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    The Killer inside me
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Killer inside me
    Von Christoph Petersen

    Nach einer Woche gepflegter Langeweile kam der Wettbewerb der 60. Berlinale an den letzten beiden Tagen doch noch in Fahrt. Leider verdanken die Jubiläumsfestspiele diesen unverhofften Schwung auf der Zielgeraden ausgerechnet zwei Filmen, die nicht mit Begeisterungsstürmen bedacht, sondern - zumindest in den Pressevorführungen - überwiegend ausgebuht wurden. Nach Oskar Roehlers Jud Süß - Film ohne Gewissen ereilte dieses Schicksal auch Michael Winterbottoms Pulp-Noir „The Killer Inside Me“, der von seiner Weltpremiere auf dem Sundance Festival bereits mit dem Label „Skandalfilm“ versehen nach Berlin gekommen war. Dieser Skandal ist nun zwar - weil viel zu offensichtlich konstruiert - kaum der Rede wert, der Rest des Films aber leider genauso wenig.

    Lou Ford (Casey Affleck), Hilfsscheriff in der texanischen Kleinstadt Central City in den 1950ern, ist der Typ Mann, von dem alle Welt sagt, er könne keiner Fliege etwas zu leide tun. Doch da hat sich die Welt gehörig geschnitten. Lou schlägt erst die Prostituierte Joyce Lakeland (Jessica Alba) zu Brei, pustet dann den Sohn (Jay R. Ferguson) des Baumoguls Chester Conway (Ned Beatty) das Hirn aus dem Schädel und schiebt die Morde anschließend den Opfern gegenseitig in die Schuhe. Lou ist allerdings kein kühl-kalkulierender Killer, sein Plan ist vielmehr von einer nahezu kindlichen Naivität geprägt. Und so sind Lou bald ein Staatsanwalt (Simon Baker) sowie ein Vertreter der Polizeigewerkschaft (Elias Koteas) dicht auf den Fersen...

    Mit sadomasochistischen Sexszenen inklusive Würgespielen und Gürtelhieben auf den blanken Arsch von Jessica Alba macht sich Michael Winterbottom, der bereits einen Silbernen (für Road To Guantanamo) und einen Goldenen Bären (für In This World) im Regal stehen hat, erst einmal warm. Doch dann folgt auch schon der große Aufreger. Minutenlang schlägt Lou auf Joyce ein, bis ihr zertrümmerter Schädel wie ein undefinierbarer Klumpen anmutet. Und nicht nur das. Während der Tat gesteht das Opfer, blutüberströmt und mit zersplitterten Knochen, dem Täter auch noch ihre Liebe. Kein Wunder also, dass dem Film bereits in Sundance Frauenfeindlichkeit vorgeworfen wurde. Später gibt es noch eine zweite, ganz ähnliche Szene, doch in der Wiederholung ist die Schockwirkung nur noch halb so stark - auch wenn die Kamera hier erneut bis zum letzten Moment draufhält.

    Natürlich lässt sich der Einsatz solch krasser Gewaltszenen grundsätzlich rechtfertigen, man denke nur an Lars von Triers Antichrist. Doch wo die Gewalt bei Lars von Trier ganz natürlich aus einer depressiven Albtraumhaftigkeit heraus entspringt, wirkt der Tabubruch im Fall von „The Killer Inside Me“ allzu kalkuliert. Das liegt ein ganzes Stück weit auch an der Besetzung. Jessica Alba, die in Honey unterprivilegierten New Yorker Ghetto-Kids auf die Sprünge half und in Interviews nicht müde wird zu betonen, dass sie sich auf der Leinwand niemals nackt zeigen würde, repräsentiert nicht weniger als das reine Gewissen Hollywoods. Auch in „The Killer Inside Me“ wird peinlich genau darauf geachtet, dass von ihr nicht zu viel zu sehen ist. Während Casey Affleck sie von hinten nimmt und ihr einen Gürtel um den Hals legt, tastet sich die Kamera zwar immer wieder an die Grenzen der erlaubten Körperpartien heran, überschreitet diese aber nie. Dass diese Prüderie überhaupt nicht zum Pulp-Genre passt, muss den Filmemachern klar gewesen sein. Trotzdem haben sie sich für Jessica Alba entschieden. Die Provokation ging also vor.

    Dass „The Killer Inside Me“ so schnell als Skandal verschrien wurde, hängt ganz simpel auch damit zusammen, dass der Film abseits der fraglichen Szenen kaum etwas zu bieten hat, über das es sich groß zu sprechen lohnen würde. Basierend auf Jim Thompsons gleichnamigem Pulp-Thriller aus dem Jahre 1952 war Michael Winterbottom bei der Adaption sehr daran gelegen, möglichst nah an der literarischen Vorlage zu bleiben. Rein storytechnisch ist ihm dies auch gelungen. Doch eines hat er dabei übersehen. Der Roman ist konsequent aus der Innensicht des Killers und dazu auch noch in einer sehr direkten, die damalige Zeit auf eine derbe Art reflektierenden Sprache geschrieben. Diese Qualitäten gehen bei einer filmischen Umsetzung natürlich verloren. Hier hätte der Regisseur das zwangsläufige Weniger mit eigenen Ideen aufwiegen müssen, was er leider konsequent versäumt. So plätschert der Plot - mit Ausnahme des tatsächlich pulpigen Finals - vor sich hin, während das übliche Südstaatenpersonal über die immer gleichen Serienkillerklischees stolpert.

    Da kann dann auch die namhafte Besetzung nicht mehr allzu viel ausrichten. Wie schon in Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford lässt Casey Affleck (Gone Baby Gone) auch hier unter der Oberfläche des Biedermanns die finstersten Abgründe durchscheinen. Das macht er gut, keine Frage, aber insgesamt gibt ihm das Drehbuch einfach zu wenig an die Hand. Dass Lou etwa aus Hass auf seinen Vater mordet, im Roman ein zentrales Motiv, muss man sich im Film aus vielen kleinen Details schon selbst zusammenreimen. Wie an so vielen Stellen misslingt es Michael Winterbottom - trotz einiger direkt aus der Vorlage übernommener Off-Kommentare - auch hier, die innere Welt des Romans in die äußere Draufschau eines Kinofilms zu übersetzen. Die Frauen, also Jessica Alba (Valentinstag) und Kate Hudson (Almost Famous, Nine), räkeln sich vornehmlich in BHs oder schreien, ob aus Lust oder Schmerz ist in diesem Film freilich einerlei. Die übrigen Rollen sind mit Charakterköpfen wie Simon Baker („The Mentalist“), Ned Beatty (In The Electric Mist), Elias Koteas (Shutter Island) oder Bill Pullman (Lost Highway), der mit seinem überdrehten Kurzauftritt als Anwalt als einziger die Grenzen des Pulp-Genres auslotet, typgerecht besetzt, wobei Lous Verfolger aber allgemein unterbelichtet bleiben.

    Fazit: Ein Skandal allein macht noch lange keinen guten Film.

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