Seit dem ambitionierten Drama Paradise Now taucht eine ikonisierte Figur unserer Zeit immer mal wieder im Kino auf: der Selbstmordattentäter. Auch in „Alles für meinen Vater“, dem Kinodebüt des israelischen Regisseurs Dror Zahavi, spielt ein Selbstmordattentäter die zentrale Rolle. Anhand seiner Erlebnisse wird der blutige Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis in allzu symbolträchtige Bilder und eine konventionelle Dramaturgie verpackt. Dadurch wird die ambitionierte Thematik des Films nicht mit Erkenntnisgewinn oder polarisierend verhandelt, sondern letztlich banalisiert. Zahavi begnügt sich in seinem Debütfilm mit einer Hollywood-typischen Aufbereitung der Geschichte ohne Ecken und Kanten - und ohne die nötige Radikalität. So verpufft seine utopische Botschaft hinter polierten Bildern und einer lehrbuchmäßig austarierten Story.
Der junge Palästinenser Tarek (Shredy Jabarin) will den angeschlagenen Ruf seines Vaters durch ein ehrenhaftes Selbstmordattentat auf dem belebten Markt von Tel Aviv wiederherstellen. Tarek reist mit dem Auto an und beginnt mit seinen Vorbereitungen für das Attentat. Parallel bricht der Tag in Tel Aviv an: Die Straßen füllen sich, Ladenbesitzer öffnen ihre Geschäfte. Beste Voraussetzungen für ein Attentat, doch die Explosion bleibt aus, der Zündungsschalter ist defekt. Mit dem kaputten Gerät sucht Tarek den Elektroladen des eigenwilligen Katz (Shlomo Vishinski) auf, der ihm die Beschaffung eines neuen Schalters innerhalb von zwei Tagen verspricht - allerdings ohne zu wissen, wofür sein Kunde diesen benötigt. Nur mit Glück und einiger Überzeugungskraft kann Tarek eine Fernzündung durch die Terrorzentrale abwenden. In den folgenden zwei Tagen lernt der junge Selbstmordattentäter einige Bewohner Tel Avivs kennen. Neben Katz und seiner Frau vor allem die hübsche Keren (Hili Yalon, Lemon Tree), in die er sich verliebt. Den Sprengstoffgürtel trägt er die ganze Zeit unter seiner Kleidung, und die Schonzeit verstreicht schneller, als ihm lieb ist. Die Drahtzieher der Terrororganisation „Tanzim“, in deren Dienst Tarek steht, werden bereits ungeduldig…
Regisseur Zahavi konzentriert seinen Blick nicht auf die inneren Konflikte des Selbstmordattentäters oder die politische Brisanz seines Themas. Die Frage, was in einem jungen Mann vorgeht, der mit einem Sprengstoffgürtel durch Tel Aviv läuft, tritt zunehmend in den Hintergrund. Ab einem gewissen Punkt scheint Zahavi geradezu zu vergessen, dass Tarek Sprengstoff unter seiner Kleidung trägt. Stattdessen begnügt er sich mit dem Erzählen einer gänzlich gewöhnlichen Romeo-und-Julia-Romanze zwischen dem Fremden aus Palästina und der jungen Jüdin, die sich gerade erst der Kontrolle ihrer militanten Familie entzogen hat. Tareks plakativer Blick in einen zerbrochenen Spiegel muss ausreichen, um seine innere Zerrissenheit nach außen hin deutlich zu machen.
Der Film lässt keinen dramaturgischen Kniff aus, um die Spannungsschraube anzuziehen: Tareks Mutter ruft ihren Sohn genau in dem Moment auf dem Handy an, als sich dieser gerade mitten auf dem Markt stehend in die Luft sprengen will. Und natürlich gibt es auch eine Szene, in der Tarek voller Dramatik seine Motive kundtut. Zudem betrauert Katz den Tod seines Sohnes beim Militär und Keren wird von ihrem konservativen Bruder zur Rückkehr in die engen Familienschranken gedrängt. Die Kernaussage des Films steht hinter all dem Schnickschnack zurück, wirkt zudem lau und furchtbar simpel: Habt Euch lieb und sprengt euch nicht gegenseitig in die Luft!
Verdinglicht wird diese utopische Friedensbotschaft durch die aufkeimende Liebesbeziehung zwischen Tarek und Keren, dem Palästinenser und der Jüdin. Das kann funktionieren. Doch woran „Alles für meinen Vater“ schließlich scheitert, ist die glattpolierte Mainstream-Aufbereitung, die dem Thema keinesfalls gerecht wird. Dror Zahavi hat sein Handwerk beim deutschen Fernsehen (er arbeitete etwa als Regisseur für „Doppelter Einsatz“ und inszenierte den TV-Mehrteiler „Die Luftbrücke“) erlernt und setzt sein so erworbenes Wissen in seinem Kinodebüt durchaus geschickt ein: Die Bilder sind makellos, die Schnitte sitzen meistens und alle dramatischen Szenen sind großzügig mit Musik unterlegt. Das Problem ist nur, dass diese Ingredienzien des Unterhaltungskinos rein gar nicht zur Geschichte des Selbstmordattentäters passen wollen.
Fazit: Trotz seiner Oberflächlichkeit hat „Alles für meinen Vater“ sieben Ophir-Nominierungen (das israelische Pendant zum Oscar) abgesahnt. Endlich ist auch der Selbstmordattentäter als hoffähige Figur im Mainstream-Kino angelangt – heißen wir ihn willkommen.