Paul Giamatti spielt Paul Giamatti. In seiner New Yorker Behausung herrscht Untergangsstimmung, der von Sinnfragen gepeinigte Mime liegt auf seinem Bett und schwadroniert über den körperlichen Stammplatz der Seele. Und darüber, was das überhaupt sein soll - Seele! Nein, „Cold Souls" ist eindeutig kein neuer Charlie Kaufman. Der hätte nämlich eine weitere Figur dazugeschrieben und den prätentiösen Monolog elegant ausgehebelt; so wie in „Being John Malkovich", wo John Cusacks Philosophen-Gestammel von einer kühlen Catherine Keener mit demonstrativem Desinteresse quittiert wurde. So sehr sich Drehbuchautorin und Regisseurin Sophie Barthes auch abmüht, das große Vorbild bleibt unerreicht. Spaß macht ihr Spielfilmdebüt „Cold Souls" trotzdem. Sei es als urkomische Giamatti-One-Man-Show, oder als zumindest über weite Passagen gelungene Hommage an Hollywoods Ausnahme-Autor Kaufman.
Paul Giamatti soll Anton Chekhovs „Onkel Vanya" aufführen. Der Filmstar aus der zweiten Reihe hat allerdings keinen blassen Schimmer, wie er sich der vertrackten Theater-Rolle nähern soll. Während er Trübsal über langweiligen Tageszeitungen bläst, fällt ihm die Anzeige einer ominösen Firma ins Auge: „Wir verwahren ihre Seele." Paul schaut beim nahen Firmensitz vorbei, lässt sich vom „Soul Storage"-Chef Dr. Flintstein (herrlich wirr: David Strathairn) beraten – und sich kurzerhand die Seele entfernen. Erst genießt er seine neue Unbekümmertheit, doch dann kommen Zweifel auf. Als er sich umentscheidet und seinen göttlichen Funken zurückfordert, trifft ihn der Schlag: Seine Seele wurde nach Russland exportiert und befindet sich nun im Besitz einer aufgeplusterten Diva mit fehlgeleiteten Schauspiel-Ambitionen...
Es wäre zu kurz gegriffen, Sophie Barthes' Debüt zum Plagiat abzustempeln. Dafür ist „Cold Souls" zu liebevoll inszeniert, zu vollgestopft mit witzigen Ideen und hinreißender Situationskomik. Hier sehen extrahierte Seelen wie kleine Schmutzklumpen aus, werden als Erfolgsbausteine auf dem globalen Schwarzmarkt verschachert und reagieren äußerst sensibel auf dünne Höhenluft – zu nah wollen die kleinen Dinger dem Herrgott wohl nicht kommen. Zählt es als Seitensprung, die Seele einer heißen Russin spazieren zu tragen? Und, viel wichtiger, was passiert dann mit der Gender-Identität des Trägers? Dass Barthes' dekonstruktivistische Schelmerei nie die intellektuelle Nonchalance eines Kaufman erreicht – geschenkt! Ihre satirischen Ansätze gehen dennoch größtenteils auf.
In „Being John Malkovich" wurde Kapitalismuskritik über eine viel zu niedrige Büro-Etage zugespitzt, die ihre Bewohner sprichwörtlich in die Knie zwang. Barthes dagegen hält sich nicht mit Subtilitäten auf. Dr. Flintsteins „Soul Storage" ist ein Großunternehmen, das in bester Haifisch-Manier ohne jeden Anstand mit dem Seelenkapital seiner Kunden jongliert. Barthes ist dabei clever genug, das Abstraktum Seele nicht auf eine Definition runterzubrechen. Gewissen, Leidenschaft und Verzweifelung, das alles funktioniert auch ohne Seele. Mit der Zuschreibung von Würde sieht es da schon anders aus. Und die will Paul schnellstmöglich zurückhaben. Doch um sich mit seiner abgestoßenen und entfremdeten Seele zu versöhnen, muss er seine größte Angst überwinden und in ihre dunkelsten Tiefen eintauchen.
Wie einst Jim Carrey in Kaufmans „Vergiss mein nicht" taumelt Paul in einer surrealen Sequenz durch biographische Fragmente. Und wie im Vorbild steht auch hier schließlich die Einsicht, dass schmerzhafte Erfahrungen dazugehören und nicht einfach ohne Nebenwirkungen amputiert werden können. Dass der letzte Akt darüber nicht zu kitschig gerät, ist dem hervorragenden Paul Giamatti zu verdanken. Der verkörpert die selbstreferentielle Rolle eines Schauspielers in der Schaffenskrise mit so viel, nun ja, Soul, dass er den unvermeidlichen Vergleich mit John Malkovich nicht scheuen braucht. Giamatti ist das Herz von „Cold Souls", er verleiht dem Film Charakter und erdet den verkopften Entwurf seiner Regisseurin. Sophie Barthes ist nicht Charlie Kaufman. Ein unterhaltsames Debüt ist ihr mit „Cold Souls" trotzdem gelungen.