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    Der Ruf der Wale
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Der Ruf der Wale
    Von Andreas Staben

    Wenn es im Kino um Tiere geht, dann handelt es sich in der Regel entweder um einen Horrorfilm oder um einen Familienfilm mit Kindern im Mittelpunkt. Im Bereich der Meerestiere haben wir zum Gruseln etwa „Der weiße Hai" und „Orca, der Killerwal", während auf dem Familienprogramm erbauliche Geschichten wie „Free Willy" oder „Mein Freund, der Delfin" stehen. Deutlich seltener ist es dagegen, dass - einmal abgesehen von den vielseitigen Hunden - Tiere in anderen Genres Hauptrollen übernehmen. Eine Ausnahme ist Steven Spielbergs Pferdeepos „Gefährten", der zwar durchaus auch ein Familienfilm, aber mindestens ebensosehr ein Kriegsdrama ist. Zeitgleich mit dem Oscar-Kandidaten kommt ein weiterer Film mit tierischen Titelhelden in die Kinos und auch Ken Kwapis‘ „Der Ruf der Wale" ist ein etwas anderer Tierfilm. Im Mittelpunkt steht die dramatische Rettungsaktion für ein paar gestrandete Meeressäuger, aber die Tonalität ist über weite Strecken die einer (romantischen) Komödie und Kinder spielen auch nur eine Nebenrolle.

    1988: Der Nachwuchsreporter Adam Carlson (John Krasinski) berichtet aus dem verschlafenen Nest Barrow in Alaska über Kuriositäten wie das nördlichste mexikanische Restaurant der Welt. Als eines Tages eine Grauwalfamilie in Barrow strandet, ist er zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Seine Bilder von den in einem kleinen Wasserloch eingeschlossen Meeressäugern, deren Weg ins offene Meer durch riesige Eismassen blockiert wird, gehen um die Welt. Das ungewisse Schicksal der Wale wird zum weltweiten Medienereignis, Reporter fallen im Dutzend in Barrow ein, darunter die von Adam bewunderte Jill Jerard (Kristen Bell). Seine Ex-Freundin, die Greenpeache-Aktivistin Rachel Kramer (Drew Barrymore), ist allerdings auch vor Ort und bemüht sich um die Rettung der Tiere. Selbst das Weiße Haus und das Militär schalten sich ein und auch der Öl-Tycoon J.W. McGraw (Ted Danson) lässt sich, wenn auch widerwillig, für die gute Sache gewinnen. Als mehrere Versuche scheitern und die Zeit drängt, wird die Aktion endgültig zum Politikum, denn die letzte Hoffnung, die jetzt noch bleibt, ist ein sowjetischer Eisbrecher...

    „Der Ruf der Wale" basiert auf dem Buch „Freeing the Whales: How the Media Created the World's Greatest Non-Event", in dem Tom Rose 1989 wahre Ereignisse zusammenfasste, die sich ein Jahr zuvor in Alaska zugetragen hatten. Im Gegensatz zum Autor der Vorlage, der fragt „Wie wurde aus dem Schicksal dreier Tiere eine globale Affäre, über die am Ende sogar eine Regierung (in Island) stürzte?", interessiert sich Ken Kwapis weniger für die analytische als für die komische und die menschliche Seite dieser ungewöhnlichen Situation. Die unwahrscheiliche Allianz von Umweltschützern, Ölindustrie, einheimischen Ureinwohnern, der Nationalgarde, der US-Regierung und der Sowjetunion in Zeiten des Kalten Krieges ist ein Kuriosum – und wird von Kwapis zum vergnüglichen Spiel der Gegensätze zugespitzt. So hat der Öl-Multi zunächst nur seinen Profit im Kopf und verweigert seine Hilfe, dann erkennt er auf sanften Druck plötzlich die PR-Möglichkeiten; Ronald Reagan und seine Leute im Weißen Haus wollen auf keinen Fall ausgerechnet den Klassenfeind um Hilfe bitten, die Journalisten jagen nur der Story hinterher und zwei Kleinunternehmer aus Minnesota nutzen die Gelegenheit, um die Vorzüge ihrer Enteisungsmaschinen zu präsentieren. Das Ganze ist immer dann überzeugend, wenn es mit einem Augenzwinkern dargeboten wird, geht es dagegen um nicht ganz unkomplizierte Dinge wie die Erhaltung der Traditionen der Ureinwohner, dann wirkt der Film dagegen recht gezwungen.

    Die Umwelt- und Tierschutzbotschaft wird von Sympathieträgerin Drew Barrymore („Drei Engel für Charlie") gewohnt engagiert und glaubhaft rübergebracht, aber die drei Wale sind am Ende doch kaum mehr als der Anlass für den ganzen Zirkus drumherum. Im Kern ist der Film eine Komödie über einen Mann zwischen zwei Frauen. John Krasinski („Away We Go", „The Office") stolpert buchstäblich zuerst über die berufliche Chance seines Lebens, dann über seine Ex-Freundin und dann über seine Traumfrau. Da wird dann der Gegensatz zwischen der Idealistin, die alles tun würde, um das Leben der Wale zu retten und der Journalistin, die in erster Linie an ihre Karriere denkt, etwas schematisch ausgespielt, aber Kristen Bell („Veronica Mars") zieht sich selbst in der undankbaren Rolle der Jil Jerard achtbar aus der Affäre. Ken Kwapis gibt den so typischen Situationen immer wieder einen pfiffigen Dreh und zeigt wie schon in „Er steht einfach nicht auf Dich!" ein feines Gespür für die amüsanten Seiten amouröser Verwicklungen. Das schönste Segment ist dabei die unwahrscheinliche Romanze zwischen einem Nationalgardistin (Dermot Mulroney) und einer engen Mitarbeiterin des Präsidenten (Vinessa Shaw).

    Fazit: Vordergründig wird in „Der Ruf der Wale" die wahre Geschichte einer wundersamen Rettungsaktion für eine Grauwalfamilie in Not erzählt, aber darunter verbirgt sich eine vergnügte Komödie mit einschlägigen Situationen und Figuren sowie einem Schuss Drama und Gefühl.

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