Natürlich wäre das deutsche Kino der vergangenen Jahre undenkbar ohne die berühmten und all die nicht ganz so berühmten Schauspielerinnen und Schauspieler, die ständig zwischen Bühne und Film hin und her wechseln. Aber dieser ständige Transitverkehr zwischen diesen beiden sich so nahen und dann doch wieder so fernen Künsten hat natürlich auch wirtschaftlich-existentielle Gründe und nicht nur künstlerische. Insgesamt bleibt der Eindruck zurück, dass die beiden Kunstformen Kino und Theater in Deutschland nebeneinanderher existieren, ohne groß Notiz voneinander zu nehmen – es sei denn, ein Theatermacher will mal wieder einen Film für die Bühne adaptieren, oder ein Regisseur braucht für seinen Film noch den einen oder anderen Darsteller. Dabei könnten sich beide durchaus gegenseitig befruchten, gäbe es da nicht diese seltsamen unausgesprochenen Berührungsängste. Wie reizvoll es sein kann, wenn die beiden einmal Hand in Hand gehen, beweist der schillernde Experimentalfilm „UmdeinLeben“, das Spielfilmdebüt der erfolgreichen Dramatikerin Gesine Danckwart.
HB (Caroline Peters, Torpedo, „Walk On Water“, „Schöne Frauen“) ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau, aber an diesem Tag wird ihr, die gerade wieder in ihrer Heimatstadt angekommen ist, alles zu viel. Emske (Anne Ratte-Polle, „Die Nacht singt ihre Lieder“, Gegenüber) schlägt sich als Freiberuflerin durch und wartet verzweifelt auf den nächsten Auftrag. Diamant Oil (Kathrin Angerer, Der rote Kakadu, Peer Gynt) steht jeden Tag hinter dem Tresen einer Bar und kann langsam das ewige Gerede der Gäste nicht mehr ertragen. Die Boxerin und Ringerin Sonntag (Esther Röhrborn) trifft sich gegen Geld mit Männern in anonymen Hotelzimmern zum mal spielerischen, mal erotischen Kräftemessen. Ludwigsholm (Bettina Stucky, Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe) hat als Politikerin ständig mit ihrem Stab zu kämpfen, der ihren Ansprüchen einfach nicht gerecht wird. Und dann ist da noch Faria Kühne (Maren Kroymann, Maria, ihm schmeckt’s nicht, Das Fremde in mir, Verfolgt), die nichts mehr hat und sich nur noch an ihrem Wahlspruch „Das Leben ist so schön, wie man es sich glaubt“ festhält...
Sechs Frauen... nicht am Rande des Nervenzusammenbruchs, aber immer ganz kurz vor dem nächsten hysterischen Ausbruch. Also eigentlich sechs ganz normale Großstadtmenschen, die irgendwie versuchen, ihre Wünsche und Sehnsüchte mit den Anforderungen des Alltags in Einklang zu bringen. Gesine Danckwart, die schon mit ihrem 1999 uraufgeführten Theaterstück „Girlsnightout“ auf die gleißende Phantasiewelt von Fernsehserien und Filmen wie Sex And The City reagierte, fügt die Erzählungen und Monologe dieser sechs ganz alltäglichen Hysterikerinnen nicht im klassischen Sinne zu einer großen Kinogeschichte zusammen. Jede der Frauen steht mit ihrem Schicksal und ihren Kämpfen für sich. So eröffnet sich ein Raum für Assoziationen und Beobachtungen, für Begegnungen und Improvisationen, in dem neben Kino und Theater auch Leben und Kunst auf faszinierende Weise zueinander finden.
Durch und durch künstliche Szenen, die in einem ganz und gar weißen Raum spielen und in denen Gesine Dankwarts Figuren den Zuschauer ganz direkt ansprechen, gehen einher mit typischen Großstadtmomenten. Die Grenze, die an sich das rein Artifizielle vom eher Realistischen trennt, löst sich zunehmend auf. So können Gesine Dankwart und ihre grandiosen Darstellerinnen zugleich die innere wie die äußere Welt dieser sechs Frauen bis ins kleinste Detail ausleuchten. Dabei entsteht ein sprachlich wie auch visuell außerordentlich genaues Porträt unseres Lebens im frühen 21. Jahrhundert. Gesine Danckwart und ihr Kameramann Kristian Leschner fangen die Einsamkeit und die gewöhnliche Hysterie des Lebens in letztlich kalten, die Menschen in die Anonymität treibenden Großstädten kongenial ein. Wer in ihnen nicht einfach auf immer versinken will, muss wie diese Frauen um sein Leben reden und kämpfen, hoffen und träumen.