Lange her, dass man etwas von Herrn Becker gehört hat. Dabei ist sein "Goodbye, Lenin" von 2003 längst zum Kultfilm avanciert, aber außerdem der einzige Spielfilm, den er in den letzten fünfzehn Jahren gedreht hat. Dafür lohnt sich der Nachschub jetzt in vielerlei Hinsicht umso mehr. Daniel Brühl, seit langem wieder einmal in einem deutschen Film zu sehen, gibt den Unsympathen Zöllner mit der Hingabe jahrelanger Erfahrung und profiliert sich spätestens jetzt endgültig als ausgezeichneter Charakterdarsteller. Der Däne Jesper Christensen verkörpert das gealterte Genie ebenso knarzig wie verschmitzt und gibt ein perfektes Gegenüber für den jungen Schnösel ab, der da so mir nichts dir nichts in sein Leben poltert.
Obwohl man sich von Anfang an sicher wähnt, dass hier eine waschechte Komödie vorliegt, mischt sich doch immer wieder das eine oder andere Fünkchen Melancholie zwischen die humorvollen Momente. Auch wenn Brühls Charakter nah an einer Parodie des beinahe desillusionierten Aufsteigers angesiedelt ist, gelingt es Becker immer wieder zu vermitteln, dass er seine Figuren durchaus ernst nimmt. Gut gemacht sind auch die im Film vorkommenden Kunstwerke, die in aufwändiger Arbeit von Künstler Manfred Gruber dem Schaffen des fiktiven Kaminski nachempfunden wurden. Ein ums andere Mal zerfließen Filmszenen direkt in expressionistische Farbeskapaden und geben dem Film einen experimentellen Touch. Damit, und anhand mehrer großartiger Momente der satirischen Abrechnung mit einer selbstverliebten modernen Kunstszene, wird klar, dass die Regie hier alles andere als zweckmäßig vorgeht. Die Kunst als solche wird gleichermaßen gewürdigt wie liebevoll porträtiert. Übrigens lohnt es sich, genau deswegen auch beim Abspann noch sitzen zu bleiben.
Das beschert der Adaption von Daniel Kehlmanns (dessen "Die Vermessung der Welt" ebenfalls bereits prominent verfilmt wurde) gleichnamigen Roman reichlich gute Momente, insgesamt nimmt sie es mit dessen Umsetzung stellenweise aber ein wenig zu genau, sodass gerade in der Mitte des Filmes ein paar Längen auftreten. Das lässt sich meist noch verkraften, bremst die eigentlich recht schwungvolle Handlung aber leider an mehreren Stellen unnötig aus. Damit bleibt "Ich und Kaminski" zwar ein wirklich guter Film, wird nicht zum Klassiker.
Fun Fact: Kurz vor Kinostart gab es in Berlin eine Ausstellung mit den im Film verwendet Gemälden von "Kaminski". Glaubt man dem Bonusmaterial, hielten Presse und Fachpublikum die vorgestellten Bilder tatsächlich für authentisch und griffen die Story von Pablo Picassos vergessenem Freund begeistert auf ...