2009 war ein besonders produktives und erfolgreiches Jahr für den philippinischen Regisseur Brillante Mendoza („Serbis", „Der Masseur"). Für sein grausam- unerbittliches Werk „Kinatay" nahm er den Regiepreis in Cannes entgegen und nur ein paar Monate später lief auch noch sein Film „Lola" im offiziellen Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig. In diesem dokumentarisch anmutenden Drama verfolgt Mendoza das beschwerliche Leben zweier älterer Damen, deren Wege sich infolge eines Mordes kreuzen.
Ein junger Mann wurde in den geschäftigen Straßen Manilas Opfer eines Raubmordes. Seine trauernde Großmutter Sepa (Anita Linda) versucht alles in ihrer Macht stehende zu tun, um das nötige Geld für eine würdige Beerdigung zusammenzubekommen. Doch die am Rande der philippinischen Hauptstadt in einer Hausbootsiedlung lebende Familie ist arm und so muss sie um jeden Peso erbittert kämpfen. Neben den Geldsorgen treibt Sepa vor allem der Wunsch nach Gerechtigkeit an. Sie fordert für den vermeintlichen Mörder ihres Enkels die Höchststrafe ein. Währenddessen sorgt sich Großmutter Puring (Rustica Carpio) um ihren Enkel Mateo (Ketchup Eusebio), dem der Raubmord, bei dem es lediglich um ein Handy ging, angelastet wird. Sie möchte Mateo aus dem Gefängnis herausholen, doch dies ist nur möglich, wenn die Familie des Ermordeten die Anzeige zurückzieht...
Die furchtbar laute, von Motorengeräuschen, Geschrei und Huptönen erfüllte Millionenmetropole Manila ist einmal mehr der Handlungsort eines Films des philippinischen Regisseurs Brillante Mendoza, der mit einer beweglichen, sich stets nah am Geschehen bewegenden Handkamera auch für „Lola" wieder einen dokumentarischen Ansatz zum Erzählen seiner fiktiven Geschichte wählt.
Auf Tagalog, der in Manila vorherrschenden Sprache, ist „Lola" eine respektvolle Anrede und bedeutet in etwa Großmutter. Dementsprechend wird hier die Geschichte zweier rüstiger Damen erzählt, die auf den beiden Seiten eines Raubmordes stehen und mit dessen Folgen umzugehen versuchen. Der jüngste Film Mendozas beginnt damit, dass die rüstige Lola Sepa in Begleitung ihres jüngsten Enkelkindes eine Kerze vor einer Kirche ersteht und diese trotz eines rauen Windes am Ort des Mordes anzuzünden versucht. Dabei lässt sie sich nicht beirren und gibt trotz dutzendfacher Fehlversuche nicht auf, bis die Kerze als Andenken an ihren verstorbenen Enkel am Tatort brennt.
Von der gleichen behäbigen Ruhe, Entschlossenheit und Akribie werden fortan alle Handlungen der beiden Großmütter erfüllt sein, die als Familienoberhäupter die wichtigsten Entscheidungen innerhalb der Clans treffen. Den Alten wird auf den Philippinen immer noch eine besondere Achtung entgegengebracht und gerade die älteren Frauen gelten auf Grund der matriarchalischen Familienstrukturen als weise Entscheidungsträger, denen stets das letzte Wort zukommt. Die leichte Untersicht, welche die Kamera gegenüber den beiden geschäftstüchtigen Frauen einnimmt, unterstreicht dann auch technisch noch einmal die Ehrerbietung, die den beiden Lolas entgegengebracht wird, denen beim Feilschen, Verträge aushandeln und Spenden einzutreiben niemand so schnell etwas vormacht.
Nach dem brutalen „Kinatay", in dem ein Gewaltverbrechen und der Verlust der Unschuld eines hierbei Anwesenden Polizeianwärters im Fokus standen, geht es jetzt um die Familien eines Opfers und eines Täters. Die Lolas kümmern sich dabei als weise Familienoberhäupter um alle wichtigen Formalitäten und versuchen händeringend sowie mit jeder Menge Einfallsreichtum das Geld für die Beerdigung und den Prozess zusammenzubekommen. Geduldig und ohne große Sentimentalität verfolgt die Kamera die beiden Protagonistinnen und zeigt, wie sie unter ihren körperlichen Gebrechen leiden und immer wieder beschwerlich Treppen emporsteigen müssen. Im verregneten und lauten Manila, dessen Geräuschpegel permanent zu vernehmen ist, wird der Zuschauer förmlich zum unsichtbaren Begleiter der beiden Lolas.
Bei all den Geldsorgen und notwendigen Organisationstätigkeiten bleibt fast kein Platz für Trauer, so dass nur in vereinzelten kurzen Momenten Tränen aus den beiden geschäftigen Damen hervorbrechen. Doch die Traurigkeit ist trotzdem in den Augen der hervorragend gewählten Hauptdarstellerinnen Anita Linda und Rustica Carpio abzulesen. Die eindrucksvolle Physiognomie ihrer Gesichter spiegelt förmlich die Mühen und Sorgen wieder, die sie in ihrem langen Leben erleiden mussten, und kündet zudem von der Schwere der Verantwortung, die auf ihnen lastet. Die fleißigen und stetig um ihre Familien besorgten alten Damen, die sich beim Auftreiben der benötigten Geldsummen unheimlich ins Zeug legen und die Einnahmen dann in Taschentüchern verbergen, unter Kopfkissen verstecken oder nach monsunartigen Regenfällen an Wäscheleinen trocknen, erscheinen dabei trotz ihrer Entschlossenheit extrem liebenswürdig.
Fazit: Kann man sich mit den Lebensrhythmus der betulich agierenden, entschlossen um das Wohl ihrer Clans eintretenden Lolas arrangieren, bietet Brillante Mendozas Film bewegendes, stark dokumentarisch angehauchtes Kino, das den Willen und die Kraft zweier älterer Damen herausstellt, von denen man sich einiges in puncto Courage und Problemmanagement abschauen kann.