Deutsch-türkisches Kino wird in erster Linie mit dem Namen Fatih Akin (Gegen die Wand, Auf der anderen Seite) in Verbindung gebracht. Der Hamburger ist aber nur der bekannteste Vertreter einer sehr heterogenen Gruppe von Filmemachern. Zu dieser gehört auch Sinan Akkus, der nun mit „Evet, ich will!“ eine episodisch angelegte Hochzeitskomödie über multikulturelle Befindlichkeiten vorlegt. Was auf dem Papier noch recht vielversprechend klingt, ist auf der Kinoleinwand nur schwer zu ertragen. Der Film ist mit seinem biederen Humor leider nur in Ausnahmefällen komisch und erschöpft sich zudem in eindimensionalen Klischees. Diese werden nie hinterfragt oder ironisiert, sie werden ganz im Gegenteil nicht einmal klug platziert. Vielmehr begnügt sich Sinan Akkus damit, sie selbstzweckhaft wiederzukäuen.
In Berlin stehen gleich vier problematische Hochzeiten ins Haus: Ein junger Deutscher (Oliver Korittke) will seine türkische Freundin (Lale Yavas) heiraten, ein älterer Türke (Mütuz Yolou) befindet sich auf Brautschau, um sich durch Eheschließung eine Aufenthaltsgenehmigung zu sichern, ein türkischer Radiomoderator (Tim Seyfi) möchte seine kurdische Freundin (Idyl Üner) ehelichen und ein schwuler Türke (Eralp Uzun) würde am liebsten seinen deutschen Freund zum Mann nehmen - während die Familie schon nach einer geeigneten Ehefrau sucht...
Sinan Akkus versucht aus den Spannungen, die diesen Konstellationen innewohnen, komische Funken zu schlagen, indem er auf Tempo und Abwechslung setzt. Leider erweist sich die ungestüme Montage aber als auffälligster inszenatorischer Mangel des Episodenfilms, der dramaturgische Unzulänglichkeiten zusätzlich unterstreicht. Viel zu schnell und unmotiviert wechselt Akkus zwischen den verschiedenen Handlungssträngen, der Zuschauer bekommt in der Regel kaum Gelegenheit, sich in eine Szene einzufinden. Aber auch das gegenteilige Extrem ist zu beobachten: Die zunehmend redundanten Szenen, in denen die Väter der Ehemänner beim jeweiligen Brautvater um die Hand der Tochter anhalten müssen, werden viel zu sehr in die Länge gezogen. Es herrscht ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Einzelszenen, auch die Versuche durch Parallelmontagen Akzente zu setzen und Zusammenhänge herzustellen, fruchten kaum. Zur unausgereiften Montage und zum holprigen Rhythmus kommt noch die Rührseligkeit des Films. Die Grenze zum Kitsch wird mehr als einmal überschritten. Während Fatih Akin gelegentlichen Gefühlsüberschwang (etwa bei „Im Juli“) durch seine geschickte Inszenierung abfedert, nimmt die Sentimentalität bei „Evet, ich will!“ gerade wegen der unausgegorenen Regie Überhand.
Die Kernthemen von Akkus' Komödie sind selbstredend die Integration und ihre Schwierigkeiten, was schon durch den Titel angedeutet wird („evet“ ist natürlich das türkische Wort für „ja“). „Evet, ich will!“ handelt von mehr und weniger gut integrierten Deutschtürken - und in einem Fall sogar von einem „über-integrierten“. Die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Türken im Allgemeinen und die besonderen Gegensätze zwischen den Heiratswilligen bilden die Basis für die Humorversuche des Films, wobei auch vor heikleren Themen wie der türkisch-kurdischen Feindschaft nicht Halt gemacht wird. Leider bleiben die Figuren – ob nun Kurden, Türken oder Deutsche, Ökos, Dorftölpel oder dicke Mädchen – allesamt stereotyp. Die durchweg guten Darsteller wie Idil Üner („Kurz und schmerzlos“), Oliver Korittke („Bang Boom Bang“) oder Heinrich Schafmeister („Comedian Harmonists“) sind angesichts des oberflächlichen Materials letztlich machtlos. Tiefgang wird also nicht geboten, an überdeutlich ausgewalzten Klischees fehlt es „Evet, ich will!“ hingegen wahrlich nicht. So ist es, um nur ein krasses Beispiel zu nennen, mehr als verwunderlich, dass der Vater des schwulen Emrah den Braten nicht schon lange gerochen hat, denn das männliche Pärchen ist schwuler als schwul und kommt daher als sei es dem Cover gewisser Queer-Zeitschriften entsprungen.
Akkus lässt Heiratsantrag auf Heiratsantrag und Zote auf Zote folgen. Dabei geht es letztlich weniger um eine Bestandsaufnahme des deutsch-türkischen Verhältnisses als um die wenig komischen Leiden eines jungen Deutschen im Angesicht einer bevorstehenden Beschneidung – und darum, dass beschnittene Männer laut einer Studie „länger können“. Charmant und wirklich humorvoll ist „Evet, ich will!“ nur in Ausnahmefällen. Den „ausgewiesenen Filmfachleuten“ (Wikipedia) der Filmbewertungsstelle in Wiesbaden hat's aber trotzdem gefallen: „Evet, ich will!“ wurde sogleich mit dem Prädikat besonders wertvoll gesegnet, womit er sogar noch einen Tick besser abschneidet als Rambo III, der seinerzeit nur als wertvoll erachtet wurde...