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    Greatest Showman
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Greatest Showman
    Von Andreas Staben

    Wer sich mal die Wikipedia-Seite zum 1891 verstorbenen amerikanischen Zirkus-Impresario P.T. Barnum ansieht, dem kommt es angesichts der überaus faszinierenden Biografie und der vielen spannenden, aber auch irritierenden Details geradezu fahrlässig vor, dass es seit den 1930er Jahren nur zwei TV-Filme und die alberne britische Komödienfantasie „Tolldreiste Kerle in rasselnden Raketen“ über diese wahrhaft schillernde Persönlichkeit gegeben hat. Ein großes Biopic über den Showbusiness-Tausendsassa Barnum, der zugleich ein windiger Geschäftsmann, ein gerissener Opportunist und ein Schmalspurpolitiker war, ist also durchaus willkommen. Und dabei kann man natürlich auch die Meinung vertreten, dass dieser Film gar nicht sehr viel mit den historischen Fakten zu tun haben muss, schließlich ist eine gut erzählte Legende meist sehr viel attraktiver als die schnöde Wirklichkeit. Doch was Regiedebütant Michael Gracey mit seinem Filmmusical „Greatest Showman“ vorlegt, wird weder der (sehr viel ambivalenteren) historischen Figur P.T. Barnum noch der im großspurigen Titel angedeuteten Legende gerecht – daran ändern auch die teils beeindruckenden Schauwerte und einige mitreißende Shownummern letztlich nicht viel.

    Der in ärmlichen Verhältnissen in Connecticut aufgewachsene P.T. Barnum (Hugh Jackman) träumt davon, seiner Frau Charity (Michelle Williams) und seinen beiden Töchtern ein sorgenloses Leben bieten zu können. Aber als er seinen Job im Büro einer Reederei verliert, sieht die Zukunft zunächst alles andere als rosig aus, zumindest bis der ehrgeizige junge Mann eine findige Geschäftsidee hat: Er will ein Kuriositätenkabinett gründen. Mit einer kleinen Gaunerei beschafft er sich das nötige Startkapital und unternimmt anschließend eine großangelegte Suche nach Attraktionen. Er engagiert Männer und Frauen jeder Hautfarbe und Herkunft, die irgendwie aus dem Rahmen fallen – vom uniformierten Kleinwüchsigen bis zur Dame mit Bart, dazu Akrobaten und Tänzer. Barnum bietet seinem Publikum Spektakel, aber der sich einstellende Erfolg beim einfachen Volk genügt ihm bald nicht mehr. Er will endlich auch den Respekt der High Society und überredet deshalb den anerkannten Theatermacher Phillip Carlyle (Zac Efron), in sein Zirkusgeschäft mit einzusteigen...

    Wenn Hugh Jackman („Logan – The Wolverine“) und die hier insgesamt ein wenig unterbeschäftigt wirkende Michelle Williams („Alles Geld der Welt“) noch relativ zu Beginn „A Million Dreams“ singen, dann erlebt das Ehepaar Barnum dabei nicht einen einzelnen träumerischen Moment, stattdessen erzählt der Film während des einen Songs gleich mehrere Kapitel und Jahre, die in wenigen Schnitten viel zu schnell zusammengerafft werden. So fehlt direkt schon mal das emotionale Fundament für die Liebe zwischen den beiden Figuren, aber das fällt auf Dauer gar nicht so sehr ins Gewicht wie ein noch viel grundlegenderes Problem mit Jackmans Figur:

    Wenn später im Film Barnums „Kuriositäten“ den Song „This Is Me“ unter der stimmgewaltigen Führung der „Bärtigen Lady“ Lettie Lutz (Keala Settle) zur trotzig-stolzen Hymne der (Selbst-)Ermächtigung machen und dem 21.-Jahrhundert-Publikum dabei einen überdeutlichen Text und eine eingängige aufklärerische Botschaft entgegenschleudern, dann fehlt auch in diesen Momenten wieder die emotionale Unterfütterung, die Verankerung in Story und Figuren. Darüber täuscht nicht einmal die beachtliche Songschreiberroutine des oscargekrönten Duos Justin Paul und Benj Pasek (für „City Of Stars“ aus „La La Land“) hinweg. Denn die Menschen, die Barnum hier als „Freaks“ zur Schau stellt, werden von ihm die meiste Zeit über auch als genau solche behandelt – und das obwohl der Film den ausbeuterischen Impresario in dieser verharmlosten und mit Hugh-Jackman-Charme aufgepeppten Version der Story ja eigentlich als aufgeklärten Held präsentieren will. So überzeugt gerade der eigentlich zentrale, aber immer aufgesetzt wirkende emanzipatorische Aspekt der Handlung nie.

    Wenn Barnum seine ungewöhnlichen Stars mit der Beteuerung auf die Bühne lockt, dass sie bei ihm sie selbst sein dürfen, dann bleiben das bloße Lippenbekenntnisse, denn dem armen Schneidersohn ist es viel wichtiger, von der feinen High Society akzeptiert zu werden, die über seinen Zirkus aber sowieso nur die Nase rümpft. Dafür riskiert der Ehrgeizling wenig nachvollziehbar alles, was er sich erarbeitet hat inklusive dem Wohl seiner Familie. So engagiert er zu geradezu ruinösen Bedingungen die schwedische Operndiva Jenny Lind (Rebecca Ferguson), die mit ihrer Stimme (die übrigens Loren Allred gehört) standesgemäße Höchstleistungen vollbringt – obwohl ihr programmatisch betiteltes Bravourstück „Never Enough“ natürlich kein bisschen nach Oper klingt, sondern nach jenem oktavensprengenden Power-Pop à la Whitney Houston oder Céline Dion, an dem sich die weniger talentierten Teilnehmer diverser Castingshows immer wieder die Zähne ausbeißen (an deren Darbietungen wiederum Fergusons steife Performance in der Szene erinnert).

    Barnum interessiert ohnehin nur sein Erfolg. Man versucht ihn hier als verträumten Kämpfer für den sozialen Fortschritt zu porträtieren, aber er erscheint sogar in seinen von den Machern offensichtlich positiv gemeinten Momenten immer noch seltsam egozentrisch. Im Gegensatz zu Jackmans fast schon schizophrenem Barnum zeigt Zac Efron („High School Musical“) als Phillip Carlyle echte Abenteuerlust und Neugier auf andere: Er lässt sich in einem schwungvollen gesungenen Saufgelage in der Kneipe vom Zirkusdirektor überreden (auch Jackmans beste Szene), sein Schickimicki-Theaterleben aufzugeben und Kompagnon beim Kuriositätenkabinett zu werden. Und bei Carlyles misstrauisch beäugter Romanze mit der schwarzen Trapezartistin Anne Wheeler (Zendaya) wird der Kampf mit den Vorurteilen (den eigenen und den fremden) bei aller erzählerischen Verknappung immerhin nachfühlbar. Da ist es dann auch passend, wenn die beiden in einer der besten Shownummern des Films beim einsamen Liebesduett „Rewrite The Stars“ in der Manege abheben.

    „Greatest Showman“ beginnt mit dem historischen 20th-Century-Fox-Logo, aber mit klassischem Hollywood-Kino hat dieser Film nichts zu tun. Die Künstlichkeit der Kulissen, Bilder und Farben verweist hier nicht bewundernd-imitierend oder kritisch-kommentierend auf historische Vorbilder (wie es etwa Damien Chazelle in „La La Land“ gemacht hat), sondern fügt sich mit der entfesselt wirbelnden Kamera, der dynamischen und bisweilen desorientierenden Montage sowie den eingängigen Songs zu einem Pop-Retro-Kitsch-Stilpotpourri, das von Ferne an „Moulin Rouge“ erinnert. Aber wo Baz Luhrmann stur seiner eigenen Vision folgte, dabei zum Gewinn des Films jegliche Zurückhaltung ablegte und sich für den Soundtrack einfach die bestmöglichen Songs überhaupt zu einem hinreißend heterogenen Mix zusammenpickte, fehlt der vermeintlichen Außenseitergeschichte „Greatest Showman“ ironischerweise der Mut zum Anderssein. Stattdessen gibt es auf die Dauer ermüdenden Broadway-Einheitssound und schicke, aber kaum bemerkenswerte Choreografien, die das Einstudierte kaum jemals hinter sich lassen und so auch nur selten ins Reich der echten Emotionen vorstoßen. Am Ende stehen einige schöne Einzelmomente und ein paar tolle Stimmen einer holprigen Erzählung und einem unausgegorenen Protagonisten gegenüber, dem auch der sicht- und hörbar engagierte Hugh Jackman mit all seinem Talent kein überzeugendes Profil geben kann.

    Fazit: Das Musical „Greatest Showman“ ist ein gleichförmiger Film über das Anderssein, ein braver Film über das Risiko und ein zahmer Film über eine provokante Persönlichkeit.

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