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    Tote schlafen fest
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Tote schlafen fest
    Von René Malgo

    Der alternde General Sternwood (Charles Waldron) wird erpresst und heuert einen zynischen Privatdetektiv namens Philip Marlowe (Humphrey Bogart) an, der dieser Sache auf den Grund gehen soll. Dabei macht er Bekanntschaft mit den beiden Töchtern des Generals und verliebt sich in die etwas undurchsichtige Vivian (Lauren Bacall). Marlowe gerät immer tiefer in einen Morast aus Intrigen, Verbrechen, Gewalt und Perversionen.

    Ohne Frage gehört Howard Hawks „Tote schlafen fest“ zu den Vorzeigewerken des Film Noir. An den großen Vorreiter des Genres, woran sich alle Film-Noir-Werke gezwungener Maßen messen lassen müssen, „Die Spur des Falken“, kommt dieser Film allerdings, wenn auch knapp und nur formal, nicht ganz heran. Dabei bietet das Werk zwar zahlreiche interessante Ansätze und im offenen Schluss viel Raum für Interpretationen, jedoch wirkt das Ganze insoweit etwas weniger komplex und konsequent wie „Die Spur des Falken“.

    Im klassischen, amerikanischen, sich der Stilrichtung des Film Noir verschreibenden Detektivfilm ist in der Regel eine Femme Fatale obligatorisch. „Tote schlafen fest“ bietet derer gleich drei, oder wahlweise vier. Lauren Bacall ist Vivian Sternwood Rutledge, die eigentliche Auftraggeberin des Privatdetektivs Philip Marlow, grandios dargestellt von Humphrey Bogart. Sie weiß den Helden geschickt zu manipulieren, ist im Grunde aber so böse nicht. Oder Martha Vickers als Carmen Sternwood, die rauschgiftsüchtige, jüngere Schwester, die sich Männern an den Hals wirft, zwar ohne Hintergedanken, aber durchaus imstande, sie ins Verderben zu stürzen. Oder Peggy Knudsen, die böse Femme Fatale, intelligent und manipulierend, die das vermeintlich stärkere Geschlecht für ihre Zwecke einspannt und so einen der schwächeren Bösewichte im Film, dargestellt von Elisha Cook Jr., für ihre Ziele benutzt. Wahlweise könnte noch eine vierte Frau hinzugefügt werden, die Verkäuferin im Buchladen, dargestellt von Dorothy Malone, die nur einen kurzen Auftritt hat, eine Mischung aus allen drei Damen abgibt und Philip Marlowe ihresgleichen verführt.

    Gerade deshalb gilt „Tote schlafen fest“, nach einer Erzählung von Raymond Chandler, als Paradebeispiel der „schwarzen Serie“ Hollywoods. Und nicht nur deswegen. So waren die Drehbuchautoren William Faulkner, Leigh Brackett und Jules Furthman wie Regisseur Howard Hawks weniger an einer logisch stimmigen Buchadaption interessiert, als vielmehr an den Helden der Erzählung, ihren zwielichtigen Charakteren und der finsteren von einer düsteren Grundhaltung durchzogenen Stimmung. Darum müssen auch einige Unglaubwürdigkeiten billigend in Kauf genommen werden, da die an sich komplexe Story eher sekundär behandelt wird und das Hauptaugenmerk auf der in „Tote schlafen fest“ beispiellos kreierten Atmosphäre liegt.

    Entsprechend der damaligen Zeit wird alles sehr behutsam angedeutet, sei es die Rauschgiftsucht von Vivians jüngerer Schwester Carmen (Martha Vickers) oder die Aktbilder, mit denen sie erpresst wird. Wesentlich deutlicher und unverblümter ist da die Buchvorlage. Ob gewollt oder nicht, aber gerade die eher unbestimmte Darstellung einer perversen, gewalttätigen und dreckigen Unterwelt macht den Film so undurchsichtig und unterstreicht seine finstere, von existenzieller Angst durchzogene Stimmung.

    „Tote schlafen fest“ ist düster in Thematik und Machart. Wenn es draußen nicht nachtet oder gerade regnet, hält sich der Held meistens in finsteren Räumlichkeiten auf und durchstreift die urbanen Plätze einer gefährlichen (Unter)Welt. Exemplarisch ist dabei der Einsatz von Licht und Schatten sowie der Dunkelheit im Allgemeinen. Maßgeblich an der atmosphärisch dichten, finsteren Stimmung beteiligt ist auch Humphrey Bogart, der eine seiner besten darstellerischen Leistungen liefert und seinen in „Die Spur des Falken“ entwickelten Charaktertyp weiterentwickeln und vertiefen kann.

    „Tote schlafen fest“ weiß Stilrichtung, Thematik, Grundstimmung und Ziel des Film Noir, der „schwarzen Serie“ Hollywoods perfekt in sich zu vereinen und darzustellen. Wird von Film Noir gesprochen, denkt der Cineast fast automatisch zuerst an „Tote schlafen fest“ und erst dann am eigentlich als Begründer geltenden „Die Spur des Falken“. Selten haben sich das Lebensgefühl, die Ängste und Grundhaltung einer Epoche so deutlich in einem Film widergespiegelt, wie in „Tote schlafen fest“. Beispielhaft, die Vermittlung des Klimas der allgegenwärtigen Bedrohung und Korruption. Tadellos die filmische Adaption des lakonischen Erzählstils und der Dialoge. Weniger stimmig ist vielleicht die Umsetzung der komplexen Handlung, die allerdings gerade durch ihre Unnachvollziehbarkeit die Undurchsichtigkeit eines komplizierten Milieus unterstreicht.

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