Großes Starkino aus Deutschland, gedreht für den internationalen Markt? Das war in den vergangenen drei Jahrzehnten untrennbar mit dem Namen Bernd Eichinger verbunden. Der überraschende Tod des ambitionierten und global denkenden Produzenten im Januar 2011 hat eine Riesenlücke hinterlassen, die sich bereits in der ihm gewidmeten Neuverfilmung der „Drei Musketiere" bemerkbar macht. Denn gerade in seinen opulenten Romanverfilmungen wie „Der Name der Rose", „Das Geisterhaus" oder „Das Parfüm" achtete Eichinger darauf, dass neben einem erstklassigen Cast auch renommierte Regisseure wie Jean-Jacques Annaud, Bille August oder Tom Tykwer hinter der Kamera standen. Mit der Alexandre-Dumas-Adaption wurde dieser Weg nicht mehr weiter beschritten – mit fatalen Konsequenzen. Ausgerechnet Paul W.S. Anderson wurde die ehrenvolle Aufgabe übertragen, aus dem ausgelutschten Stoff etwas Frisches, Zeitgemäßes zu zaubern. Im Presseheft behauptete der umstrittene „Resident Evil"-Regisseur noch kühn, „dass die Arbeit an einem historischen Film kaum anders wäre als die Arbeit an einem Science-Fiction-Film." Wenn er sich da nicht getäuscht hat. Denn „Die drei Musketiere" prunkt zwar mit fantastischen Kulissen, einem prominenten Cast und prächtigen Kostümen. Ein Gefühl für den richtigen Rhythmus, für ein harmonisches Zusammenspiel und charmante Situationskomik – alles essentielle Bestandteile für einen gelungenen Mantel-und-Degen-Film – lässt Andersons Werk jedoch schmerzlich vermissen.
Wir befinden uns in Frankreich des frühen 17. Jahrhunderts. Der kindlich-schwächliche König Louis XIII (Freddie Fox) gerät immer mehr unter den Einfluss des machthungrigen Kardinals Richelieu (Christoph Waltz). Darunter leiden besonders die Musketiere, die Leibwachen seiner Majestät. Ihr Korps wurde aufgelöst, und auch die drei berühmtesten, der melancholische Athos (Matthew MacFadyen), der tief gläubige Aramis (Luke Evans) und Raufbold Porthos (Ray Stevenson), sind von jeglichen Aufgaben entbunden worden. Doch der aus der französischen Provinz stammende Jüngling D'Artagnan (Logan Lerman) hat den Traum, ein Musketier zu werden, noch nicht aufgegeben. Deswegen nimmt er den weiten Weg nach Paris auf sich, um sich ihnen anzuschließen. Unterwegs legt er sich noch mit Rochefort (Mads Mikkelsen), der rechten Hand von Richelieu, an. Doch damit nicht genug. Der Jungspund fordert in seiner Naivität auch noch die drei Musketiere zu einem Duell heraus. Als sich die Fronten klären, und D'Artagnan sein immenses Fechttalent in einem Kampf gegen Rocheforts Schergen beweist, verbünden sich die Vier, um einen drohenden Krieg zwischen Frankreich und England zu verhindern. Den will nämlich Richelieu heraufbeschwören, um auf den Thron zu gelangen. Dafür setzt er die verführerische Milady de Winter (Milla Jovovich) auf den britischen Herzog von Buckingham (Orlando Bloom) an.
Bis auf die Betonung des Kriegsszenarios folgt der Plot dem bekannten Musketier-Muster. Da stellt sich natürlich die Frage, warum man den Dumas-Klassiker unbedingt wieder neuverfilmen musste. Eine wachsende Fangemeinde kann nicht der Grund gewesen sein. Denn die letzte aufwendige Hollywood-Produktion „The Musketeer" floppte trotz rasanter Martial-Arts-Kampfchoreographien und Stars wie Tim Roth und Catherine Deneuve an den Kinokassen. Paul W.S. Anderson und Produzent Robert Kulzer ließen sich davon nicht beirren. Dabei brachten sie zwei Verkaufs-Argumente ins Feld. Der Einsatz einer ausgefeilten 3D-Technik, die bereits im erfolgreichen „Resident Evil: Afterlife"-Teil erprobt war, und eine zielgruppengerechte Verjüngung der Hauptfigur D'Artagnan, die laut Kulzer die Message kommunizieren soll, dass „der 18-jährige D'Artagnan den gleichaltrigen Männern, die zu Hause an ihren Computern sitzen, signalisieren kann: Geht raus! Die Welt wartet auf euch!" „Die drei Musketiere" als Weckruf für eine Onlinefixierte Generation? Der Gedankengang ist so albern und skurril, dass er fast schon wieder Lust auf den Film macht.
Nur kann Anderson keine dieser Prämissen einhalten. Viel wurde zuletzt geschrieben und gewehklagt über den inflationären Einsatz von 3D im Kino. Auf der Habenseite steht bei den „Musketieren", dass der Film nicht hastig nachkonvertiert wurde. Doch die Frage, warum man von dem gewünschten Effekt auf der Leinwand so wenig sieht, muss sich Anderson gefallenlassen. Mit den ersten spektakulären Minuten von „Resident Evil: Afterlife" lassen sich die „Musketiere" überhaupt nicht vergleichen. Bis auf ein paar Kanonenkugeln- oder Degen-Tricks wird das 3D-Format hier kaum genutzt. Dabei hätten die Degengefechte oder die Räume der Prunkkulissen doch einiges hergegeben.
Diese technische Enttäuschung, die einhergeht mit einer relativ statischen Kameraarbeit, einem ungelenken Schnitt und lächerlichen Zeitlupensequenzen, entspricht auch einer unbefriedigenden Figurenzeichnung. Da werden die drei Musketiere mit ihren individuellen Fähigkeiten im Prolog noch aufwendig und ganz im Guy-Ritchie-Stil eingeführt, nur, um sie für eine geraume Zeit wieder aus der Handlung verschwinden zu lassen. Im Zentrum steht, ganz nach der Computerspiel-Zielgruppen-Devise D'Artagnan, und das tut dem Film nicht gerade gut. Logan Lerman, bekannt aus „Percy Jackson - Diebe im Olymp", legt den legendären Fechtkönig als coolen bis arroganten Typen an, der immer einen passenden Spruch parat hat und während einer Fechteinlage auch noch den ein oder anderen Flirt einbaut.
Nur wirkt diese Lässigkeit bei Mädchenschwarm Lerman aufgesetzt. Unerklärlich auch, wie er sich nach wenigen Minuten zum Befehlshaber der alten Museketier-Hasen aufschwingt. Die dürfen nicht mehr als müde Kämpfer für das Gute sein, und auch ihre interessanten, weil so verschiedenen, Charaktere bleiben einförmig – eine falsch verstanden Glättung, der noch keiner Verfilmung des Stoffes passiert ist. Dabei besitzt das gut besetzte Schauspielertriumvirat Matthew Macfadyen, Luke Evans und vor allem Ray Stevenson doch das nötige Charisma. Hier wurden Chancen verschenkt, die sich auf den gesamten Cast übertragen lassen. Waltz spult routiniert bis gelangweilt seine Hans Landa-Nummer ab, sorgt aber immerhin für den (unfreiwillig) größten Lacher, wenn er mit Wiener Schmäh erklärt: „Ich bin Frankreich!" Jovovich fühlt sich sichtbar am wohlsten, wenn sie in Alice-Manier Feinde verkloppt, beim blasierten Verführungsspiel tut sie sich schwerer. Aber wenigstens erspart sie sich das Chargieren von Orlando Bloom in seinen wenigen Fremdschäm-Auftritten. Unterboten wird er nur noch von dem korpulenten britischen Komiker James Corden, der als Sidekick die üblichen „Ich hab Hunger" und „Warum darf ich nicht mitmachen"-Plattitüden von sich gibt.
Der Cast, insbesonders Orlando Bloom, scheint Anderson auch bei der Action beeinflusst haben. Denn seine Interpretation ist wohl der erste Versuch, den Duams-Klassiker mehr in den Lüften als auf dem Boden spielen zu lassen. Nahezu die gesamte letzte halbe Stunde wird von einem Luftschiffkampf dominiert. Da fehlt eigentlich nur noch, dass Johnny Depp mit der Black Pearl anrückt. Dass Anderson damit den Abenteuer-Reiz der „Musketiere" mit seinen Pferden- bzw. Kutschen-Verfolgungsjagden und rasanten Degengefechten verschenkt, ist eine weitere Fehlentscheidung des überforderten Regisseurs. Diese Schwäche wird ausgerechnet im Showdown aufgedeckt, wenn sich Rochefort und D'Artagnan ein großartiges Fechtduell liefern. Aber nicht für alles Misslingen trägt Anderson die Alleinschuld. Wer in der Sprache eines Historienfilms ständig moderne Ausdrücke wie „Job" verwendet, das gesamte Setting aber in das 17. Jahrhunderts versetzt, der braucht sich nicht nur über den Ärger von Dumas-Puristen wundern. Der legendärere Spruch „Einer für alle, alle für einen" wirkt da fast wie aus einer anderen Epoche, da seine Griffigkeit nie in einem anderen Dialog erreicht wird.
Fazit: Die äußeren Voraussetzungen für eine wenigstens solide Adaption von „Die drei Musketiere" waren bei diesem Projekt gegeben. Man durfte in den schönsten Schlössern und Städten Bayerns drehen, heuerte einen vielversprechenden Cast an, und leistete sich auch bezaubernde Kostüme aus der Hand des Designers Pierre-Yves Gayraud. Doch die Fehlentscheidung bei der Wahl des Regisseurs liegt zu schwer. Paul W.S. Anderson hat nicht mehr zu bieten als ein paar handwerklich solide Actionszenen. Wie man Schauspieler führt, Situationskomik timt, originelle Bilder komponiert und eine prächtige Abenteuerfilm-Atmosphäre kreiert, davon konnte er in „Die drei Musketiere" keinen Beweis erbringen.