„Eigentlich hatte ich bisher noch nie das Bedürfnis, mein Leben schriftlich festzuhalten – aber seit heute Morgen verspüre ich den Drang, jedes Detail meines beginnenden Abenteuers (...) aufzuzeichnen.“ „Danke dafür“ möchte man dem deutschen Entertainer Hans-Peter, genannt Hape, Kerkeling auch im Namen der spanischen Tourismusbranche zurufen. Denn mit diesem Satz eröffnete er am 09. Juni 2001 nicht nur seinen Reisebericht über seine eigene, ganz persönliche Pilgerreise, sondern landete einen Bestseller, der allein in Deutschland über vier Millionen Leser begeisterte. Damit gehörte er zu den Auslösern eines neuen Booms des ohnehin schon populären „Camino Francés“, besser bekannt als „Jakobsweg“. Mit der 2006 erschienen Aufzeichnung seiner Gedanken und Erlebnisse auf der fast 800 Kilometer langen Wanderung von Saint-Jean-Pied-de-Port in Frankreich bis nach Santiago de Compostela in Spanien, dürfte er nämlich ziemlich viele Nachahmer inspiriert haben. Ob der gleichnamige Film zum Buch „Ich bin dann mal weg“ neun Jahre später einen ähnlichen Hype lostreten wird? Dem Autorentrio Sandra Nettelbeck („Mr. Morgans Last Love“), Jane Ainscough („Coming In“) und Christoph Silber („Banklady“) sowie Regisseurin Julia von Heinz („Hannas Reise“) gelingt es, die selbstreflexive Essenz des Reiseberichtes geschickt zu extrahieren und den exzellent ausbalancierten Mix aus Tiefe und Leichtigkeit äußerst überzeugend auf die Leinwand zu transportieren
Schluss. Aus. Vorbei. Von zu vielen Auftritten und reichlich Übergewicht sichtlich gezeichnet, sackt der Komiker und Entertainer Hape (Devid Striesow) hinter der Bühne zusammen. „Du willst doch jetzt nicht noch einmal rausgehen?“ ruft ihm seine Managerin Dörte (Annette Frier) noch entgegen, doch da ist es bereits zu spät: Letzter Gag, erneuter Zusammenbruch – dieses Mal mitten auf der Bühne, direkt vor dem Publikum. „Sie benötigen vor allem absolute Ruhe, Herr Kerkeling“ ist schließlich der ärztliche Rat, den der deutsche Entertainer nach fast 20 Jahren auf der Bühne nur allzu gern annimmt, hatte er doch mit einer schlimmeren Diagnose gerechnet als „nur“ mit einem Hörsturz und einer Gallenblasen-Dysfunktion. Die verordneten drei Monate Pause will Hape zuerst auf der geliebten Couch verbringen, doch dort hält er es nicht lange aus. Eine Wanderung und eine innere Einkehr sollen es richten, am besten auf dem Jakobsweg. Schließlich haben das vor ihm schon ganz andere geschafft…
Spätestens wenn sich der deutsche Entertainer mit den Worten „So, ich bin dann mal weg“ von seiner skeptischen Managerin verabschiedet, wird deutlich, dass man sich über weite Strecken sehr genau an die Buchvorlage hält – auch wenn der Grund für Hapes Pilgerreise als Ouvertüre der Geschichte vorangestellt ist, während diese in der Vorlage nur in kurzen Rückblenden nachgereicht wird. So bekommen Leser des Buches auch viele bekannte Figuren zu Gesicht: von den nervigen Autogrammjägern über den knurrigen Schäfer, der liebestollen Brasilianerin, den charmanten Schwedinnen bis hin zur strengen Nonne der Herberge. Hinsichtlich der zentralen Figuren, die Hape einen größeren Teil ihrer Reise begleiten, nehmen sich die Filmemacher allerdings einige Freiheiten. Aus der taffen Sheelagh aus Neuseeland wird Stella aus Stockholm (Martina Gedeck), während die rothaarige Anne aus Liverpool zu Lena aus Bristol (Karoline Schuch) wird. Die Frauen stoßen im Film zudem deutlich früher zu Hape und man läuft den Jakobsweg bald Seite an Seite zu Dritt. Dabei wurde darauf verzichtet, die mit den verschiedenen Nationalitäten einhergehenden Verständigungsschwierigkeiten einzubauen. Im Film kommuniziert man konstant auf Deutsch, womit natürlich ein paar Witze fallengelassen werden.
Im Mittelpunkt steht aber ohnehin Hape und dessen Reise, die er nicht nur auf dem Jakobsweg, sondern auch ganz persönlich in seiner Entwicklung absolvieren muss. Hape ist ein nachdenklicher, egomanischer Protagonist, aus dessen ganz eigener subjektiven Perspektive erzählt wird. Das wird nicht nur durch seinen Off-Kommentar verdeutlicht, der über die gesamte Spieldauer immer wieder eingesetzt wird. Dies ist seine Geschichte, es sind seine Erlebnisse und seine Gedanken. Regisseurin Julia von Heinz verzichtet bei der Darstellung dieser auf unnötige Spielereien und setzt auf im positiven Sinne nüchterne Bilder, was ihr Kameramann Felix Poplawasky („Hanni & Nanni 2“) perfekt untermalt. Er liefert die bedrückend-schönen Einstellungen zu den langen, oft einsamen wortlosen und äußerst kargen Wanderstrecken. Mit wenigen farbgesättigten Aufnahmen, behutsamen Schnitten und einer nur marginal eingestreuten Musik bekommt die Erzählung so die nötige kinematographische Tiefe.
Inhaltlich gibt es zwei Schwerpunkte: Hapes Suche nach sich selbst ist in erster Linie auch die Suche nach seinem Glauben und nach Gott. Dass man dabei in der auf 90 Kinominuten destillierten Erzählung ähnlich gut mitfühlen kann, wie in der Buchvorlage, ist vor allem ein Verdienst des Hauptdarstellers. Devid Striesow („Tatort“) ist einmal mehr herausragend und macht es leicht, den Gedanken Hapes zu folgen. Vor allem erweist sich als Glücksfall, dass er mit einem ähnlichen humoristischen Talent gesegnet ist wie die Figur, die er verkörpert. Denn „Ich bin dann mal weg“ ist nicht nur die Erzählung einer Sinnsuche, sondern auch eine amüsante Komödie. Vor allem die zahlreichen Begegnungen auf der sechswöchigen Wanderung liefern den Raum für den nötigen Witz. Julia von Heinz kombiniert dies alles zu einer straffen Mischung aus Selbstfindungs-, Reiseabenteuer- und Unterhaltungskomödie, bei der aber auch der eigentliche Sinn und die Strapazen des Jakobsweges nicht aus den Augen verloren oder romantisiert werden.
Fazit: Julia von Heinz findet die richtige Balance für Hape Kerkelings Pilgerreportage „Ich bin dann mal weg“ und verdichtet den Bestseller gekonnt auf 92 Film-Minuten mit wenig unnötigem Beiwerk. Wer schon das Buch mochte, der wird auch den Film mögen. Und alle anderen sollten auch wegen Devid Striesow einen Blick wagen.