In Friends With Money gibt es eine Spendengala, auf der einige gut betuchte Freundinnen darüber diskutieren, für welche Krankheit sie hier eigentlich gerade ihr Geld hergeben. Es geht ihnen nicht darum, tatsächlich jemandem zu helfen. Vielmehr sind sie nur darauf aus, sich selbst rückzuversichern, dass es anderen Menschen schlechter geht als ihnen. In eine ähnliche Kerbe schlägt nun auch Nicole Holofceners neuer Film „Please Give“, der im Wettbewerb der 60. Berlinale außer Konkurrenz gezeigt wird. In diesem spielt Catherine Keener eine New Yorkerin, die Obdachlosen schon mal 20 Dollar in die Hand drückt, nur um sich selbst einzureden, dass sie ein guter Mensch sei - egal wie egoistisch sie im Übrigen auch ist. Mit scharfem Blick und feiner Ironie seziert Nicole Holofcener (I’m With Cancer) das Verhalten ihrer Protagonistin, wobei sie dem Publikum ihre Moral von der Geschicht‘ allerdings einmal zu oft unter die Nase reibt.
Das New Yorker Ehepaar Kate (Catherine Keener) und Alex (Oliver Platt, Flatliners) kauft den Angehörigen von Verstorbenen Erbstücke zu lächerlichen Preisen ab, um die angestaubten Couches und Schränke dann in ihrem Designerladen zu überhöhten Preisen wieder zu verscherbeln. Mit dieser Masche haben sie so viel Geld verdient, dass sie sich sogar das Appartement neben ihrem leisten konnten. Irgendwann soll einmal die Mauer durchbrochen werden, um eine große Wohnung zu schaffen. Aktuell lebt in dem Appartement allerdings noch die 91-jährige Andra (Ann Morgan Guilbert), die beim Verkauf ein lebenslanges Wohnrecht erhalten hat. Ihre Enkelin Rebecca (Rebecca Hall, Vicky Cristina Barcelona) kümmert sich aufopferungsvoll um ihre Großmutter, während Rebeccas sonnenstudiosüchtiger Schwester Mary (Amanda Peet, Keine halben Sachen) die borstige alte Dame am Allerwertesten vorbeigeht. Sie stürzt sich lieber in eine Affäre mit Alex…
Wer nun glaubt, es handele sich hier um eine Independent-Variante von Der Appartement-Schreck, in dem Ben Stiller und Drew Barrymore ihre greise Vermieterin loswerden wollen, ist schief gewickelt. Denn Kate und Alex denken nicht für eine Sekunde daran, ihrer Nachbarin tatsächlich den Garaus zu machen. Ganz im Gegenteil: Sie würden ihr gerne aus vollem Herzen Gesundheit wünschen, doch dafür sind sie viel zu egoistisch, schließlich sind die Pläne zur Zusammenlegung der Wohnungen längst geschmiedet. Diese Diskrepanz zwischen dem, der man ist, und dem, der man gerne wäre, ist das bestimmende Thema von „Please Give“. Kate wäre gerne ein guter Mensch, der tolerant ist und Behinderten hilft. Doch hier steht sie und haut Hinterbliebene übers Ohr. Wenn sie im Geschäft sitzt und auf Kunden wartet, schaut sie sich im Internet Kinder mit Hasenscharten an - je schrecklicher das Schicksal der anderen, desto erträglicher erscheint das eigene.
Kate ist der alles bestimmende Charakter, dabei handelt es sich bei „Please Give“ ja eigentlich um einen Ensemblefilm. Rebecca verliebt sich in den Enkel (Thomas Ian Nicholas) einer Patientin (Lois Smith), Mary stalkt die breitschultrige neue Freundin (Rebecca Budig) ihres Ex und Kates Töchterchen (Sarah Steele) macht unerfreuliche Erfahrungen mit einem Gesichtspeeling. Doch das sind alles kaum mehr als Randnotizen, im Zentrum steht eindeutig Catherine Keener (Being John Malkovich, Capote, Wo die wilden Kerle wohnen), der hier das seltene Kunststück gelingt, einen abgrundtief unsympathischen Charakter zu verkörpern und dennoch alles Verständnis dieser Welt für ihn zu wecken. Doch ein Wermutstropfen bleibt, denn Kate ist einfach zu schnell durchschaut. Die angeführten Fallbeispiele (das Nachbarappartement, die Spenden an den obdachlosen Transvestiten, die Hasenscharten) deuten alle in dieselbe Richtung. Trotz Catherine Keeners großartiger Leistung möchte man dem Film da irgendwann zurufen: „Okay, genug, wir haben verstanden.“
Fazit: „Please Give“ ist eine durchaus bissige Big-Apple-Komödie, die sich insgesamt aber zu sehr auf Catherine Keener verlässt und gut daran getan hätte, die Last auf mehr Schultern zu verteilen - mit Oliver Platt, Rebecca Hall und Amanda Peet wäre ja fraglos genügend Talent vorhanden gewesen.