Mit 1,2 Millionen Zuschauern avancierte der Film „Love Life - Liebe trifft Leben" zu einem der größten Publikumserfolge der niederländischen Kinogeschichte. Basierend auf dem autobiographischen Erfolgsroman „Mitten ins Gesicht" von Raymond van de Klundert (Pseudonym: Kluun) erzählt Regisseur Reinout Oerlemans in berauschenden Bildern von einer Liebe, die von einer schweren Krankheit auf die Probe gestellt wird. Pulsierendes Leben trifft auf zerstörerische Krankheit und schillernde Discotempel auf kahle Krankenhausflure in einem lange etwas zu distanziert inszenierten, dafür durchweg stark gespielten und später umso packenderen Beziehungsdrama.
Stijn (Barry Atsma) verdient sein Geld in der Werbeindustrie und lebt ein Leben auf der Überholspur. In der toughen und attraktiven Geschäftsfrau Carmen (Carice Van Houten) findet der partysüchtige Schönling seine Traumfrau. Bald sind sie verheiratet, die Geburt ihres Töchterchens Luna (Yfke Wegman) macht ihr Glück perfekt. Carmen akzeptiert sogar Stijns zahlreiche Seitensprünge. Doch dann wird das Leben der jungen Familie von der Brustkrebsdiagnose Carmens erschüttert. Die kräftezehrende Chemotherapie, die Bestrahlung und schließlich gar die Amputation der von Krebs befallenen Brust zermürben das Paar. Stijn steht seiner geliebten Carmen zwar bei, seine Machtlosigkeit aber macht ihm schwer zu schaffen, so dass er verstärkt Zerstreuung im Amsterdamer Nachtleben sucht. Schließlich beginnt er eine Affäre mit der Malerin Roos (Anna Drijver)...
Regisseur Reinout Oerlemans ist der Begründer der Fernsehproduktions- und Entwicklungsfirma Eyeworks, die Fernsehformate wie ,,Der große IQ Test" oder „Der Schwächste fliegt" entwickelte. Für sein Regiedebüt entschied sich Oerlemans für die Verfilmung eines in den Niederlanden enorm populären Romans, mit dem Kluun einmal nicht den leidenden Krebspatienten, sondern dessen engste Bezugsperson in den Mittelpunkt stellt. Die brutale Direktheit der Off-Kommentare des Machos Stijn, sowie die Sexszenen und das grell-bunte Partyleben Amsterdams, die Carmens langsamen körperlichen Verfall gegenübergestellt werden, machen „Love Life – Liebe trifft Leben" zu einem gewagt entworfenen Drama. Es dauert allerdings eine Weile, ehe Oerleman seine Distanz zu Stijn verringert und die reine Beobachterrolle aufgibt. Wenn die Überleitung zwischen eiskalter Werbeindustrie und zügellosen Sexerlebnissen hin zur berührenden Krebsgeschichte dann kommt, kommt sie abrupt.
Stijn ist ein aalglatter Macher, der zu jeder Zeit alles im Griff zu haben scheint – bis zur Krebsdiagnose seiner geliebten Frau. Er kümmert sich, spricht ihr Mut zu. Sein eigenes, sorgsam vor Carmen verborgenes Leid treibt ihn schließlich in die Arme der heißblütigen Roos. Mit der immer intensiver werdenden Affäre wirft Stijn einen Anker weit jenseits der zur Belastung gewordenen Familie aus. Den Kontrast zwischen der sorglos-wilden Partywelt und des unter dem Damoklesschwert der Krankheit stehenden Ehelebens visualisiert Oerleman effektiv, teils vermischen sich gar Stijns böse Ahnungen und Schuldgefühle mit den grellen Eindrücken seines Nachtlebens. Auch sein Liebesspiel mit Carmen, in freier Natur und kurz nach der Krebsdiagnose, findet später eine Entsprechung in der intimen Nacktheit mit Roos in ihrem ganz in weiß gehaltenen Atelier – hier findet Stijn eine Unbeschwertheit, die zusammen mit seiner Frau nicht mehr mehr möglich zu sein scheint.
Stijns mit Carmens Krankheitsverlauf zunehmend hedonistische Lebensweise wirkt vorerst noch verschlagen und feige. Mit Barry Atsmas sensibler Darstellung aber wird die Figur des ewigen Ehebrechers dennoch bald greif- und nachvollziehbar und seine verletzliche Seite in kleinen Schritten bloßgelegt. Carice van Houten steht ihrem Kollegen in nichts nach und verkörpert die willensstarke Carmen facettenreich in den unterschiedlichen Phasen ihrer schweren Krankheit. „Love Life – Liebe trifft Leben" ist visuell kreativ gestaltet und mit der pointierten Gegenüberstellung von nahendem Tod und pulsierendem Leben äußerst spannend – und das, obwohl Oerleman seinem Publikum den Einstieg in den lange Zeit bemerkenswert distanziert erzählten Film nicht gerade leicht macht.