Ein psychopathischer Sprössling steigt nachts die schmale, steile Treppe seines Elternhauses hinauf, um seine schlafende Familie auf bestialische Weise niederzustechen. Die Art und Weise, in der Andrew C. Erin diese Eröffnungssequenz seines Debütstreifens „Sam´s Lake“ inszeniert, ist als eindeutige Hommage an John Carpenters Genreklassiker „Halloween“ zu verstehen. Da hören die Gemeinsamkeiten von Erins kanadischem Independentschocker und Carpenters 1978er-Meisterwerk aber auch schon auf. Wo „Halloween“ das Sub-Genre des „Stalkers“ begründete, scheint „Sam´s Lake“ in gewohnten, aber außergewöhnlich sorgfältig ausgearbeiteten Slasher-Bahnen zu verlaufen, bevor er durch einen überraschenden, aber deshalb nicht minder stimmigen Storytwist in einen Old-School-Redneck-Terrorstreifen umschlägt.
Um Sam (Fay Masterson), die noch immer nicht über den Tod ihres Vaters (Robert William Smith) hinweggekommen ist, mal wieder so richtig aufzupäppeln, beschließen ihre Freunde, mit ihr gemeinsam ein Wochenende an jenem abgelegenen See zu verbringen, in dessen Umgebung Sam ihre gesamte Kindheit verbracht hat. Zunächst bestimmt noch feuerscheingetränkte Lagerromantik das Szenario: Kate (Sandrine Holt) fängt etwas mit dem gutgebauten einheimischen Jesse (William Gregory Lee) an und der schwule Dominik (Salvatore Antonio) versucht sich in der hohen Kunst des Gruselmärchenerzählens. Richtig schaurig wird es aber erst, als Sam eine lokale Legende um einen nie gefassten Psychokiller zum Besten gibt und anschließend auch noch einen Besuch in genau der heruntergekommenen Bruchbude einfordert, in der dieser seine ersten Opfer gefunden haben soll. Als die abenteuerlustige Truppe dann auch noch das Tagebuch der serienmordenden Bestie findet, ist es mit der Harmlosigkeit des bisher so gemütlichen Trips endgültig vorbei…
Es ist angenehm zu merken, wie gern Regisseur und Autor Erin seine eigenen Figuren zu haben scheint. Hier werden sie nicht wie in vielen anderen Outdoor-Slashern auf saufende Sexbesessene reduziert, sondern allesamt ebenso sorgfältig wie feinfühlig in das sich stetig verdüsternde Szenario eingeführt. Eigentlich auch kein Wunder, basiert „Sam´s Lake“ doch auf Erins eigenem, 25-minütigen Kurzfilm gleichen Titels aus dem Jahr 2002, so dass er seine Charaktere nun schon seit über vier Jahren mit sich herumgetragen hat – das verbindet! Und so wirken die Dialoge überraschend erwachsen und natürlich, die Beziehungen der Figuren zueinander glaubhaft und die schauspielerischen Leistungen haben es auch wirklich verdient, so genannt zu werden – bei Low-Budget-Slashern eher die Ausnahme von der Regel. So hat der der blutigen Dezimierung vorangehende Teil hier mehr mit „Sex And The City“ als mit Road Trip und Konsorten gemein, was auch zur Folge hat, dass es einem schon bald nichts mehr ausmachen würde, wenn der Film den Stil einer romantischen Komödie beibehalten könnte. Irgendwie möchte man gar nicht mehr unbedingt, dass den lieb gewonnenen Freunden allesamt der Kopf abgeschlagen wird – und damit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen richtig guten Horrorfilm erfüllt.
Dann folgt ein Storytwist, der alles vorher Gesehene auf den Kopf stellt, ohne aber in irgendeiner Weise unstimmig oder gar beliebig zu erscheinen. Was nun folgt, bewegt sich viel stärker als noch die erste Hälfte auf ausgetrampelten Genre-Pfaden. Hier offenbart sich auch die negative Seite der Kurzfilm-Herkunft: In diesem dauerte der Terror-Anteil nach der Wendung nämlich nur wenige Minuten, in der Spielfilmversion fast eine Dreiviertelstunde. Hier hätte man sich, statt die Menschenjagd einfach nur auszudehnen, noch zusätzliche Twists einfallen lassen müssen – so kommt die zweite Hälfte über zwar spannenden, sogar atmosphärischen, aber überraschungsarmen Durchschnittshorror nicht mehr hinaus. Insgesamt bleibt „Sam´s Lake“ ein sorgfältig geschriebener, weit über Genredurchschnitt gespielter Independent-Horror, dem in der zu konventionellen zweiten Hälfte aber die eine oder andere zusätzliche unerwartete Wendung keinesfalls geschadet hätte.