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    Tin Cup
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Tin Cup
    Von Carsten Baumgardt

    Für aktive Spieler ist Golf eine der interessantesten Sportarten der Welt. Wer die Faszination dieser Herausforderung noch nie erlebt hat, teilt diese Einschätzung in der Regel überhaupt nicht. Vielmehr gilt Golf in der allgemeinen Wahrnehmung als öder Rentnersport. Diese zwei Extreme hat Ron Shelton in seiner ebenso launigen wie sympathischen Sport-Komödie „Tin Cup“ bestens im Griff. Golfspieler fühlen sich von der locker-leichten Unterhaltung nicht auf den Schlips getreten, weil der Sport dennoch ernst genommen wird. Und Nicht-Golfern vermittelt die romantische Komödie nebenbei einen Eindruck davon, warum das Spiel tatsächlich aufregend sein kann.

    Roy McAvoy (Kevin Costner) ist ein Loser vor dem Herrn. Seine Ambitionen auf eine Karriere als Profigolfer hat er längst aufgegeben, obwohl er definitiv das Talent, aber eben nicht den Ehrgeiz dazu hat. Deshalb betreibt er in der texanischen Einöde im Kaff Salome eine marode Driving Range, die kaum genug Geld fürs Überleben abwirft. Roy haust in einem heruntergekommenen Wohnwagen, aber solange er Spaß mit seinen Freunden haben kann, ist für ihn alles in Ordnung. Am liebsten hängt er mit seinem Caddy Romeo (Cheech Marin) ab und trinkt Bier. Eines Tages schneit die attraktive Psychotherapeutin Dr. Molly Griswald (Rene Russo) in seinen Laden. Sie stellt sich zwar als herzlich untalentiert heraus, zieht aber sofort das Interesse Roys auf sich. Sein Unmut aber ist groß, als klar wird, dass Molly die Freundin seines Erzfeindes David Simms (Don Johnson) ist. Im Gegensatz zu Roy hat es Simms, ein Rivale aus Jugendzeiten, zu einer erfolgreichen Profi-Karriere im Golfsport geschafft. Nach weiteren Demütigungen durch Simms erwacht in Roy, der sich eigentlich mit seiner Rolle als Verlierer abgefunden hat, der Kampfgeist. Er will Mollys Herz erobern und auf dem Golfplatz das kaum Mögliche schaffen: sich als Amateur für die US Open qualifizieren…

    Die romantische Komödie und der Sportfilm: Wenige Genres sind vorhersehbarer als diese beiden, die in „Tin Cup“ auch noch kombiniert werden. Doch Ron Sheltons Feel-Good-Film offenbart eine ganz besondere Qualität. Wie sorge ich bei einem Sportlerfilm, der praktisch immer nach dem gleichen Schema abläuft, für eine echte Überraschung? Auf diese Frage haben Sportfachmann Shelton („Weiße Jungs bringen’s nicht“, „Annies Männer“, „Cobb“, Bad Boys II) und sein Co-Drehbuchschreiber John Norville eine wirklich originelle Lösung parat, die im Finale den Ton des gesamten Films perfekt auf den Punkt bringt.

    Bis dahin hat „Tin Cup“ knapp zwei Stunden zurückzulegen, die jedoch nicht minder unterhaltsam sind. Den größten Anteil daran haben die bestens aufgelegten Darsteller. Selbst wenn sich bereits in den Neunzigerjahren abzeichnete, dass die großen Zeiten von Kevin Costner (JFK, Thirteen Days, Der mit dem Wolf tanzt) als Kassenmagnet vorbei sind, erspielte sich der Superstar mit „Tin Cup“ eine überraschende, aber verdiente Golden-Globe-Nominierung. Der Kalifornier schafft es auf unbekümmerte Weise, einen Komplettversager so sympathisch wirken zu lassen, dass sein Roy McAvoy das Publikum mühelos auf seine Seite zieht. Doch es ist nicht nur Costner allein, der begeistert. Die tollen Leistungen der charmanten Rene Russo (Kopfgeld, In The Line Of Fire, Lethal Weapon 3, Lethal Weapon 4) und Don Johnson („Miami Vice“, „Nash Bridges“), der als fieser Bösewicht einfach vorzüglich ist, machen den Film erst richtig rund. Die vielbeschworene Chemie stimmt zwischen Costner und Russo bis aufs Atom genau.

    Regisseur Shelton beweist ein feines Gespür, wenn es darum geht, die in seinem Film ohne Zweifel zuhauf benutzten Klischees auf amüsante Art zu entzaubern. Wenn der betont aalglatte Simms als Ekel, das „alte Leute, Kinder und Hunde hasst“, eingeführt wird, ist es Johnson zu verdanken, dass das ironische Spiel mit seinem Klischee als Vorzeigemacho zum Vergnügen wird und nicht in Langeweile ausartet. Mit Cheech Marin (From Dusk Till Dawn, Desperado) ist die Sidekick-Position ebenfalls gut besetzt. Der „Cheech & Chong“-Kultstar ergänzt sich mit Costner glänzend.

    Weitere Pluspunkte sind die spritzigen Dialoge, die aus „Tin Cup“ immer einen kurzweiligen Spaß machen, der niemals in die Nähe eines Golfer-Klamauks à la „Caddyshack“ oder „Happy Gilmore“ driftet. Vielmehr weist der beschwingte Film Elemente der Screwball-Komödie auf. Zwar dreht sich in „Tin Cup“ fast alles um das Golfspiel, aber eben nur als Hintergrund. Deshalb sollten Gegner dieser Sportart nicht zurückschrecken, denn das wirklich Wichtige ist die Dreiecksbeziehung zwischen Costner, Russo und Johnson. Golffreunde werden auf der anderen Seite aber auch nicht enttäuscht. Die prächtig fotografierten Spielszenen haben Stil und Atmosphäre und offenbaren ein Gefühl für die Dramaturgie des Sports. Zahlreiche Stars der US-PGA-Tour sind in Cameos zu sehen.

    Fazit: Ron Sheltons romantische Golf-Komödie „Tin Cup“ ist federleichte Unterhaltung, die auf ein hervorragendes Hauptdarstellertrio, stimmige Schauwerte und ironische Dialoge baut und damit die aufgebotenen Klischees mühelos entkräftet.

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