch, das Christoph Silber (Nordwand, Good Bye, Lenin!) gemeinsam mit dem Regisseur verfasste, anzukreiden.

    Bei der Enthüllung der Umstände eines tragischen Unglücks fehlt ein wenig das Feingefühl, ähnlich steht es um die Charakterzeichnung von Moritz' Nemesis Mark. Während es akzeptabel erscheint, dass Armin Rohde (Der bewegte Mann, Der Räuber Hotzenplotz) als Herr Rothkirch genüsslich den durch und durch fiesen Erzschurken gibt, hinterlässt die genauso undifferenzierte Darstellung des Sohnes als brutaler und gemeiner Rabauke einen schalen Beigeschmack. Hier wird mehr auf Schadenfreude als auf sportliche Fairness gesetzt, was das Eintreten für Teamgeist und Respekt in seiner Wirkung schmälert. Immerhin bekommen Moritz' Eltern die Gelegenheit, aus Fehlern zu lernen und in ihren Szenen gibt es dazu einige der komischen Höhepunkte des Films, etwa wenn die Mutter sich am Ende als Aushilfstrainerin mit Analogien zu ihren Kochrezepten behelfen muss. Diese hübsche alberne Idee kann stellvertretend für den ganzen Film herhalten: Zwar hat die in „Teufelskicker“ zelebrierte Akrobatik ähnlich wenig mit einem realistischen Fußballspiel zu tun wie das Bereiten eines Drei-Gänge-Menüs, aber es ist nun mal ein Privileg des Kinos, eigene Wirklichkeiten zu schaffen. Das Universum der „Teufelskicker“ ist in diesem Sinne jedenfalls einen Besuch wert und wer auf eine Fortsetzung wettet, darf dabei kaum auf eine gute Quote hoffen.

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